Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Gelting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092639
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Blick, immer noch mit einem Rest an Heiterkeit gefüllt, zuckte kurz zum Pater und zurück. „Gut! Wir müssen über die Brücke auf die andere Seite. Mehr möchte ich jetzt erst einmal nicht sagen.“

      „Ich weiß nicht!“ Der Pater veränderte das Aussehen des Scherenschnitts, indem er seine rechte Hand in die Hüfte stemmte, die linke verschwand im Dunkel vor dem Körper, der Kopf legte sich schräg nach rechts, „Was führt ihr im Schilde? Bezahlen, Rechnung begleichen! Da sind wir wieder beim Thema Vergeltung und Rache! Ich sage euch, das bringt euch um Kopf und Kragen! Immerhin,“ er wandte sich an Franz, „hat sie ja den Pocher schon auf die eigene Spur gesetzt. Der lauerte schon vor ihrer Tür!“

      „Der Pocher weiß schon, dass du zurück bist?“ Franz blickte fassungslos von ihr zum Pater, wandte sich ihr direkt zu und ruckte vor, nicht verstehend, „Damit hast du ihn doch jetzt am Hals. Der findet dich irgendwann ganz sicher. Warum hast du das gemacht?“

      „Rache!“ Der Pater kam ihr zuvor, aufgebracht „Sie hat ihn geködert, um ihn fertig zu machen! Um ihn am Ende selbst in den Turm und auf den Scheiterhaufen zu bringen. Das ist doch euer Plan, oder? Er sollte brennen! Eiskalte Rache!“

      „Und – Pater, ihr könnt das nicht verstehen?“ Zu Franz „Ich wusste, dass die Schweden über Eichstätt gezogen waren, wir hatten davon in Leipzig gehört. Und was das bedeutete, musste mir niemand erklären! Ich hatte deshalb nur noch wenig Hoffnung, dich oder Anna oder Lina hier noch zu finden.“

      Eindringlich „Verstehst du: Sie haben völlig ohne Grund meine ganze Familie aufgelöst, alle im Reich verstreut oder umgebracht. Sie haben unser Leben von einem Tag auf den anderen einfach zerstört. Und dann hängt sich der Pocher an meine Fersen und verfolgt mich durchs ganze Reich. Wie ein Schweißhund hing der immer wieder auf meiner Spur und gab einfach keine Ruhe.“

      „Aber augenscheinlich ist er ja nie an euch rangekommen, und ich will meinen, so schlecht hat es das Leben in all den Jahren doch nicht mit euch gemeint. Warum müsst ihr dem Schinder jetzt selbst vor die Füße laufen?“

      „Warum? – Pater, ich habe es ja schon gesagt: Was nutzt all der Reichtum, wenn einem der Sinn des Lebens abhanden kommt? Und das war, so schien es mir, endgültig im letzten Sommer der Fall, als Wandecki erschlagen wurde. Wandecki war für mich mehr als ein guter Freund, er war die Hoffnung auf einen neuen Anfang. Mit seinem Tod verlor alles andere seinen Sinn. Mir blieben nur mein Reichtum und der Pocher. Mit ihm hatte alles begonnen. Er hatte mich all die Jahre über gejagt, jetzt sollte er auch für alles büßen. Deshalb bin ich zu ihm gekommen. Er war das Ziel, und sollte im eigenen Feuer schmoren!“

      Sie nickte langsam, schaute sinnend auf die Tischplatte, dann zu Franz, „Aber Gott sei Dank sitzen wir jetzt hier. Der Rest muss sich finden,“ zum Pater, „auch was den Pocher betrifft!“

      Es hielt ihn nicht mehr im Scherenschnitt. Geradezu hastig setzte er sich in Bewegung, suchte unruhig nach einer Sitzgelegenheit, setzte sich dann eine Spur zu heftig auf seinen alten Holzklotz, „Ihr sagt das so einfach! Als könntet ihr den Pocher aufhalten! Niemand hält den! Niemand!“

      Er redete eindringlich, mit großen, sorgenvollen Augen. „Ihr ward in all den Jahren sein Ziel, jetzt habt ihr ihn herausgefordert! Wie soll das jetzt weitergehen? Ich kann dabei keinen Vorteil für euch erkennen!“

      Sie nickte, ernst diesmal, „Wir werden sehen! Es wird für alles noch einen Weg geben, ganz sicher! Es gibt immer einen Weg. – Fast immer! Und wenn nicht, dann geht er eben doch noch mit!“

      Franz räusperte sich, ruckte auf seinem Platz etwas mehr zu ihr herum, legte ihr die Hand ruhig auf die Schulter. „Kannst du nicht verstehen, dass wir besorgt sind?“ Er zog wie hilflos die Schultern hoch, „Ich kann mir nicht vorstellen, worauf du hinaus willst, wenn du von „bezahlen“ und von „Geschäften“ sprichst. Du bist ein anderer Mensch geworden, und vielleicht hast du ja Möglichkeiten, die wir nicht erahnen. Aber du musst den Pocher sehr ernst nehmen. Jetzt erst recht!“

      Sie antwortete nicht sogleich, schaute ruhig von einem zum anderen, erkannte tiefe Besorgnis und auch Angst.

      „Wir hatten das Thema heute schon einmal, der Pater und ich. Warum traut ihr mir nicht zu, mit dieser Gefahr vernünftig umzugehen. Ich habe den Pocher erlebt, in seinem Hass, seinem Zwang, mich zu jagen und unbedingt zu greifen. Er war in Nürnberg, in Bamberg, im Lager während des Zuges, er war sogar in Leipzig; immer war er mir dicht auf den Fersen!“

      Franz schüttelte langsam den Kopf, starrte sie mit offenem Mund an „Und dann wagst du dich hierher? Vor seine Haustüre?“

      „Franz! Es sollte mein Spiel werden! Ich hätte die Regeln bestimmt und die Züge gemacht, bis zum bitteren Ende!“ Sie zuckte lächelnd die Schulter, „Erledigt!“

      Der Pater beugte sich vor, machte große Augen: „Für ihn nicht! Der spielt euer Spiel jetzt alleine weiter. Das macht ihn nicht ungefährlicher und seinen Hass auf euch nicht geringer!“

      „Ganz sicher nicht! Aber sein Hass macht ihn nicht nur gefährlich, er macht ihn auch blind. Am Ende wird er ihn auffressen. Wartet´s ab: Ihn – nicht mich! Also,“ beruhigend, geradezu aufmunternd schaute sie von einem zum anderen, „es wird mir schon was einfallen! Seht das Ganze etwas gelassener.“

      Mit einem gewinnenden Lächeln und überleitend zum Pater „Ihr wolltet mir noch etwas über das von mir spendierte Vespermahl berichten, ich hatte euch unterbrochen.“

      Er, keineswegs beruhigt, launisch: „Den ganzen Abend fahrt ihm mir schon über den Mund, wo habt ihr diese Unart nur gelernt!“

      Franz spielte mit, zuckte schmunzelnd die Schultern „Wenn man sich jahrelang in der Welt herumtreibt. Wer weiß!“

      „Genau: Wer weiß! Es ist noch eine meiner harmlosesten Unarten. Ihr werdet sehen Pater. – Was war denn nun mit der Vesper? Ihr habt gesagt, dass auch während der Mahlzeit noch wesentliche Dinge der Verhandlung besprochen wurden. An der Stelle, glaube ich, habe ich euch unterbrochen.“

      „Ja,“ Er beugte sich vor, nahm ruhig ein Stück Brot vom Tisch, „vielmehr gibt es auch nicht zu berichten. Vielleicht noch die Kleinigkeit, dass dabei, gewissermaßen zwischen Speck und Brot, eine wahrscheinliche Folter und das Urteil schon einmal vorweg erörtert wurden, als Wahrscheinlichkeit eben. Ich war damals entsetzt und habe ganz vorsichtig, unerfahren wie ich war, darauf hingewiesen, dass ja noch kein Schuldbeweis vorliegen würde. Die haben mich angeguckt, als hätte ich ihnen wichtigtuerisch erklärt, dass Weihwasser kein Abführmittel ist.“

      „Vielleicht seid ihr da ja im Irrtum!“ Schmunzelnd wehrte sie den Blitz ab, den er ihr durchaus ernst entgegen schleuderte.

      „Der Knapp, das war der weißhaarige Vorsitzende, der hat mir damals quer über den Tisch geraten, ich könne ruhig weiteressen, auf den Moshofer sei ganz sicher Verlass. Das Ganze sei auch eine Erfahrungssache, und der Moshofer sei im Aufspüren von Hexenmerkmalen schon eine Kapazität.“ Er verengte die Augen ein wenig, machte eine kleine Pause „Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich endgültig entschlossen habe, euch da heraus zu holen.“

      „Doktor Moshofer, eine Kapazität!“ Sie lehnte wieder an der Wand. Der schwächer gewordene Schein des Feuers machte ihr Gesicht mit dem versonnen Blick, eingerahmt von den immer noch blonden, jetzt rötlich schimmernden Haaren weich und sehr sinnlich.

      „Diesen Menschen hatte ich eigentlich aus meinem Gedächtnis gelöscht. Was diese Kapazität Untersuchung nannte, war so ziemlich das Mieseste, was ich überhaupt erlebt habe. Und das will weiß Gott was heißen.“ Sie wandte sich dem Pater zu, schaute dann aber an ihm vorbei. „Das solch eine Untersuchung einen Nachweis meines Umganges mit dem Bösen erbringen sollte zeigt, wie dumm und blind all diese honorigen Herren doch waren.“ Sie sah ihn gerade heraus an „Diese Kapazität war ganz einfach ein Schwein und als solches wusste er jedenfalls die Zeit der Vespermahlzeit gut zu nutzen. ...

       Deutlich sah sie den vor sich, den sie längst aus ihrem Gedächtnis verbannt zu haben glaubte. Sah, wie er sich, nachdem alle den Raum verlassen hatten, aufgeblasen und plötzlich machterfüllt vor ihr aufbaute. Wie er vor ihr