Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Gelting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092639
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wohin man sie hinabzusteigen zwang. Dieses dämmrige Gewölbe war der Inbegriff für Sühne, für Schmerzen und Tod, das Reich des Peinmannes.

       Noch von der Treppe aus durchhetzten ihre Augen das von dicken Steinmauern umschlossene, fensterlose Gewölbe, stolperten über den mächtigen Pfeiler im Zentrum, der die Bögen der Decke abfing. Erkannten links unten an der Außenwand und nur wenige Schritte neben der Treppe, die riesige Esse und gleich dahinter die lange Bank mit den großen Spindeln. Der Narbige schob sie weiter und ihre Augen rissen sich los, jagten auf die anderen Seite des Gewölbes, blieben am groben Sitzbock hängen, dessen inzwischen dunkel eingefärbten Arm- und Beinlöcher sich ihr drohend zeigten: die Raußbacher! Noch zwei Stufen! Sie wollte sich aufbäumen, wusste doch den Narbigen hinter sich, riss unvermittelt Mund und Augen weit auf, rang nach Luft als müsse sie ersticken. Vor ihr der Moshofer!

       Vor dem mächtigen Pfeiler erschien er noch kleiner als sonst, wartete dort auf sie, eingerahmt zwischen Streckbank und Sitzbock, gerade aufgerichtet, das Kinn vorgestreckt. Die für sein Gesicht übermäßig großen, grau-grünen Augen musterten sie kalt und abschätzend und sahen, so schien es, auf sie herab.

      „Ich werde euch jetzt untersuchen. Wenn ihr euch in das Unvermeidliche fügt und meinen Anordnungen folgt, wird euch nichts geschehen.“ Hinter ihr kam jemand die Treppe herunter, der Moshofer schaute, ohne seine gebieterische Haltung zu verändern an ihr vorbei „Ah – Stierner! Das ist gut! Ihr könnt gleich anfangen, kennt ja das Procedere.“ Zurück zu ihr „Ihr könnt euch entscheiden, ob ihr euch jetzt selbst entkleidet oder ob ihr entkleidet werdet! –Also?“

      „Ich kann mich doch nicht vor euch ausziehen!“ Fassungslos, fast atemlos waren ihr wie von selbst diese Worte entglitten. Sie wusste sich ausgeliefert und konnte doch nicht anders, legte wie schützend ihre Arme um den Leib, um die schmutzige Kleidung, die ihren Körper noch verbarg.

       Das Kinn des Doktors ruckte kaum merklich vor, bevor er sich abwandte. Im gleichen Moment wurden ihre Arme nach oben gebogen, etwas legte sich kühl und fest erst um ihr rechtes dann um ihr linkes Handgelenk; frei stehend war sie doch gefesselt und wehrlos. Schnaubend schob sich der Narbige zwischen dem Pfeiler und ihrem Körper hindurch und begann vor ihr stehend damit, ihr Mieder zu öffnen. Entsetzt versuchte sie sich abzuwenden, zu drehen, konnte nicht! Sie roch seinen schlechten Atem, den herben, scharfen Geruch, der seinen Kleidern entströmte und den sie bereits oben im Raum wahrgenommen hatte, blickte in ein stumpfes, gleichgültiges Gesicht und hörte sich plötzlich angstvoll wimmern. …

      „Nein Franz, in dem Punkt liegst du falsch: Der Kerl hat weder gefeixt noch gesabbert oder sonst wie reagiert, ich habe jedenfalls nichts bemerkt. Der hat mich einfach ausgezogen, im Wortsinn! So, wie man ein Kind auszieht oder auch seinem Pferd Sattel und Decke abnimmt – einfach so. Mieder, Rock, Unterkleider, alles schön der Reihe nach und ohne sich um mein Geheule zu kümmern.“

      „Du wirst das wohl kaum bemerkt haben.“ Nicht zu ihr, zum Pater schaute Franz im Glauben sicherer Übereinstimmung, „Dieser Wallert war bis zuletzt ein Lump. Übrigens:…“ Er versuchte eine ernste Mine aufzusetzen „Stefan, woran denkst du? Schau mal zum Feuer! Gleich sitzen wir hier im Dunkeln!“

      Stefan riss es förmlich hoch von seinem Holzblock, froh, dass er sich für einen Moment entfernen konnte.

      „Franz, ich glaube auch, dass du diesem Büttel zu normale menschliche Reaktionen zutraust.“ Der Pater schüttelte skeptisch den Kopf, „Wer anderen Menschen solch unsägliche Qualen zufügen kann, wie das diese Kerle ja mussten, der Wallert oder der Pocher, wer unberührt bleibt, wenn diese Qualen hörbar und sichtbar werden, der muss vorbelastet sein. Für normale Reize ist der nicht mehr empfänglich. Anders ist das sicherlich mit diesem Doktor Mosbacher.“

      Zu Therese „Der ist übrigens seit 34, als die Schweden Eichstätt in Asche gelegt haben, verschwunden, spurlos! Kanntet ihr den schon vorher?“

      „Gott bewahre! Nein! Hin und wieder hatte ich mal von ihm gehört, wenn ich als Hebamme in Eichstätt unterwegs war, aber nichts Bestimmtes! Nur, heute weiß ich: Der Kerl war in jeder Beziehung ein Schwein und als solches wahrlich eine Kapazität!“ Sie sagte das betont ruhig, nickte nachdenklich vor sich hin.

      „Könnt ihr euch noch erinnern, wie katzbucklig sich dieser Mensch gegenüber dem Weißhaarigen – was habt ihr gesagt, wie hieß der? Knapp? – wie der sich gegenüber dem Knapp verhalten hat, wie er vor Sachlichkeit und Vornehmheit fast geplatzt wäre? Das war nur Fassade! Unten im Peinkeller, dort wo er endlich Herr der Zwerge war, dort konnte ich gewissermaßen am eigenen Leibe erleben, wie einfach gezimmert, wie mies dieser Herr Doktor in Wirklichkeit war.“…

       Der Narbige hatte sich direkt vor ihr auf den Boden gekniet, ihre Beine eine Elle weit gespreizt, so dass er mit seinen Händen bequem zwischen ihren Knöcheln hindurchgreifen und hantieren konnte. Um diese schlang er fingerdicke Seile, an denen große Steine befestigt waren. Damit war sie zur Unbeweglichkeit verdammt!

       Wie aus dem Nichts tauchte unvermittelt der Doktor Mosbacher neben ihr auf und blieb dicht vor ihr stehen. Er hatte seinen Rock ausgezogen, seine Halskrause abgelegt, wirkte in seinem weißen Hemd beängstigend distanzlos.

       Seine Hand drückte ihr Kinn nach oben, so dass sie ihn ansehen musste. Offenbar hatte er mit seinem Rock auch seine kalte Sachlichkeit abgelegt, schaute sie freundlich und beruhigend an.

      „Leider müssen wir eure Bewegungsfreiheit ein wenig einschränken. Ihr neigt wohl zu spontaner Gegenwehr, und die können wir während der Untersuchung nicht gebrauchen.“ Sein Gesicht kam dem ihren ein Stück entgegen, immer noch drückte seine sehr warme, weiche Hand ihr Kinn nach oben. „Ihr habt euch nicht zu ängstigen. Solange ihr mit mir hier unten seid, wird euch nichts geschehen. Die beiden – dabei wiesen seine Augen zur Seite, zum Schreiber und zum Narbigen – zählen nicht! Achtet nur auf das, was ich euch sage! Und seid nicht so bockbeinig, dann ist es halb so schlimm! – So!“

       Und damit ließ er ihr Kinn los, hob rasch mit beiden Händen ihre Haare aus der Stirn, drückte dann ebenso geschäftig ihren Kopf mal nach links und mal nach rechts, betrachtete sie dabei sehr konzentriert. Er trat einen Schritt zurück, musterte sie wieder ausgiebig, ging so um sie herum, drückte ihren Kopf sacht nach vorn, hob wieder die Haare an und jäh wurde sie stocksteif, hielt reflexbedingt die Luft an: Sanft und um einige Grade zu gefühlvoll hatten sich seine Hände ganzflächig rechts und links unterhalb ihrer Achseln an ihren Körper gelegt, tauschten ihre schwüle, geile Wärme gegen ihre angstbibbernde Kühle. Glitten bald sachte und weich ein winziges Stück abwärts, um dort, wo er den leisen Brustansatz erfühlte die Richtung zu ändern, bis seine Hände links und rechts an ihren Brüsten lagen.

       Eigentlich hätte sie eine Gänsehaut bekommen müssen, so aber schauderte es sie, alles in ihr lehnte sich auf! Unbeirrt von ihrer Erstarrung, ihrem Zittern wanderte seine Hand sanft auf ihrem Rücken abwärts, strich fast zärtlich weiter, fuhr die Rundung vollkommen ab, fuhr darunter nach innen und blieb dort einen Herzschlag lang liegen.

       Ihre Augen glitten am Pfeiler hoch, suchten etwas, was sie ablenken könnte, bohrten sich in den dicken Balken über ihrem Kopf, an dem zwei Flaschenzüge befestigt waren, sehr große Flaschenzüge. Seitwärts neben den Rollen erkannte sie Schleifstellen von den Seilen, an denen sie jetzt hing, daneben… Ihr Kopf fiel in den Nacken: Nein! Sie schüttelte wild ihren Kopf, schleuderte ihr Haar hin und her, wollte nicht spüren, was abzusehen war.

       Vorsichtig, so als habe er Sorge sie zu erschrecken, wanderte seine Hand, immer noch ganzflächig anliegend, zwischen ihre Schenkel.

      „Nein! Das dürft ihr nicht!“

       Die Hand war gehörlos.

       Der Balken! – Nein, nicht weiter! Bitte! – Die Steine über ihr, hoch oben, sie tastete sie mit ihren Augen ab, Stein für Stein – zum Pfeiler hin werden sie kleiner! – Sie hielt die Luft an, hielt den Schrei zurück, schnappte nach Luft, hielt wieder an, atmete etwa so, als habe ihr jemand in erhitztem Zustand ein Stück