Der Auftrag. Ralf Wider. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ralf Wider
Издательство: Bookwire
Серия: Ferry Blacks Abenteuer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742767912
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an. Um gleich darauf wieder zu erlöschen.

      "Saubere Landung, Commander…", presste Ferry zwischen zusammengepressten Kiefern hervor, "alle Systeme im Arsch. Willkommen in Atlantis…"

      Kapitel 5 - Die fremde Welt

      Ferdi war zehn geworden diesen Sommer. Er war jetzt gross. Eigentlich schon erwachsen, aus seiner Sicht, wenigstens fast. Er wusste, er würde Raumpilot werden. Er war bereit dafür, fand er, denn - er war ja jetzt gross. Zu Geburtstag hatte er von seinem Vater ein Buch über das Space Shuttle geschenkt bekommen. Es waren viele Bilder drin und viele technische Daten, die er alle auswendig konnte. Wie bei einem Quartett. Darauf war er sehr stolz. Er war der einzige der Klasse, der dieses Buch hatte.

      Im April 1981 war die Columbia zum ersten Mal gestartet, war in die Umlaufbahn um die Erde gegangen und nach rund zwei Tagen wieder sicher gelandet. Ferdi war sich sicher, dass das Space Shuttle eigentlich für ihn gebaut worden war und jetzt probegeflogen wurde, damit er es übernehmen konnte. Der Test war geglückt und Ferdi war bereit. Er würde übernehmen und das Shuttle erst zum Mond und dann ans Ende der Galaxis fliegen. So wie Luke Skywalker und Han Solo. Natürlich hatte er die ersten zwei Filme der Star Wars Saga nicht sehen dürfen, doch die Filme und die Figuren waren omnipräsent. Es gab Comics, Sammelhefte und überall Plakate. Ein echtes Filmplakat hing über seinem Bett. Seine Schwester hatte es ihm geschenkt. Sie hatte es aus ihrer BRAVO. Damit hatte sie massig Punkte bei ihm gesammelt und er war mindestens zwei Wochen nett zu ihr gewesen. Er hatte sogar für sie Geschirr abgetrocknet, was sie hasste. Ferdi auch.

      Ausserdem hatte er von seinem Taufpaten ein Buch über die Planeten bekommen. Auch die konnte er alle auswendig. Als sie in der Schule ein Planeten-Modell bauen mussten, wusste er von jedem Planeten, welche Farbe er hatte.

      Von seiner Mutter hatte er einen Anhänger geschenkt bekommen. Einen Citrin, der an einer Goldkette hing. Der Citrin ist ein gelblicher Schmuckstein, eigentlich ein Quarz mit gelber Färbung. Sie hatte Ferdi erklärt, dass er im Sternbild des Löwen geboren sei, und dass der Citrin der Stein der Löwen sei. Sie selbst war auch Löwe. Der Stein würde ihm helfen, seine Stärken zu verstärken, hatte sie erklärt. Als Löwe sei er ein Kind der Sonne und seine Materialien seien Gold und Citrin. Sein Element war das Feuer. Ferdi war fasziniert. Die Sonne. Die Sterne. Das Weltall… Das war seine Welt! Er trug den rundgeschliffenen Anhänger Tag und Nacht. Er fühlte, dass der Stein ihm spezielle Kräfte verlieh.

      Seit zwei Jahren spielte er nun schon fast täglich beim Ganz zur Toilette mit den bunten Knöpfen und den lustigen Sachen, die es da gab. Einmal hatte er eine Kachel ganz hinten bei der Badewanne geöffnet und in dem Fach dahinter hatte eine Banane gelegen. Ferdi hasste Bananen. Er hatte sie nicht angerührt und die Kachel wieder geschlossen. Er hatte sich zwar gefragt, was die Banane zu bedeuten hatte, doch die Neugier war schnell erloschen. Er war sich sicher, dass es ein Fehler des Computers gewesen war. Immer wieder hatte er auf der Navigationstastatur Zahlen eingegeben, doch immer war ERROR erschienen. Bis heute.

      Ferdi hatte wie jeden Tag sein Geschäft verrichtet und dabei ein bisschen auf den Knöpfen und Tastaturen herumgedrückt. Er hatte Zeit, er war allein zu Hause. Sein Vater arbeitete, seine Mutter war einkaufen gegangen und seine Schwester war bei einer Freundin. Seit er zehn war, liessen sie ihn öfters mal allein. Er war ja jetzt gross und konnte auf sich selbst aufpassen.

      Er hatte 3853193 N und 7703001 W eingegeben. Die Zahlen konnte er frei eingeben, dahinter konnte er zuerst N oder S anwählen und bei der zweiten Zahlenkombination W oder E. Er hatte die Zahlen wie immer wahllos eingegeben, genauso wie die Buchstaben.

      Das Licht der Konsole sprang auf grün.

      Ferdis Augen weiteten sich vor Aufregung: das hatte er noch nie erlebt! Er stand auf, wusch sich die Hände, trocknete sie am Handtuch flüchtig ab und setzte sich wieder. Dann nahm er den Joystick in die Hand. Er drückte ihn nach vorn. Nichts passierte. Er stand wieder auf und drehte am Wasserhahn. Diesmal kam kein Wasser heraus, aber die Anzeige auf dem Bildschirm schoss nach oben. Dann setzte er sich wieder und drückte den Joystick nach vorn. Ein leises Zittern ging durch das Badezimmer und etwas summte. Oder brummte. Es tönte. Irgendwie. Irgendwie anders. Ferdi sass mit angehaltenem Atem auf der Toilette und wagte nicht, sich zu bewegen.

      Das Fenster war dunkel geworden, obwohl es mitten am Nachmittag war. Der Spiegel zeigte Sterne, die sich schnell drehten. Plötzlich erschien auf dem Spiegel, der ja jetzt eigentlich ein Fernseher war, ein Schriftzug. Er versuchte, die Schrift zu lesen, doch er verstand nicht, was da stand. Irgendwas mit Land... Dann kamen Zahlen. 20. 19. 18. und so weiter. Er zog den Joystick nach hinten. Die Zahlen wechselten jetzt langsamer. Dann war die Anzeige bei 0. Das Zittern hörte auf. Alles war still.

      Ferdi stand vorsichtig auf und schaute in den Spiegel, der jetzt ein Fernseher war. Er sah einen Park mit Bäumen. Er stieg auf den Badewannenrand und schaute aus dem Fenster, welches jetzt wieder ein Fenster war. Dort, wo sonst das Haus der Nachbarn war, war plötzlich eine grosse Wiese. Er drehte den Kopf nach links und nach rechts und presste sein Gesicht an die Fensterscheibe, um mehr zu sehen. Es war ein Park. Mehr konnte er nicht sehen. Er sah keine Menschen, nur Wiese und Bäume und dahinter etwas Grosses, Graues. Aber der Park war nicht grün. Er war irgendwie… ähnlich wie grün. Oder grau. Aber nicht grau. So zwischendrin. Es sah irgendwie nicht echt aus.

      Ferdi stieg vom Badewannenrand und ging zur Tür. Die Tür hatte keinen Schlüssel, sondern einen Riegel, den man nach links und rechts schieben konnte. Er schob den Riegel langsam zur Seite und versuchte dabei, so leise wie möglich zu sein. Millimeter für Millimeter drückte er die geschwungene Klinke nach unten, bis er Widerstand spürte. Dann zog er die Tür vorsichtig einige Zentimeter auf und schaute nach draussen. In den Flur. Oder wenigstens dahin, wo sonst der Flur war… Jetzt schaute er direkt in den Park, den er zuvor im Fernsehen und durchs Fenster gesehen hatte! Schnell schloss er die Tür wieder. Er hatte ein bisschen Angst. Er schob den Riegel vor und lehnte sich gegen die Tür.

      Gebannt schaute er auf den Spiegel, der den komisch-farbigen Park zeigte. Das Bild im Fernseher erlosch und der Spiegel war wieder ein Spiegel. Ferdi sah sich im Spiegel an. Er trug die silbrige Uniform. Die zog er fast immer an, wenn er die Toilette betrat, wenigstens wenn er Zeit dazu hatte. Sie gefiel ihm und er sah gut aus darin, fand er. Seit er die Uniform im Bad gefunden hatte, war er ein gutes Stück gewachsen, er war ja jetzt gross. Und die Uniform war mit ihm gewachsen! Sie passte immer, was ihn insgeheim freute. Es wäre schade gewesen, wenn er die schöne Uniform nicht mehr hätte tragen können.

      Als er sich so im Spiegel betrachtete, kam plötzlich die Erkenntnis. Ferdi fasste sich ein Herz und griff ins Gestell hinter der Badewanne: Sein Helm! Es war ganz klar: er war mit seinem Raumschiff ins Weltall geflogen und jetzt war er auf einem fremden Planeten! Er musste ihn erkunden, ihn erobern! Vielleicht war er der erste Mensch auf diesem fremden Planeten? Ferdi war aufgeregt und spürte, wie sein Herz raste.

      Er setzte den Helm auf, trat vor die Tür und schob mit leicht zittrigen Fingern den Riegel zur Seite. Wieder drückte er die Klinke nach unten und zog die Tür einen Spalt breit auf. Er versuchte, hinauszuschauen, doch es ging nicht mit dem dicken Helm auf dem Kopf. Er zog die Tür weiter auf und schaute hinaus. Vor der Badezimmertür lag noch immer die Wiese und ein paar Meter entfernt standen grosse, graugrüne Bäume.

      Vorsichtig trat Ferdi hinaus. Er schaute nach links und nach rechts, doch er konnte nichts Fremdartiges erkennen. Er machte noch ein paar Schritte auf die Wiese hinaus und lauschte. Es war sehr still hier... Er hörte kaum seine eigenen Schritte im Gras. Er hörte keine Autos. Keine Vögel. Keine Kirchenglocke. Kein Geschrei von spielenden Kindern. Nichts…

      Ferdi drehte sich um, und schaute zum Badezimmer, aus dem er gekommen war. Die Tür war jetzt geschlossen. Er sah die Tür. Sie war grün gestrichen, wie immer. Aber sie stand allein… mitten im Park! Es gab nichts rund um die Tür. Da stand einfach nur eine Tür, ohne Wand, ohne Zimmer, ohne nichts! Er ging zurück und rund um die Tür herum. Es gab nichts dahinter. Es war einfach nur eine Türe, mitten im Park. Von vorn und von hinten. Vorsichtig drückte er die Klinke herunter, drückte sie auf und schob den Kopf hinein... Und blickte in sein gewohntes Badezimmer! Er zog den Kopf heraus und spähte um den Türrahmen.