New York City and Me. Cornelia Gräf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cornelia Gräf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783737578646
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um dann später mal ganz cool fallen zu lassen. „Ach XY? Den habe ich damals in New York gesehen…” Wirklich reizen würde mich ja auch der Dalai Lama, der in drei Wochen im Beacon Theater spricht. Leider sind die Preise für die jetzt noch erhältlichen Karten weder besonders buddhistisch noch christlich, sodass ich darauf hoffe, dass ein bisschen Aura über die ganze Stadt schwappt und ich so etwas davon mitbekomme.

      Nachdem also das Ticket eingesackt ist, mache ich mich fertig zum Gehen. Doch wohin? Ich sollte mal etwas essen, denn gefrühstückt habe ich noch nix und es geht auf Mittag zu. Aber so richtig Appetit habe ich auf keine der tausend Geschmacksrichtungen, die ich hier in New York finden kann. Ich gehe einfach mal los, doch unterwegs merke ich schon wieder wie die Atmung schneller und mir heiß und kalt wird. Meine Güte, so kann das doch nicht weitergehen. Ich beschließe, es mal auf die asiatische Tour zu probieren und fahre nach Chinatown zu Lin‘s Herbal Shop. Ich schildere mein Problem und Lin meint, ich solle am besten mal zum herbalist Frank gehen, der würde sich um mich kümmern. Alles klar. Ich gehe wie mir geheißen zum Ende des langen Geschäfts, wo eine enge steile Treppe in den ersten Stock führt. Hier wiederum stehen ein paar Stühle und ein Tresen und mir wird ein Formular in die Hand gedrückt, das ich ausfüllen soll. Adresse, Krankheiten, Grund des Besuchs. Das Übliche eben. Dann steht ein groß gewachsener Chinese im weißen Arztkittel vor mir und lächelt mich gütig an und bedeutet mir, mitzukommen. In einem winzigen Raum setzt er sich an einen Schreibtisch, ich mich daneben auf einen Stuhl. Er zeigt sich auf das Handgelenk und sagt „Pulse! Pulse!”, ich reiche meine recht Hand, er fühlt konzentriert den Puls. Wahrscheinlich wird er mir gleich meine halbe Lebensgeschichte anhand dessen erzählen können. Er bittet um die linke Hand. Dann noch ein Blick auf die Zunge. Aha. Niere und Leber gehe es nicht gut, sie seien schwach und angespannt, außerdem seien meine Hormone durcheinander. Er würde mir eine Teemischung verschreiben, von der ich jeden Tag morgens und abends jeweils eine halbe Tasse trinken solle. Ich bin zu allem bereit und nicke. Dann will er wissen, ob ich schon einmal Akupunktur bekommen hätte. Vor vielen Jahren, ja. Aha, ja, denn das könne mir noch helfen. Ob ich denn Zeit hätte. Klar, habe ich, klar will ich. Der Doc strahlt und springt vom Stuhl auf und schiebt mich ein Räumchen weiter. Er breitet auf einer Liege ein Stück Papier aus und fordert mich pantomimisch auf, mein Oberteil auszuziehen. Ich setze mich hin und warte. Er kommt zurück: „Laida, laida!” – Wie meinen? Ach hinlegen – „Lie down!” Ich lege mich hin, Kopf nach unten. Und dann spüre ich, wie der asiatische Schamane mich mit Nadeln spickt, das Licht löscht und den Raum verlässt. Ich liege da und versuche mich zu entspannen. Ein warmes Gefühl breitet sich den ganzen Rücken entlang aus. „Krass, wie das wirkt!”, denke ich. Dann erinnere ich mich aber dunkel, dass da neben der Liege eine Wärmelampe stand. Hm. wohl doch nicht so eine Wunderwirkung, aber egal, kann ja noch kommen. Irgendwann klingelt der Wecker, doch niemand erscheint. „Heee, das Hähnchen ist fertig gegrillt!”, möchte ich rufen, denn unter der Heizlampe ist es mittlerweile ganz schön heiß, aber ich bin zu KO und schwach. Dann geht die Tür aber doch auf und mir werden die Nadeln gezogen. Diese seien gegen Kopfweh und Stress, jene für das Immunsystem, und diese beiden wiederum für Leber und Niere gewesen. Aha. Dann sagt er: „Tönoa.” Ich lächle matt. Er wieder: „Tönoa.” Hmmm? Ich fühle mich total verstrahlt, alles dreht sich erst recht. Irgendwann fällt der Groschen. Turn over – auf den Rücken soll ich mich nun legen. Aha, es geht also noch weiter. Und ehe ich mich versehe, habe ich im Bauch und an den Fesseln weitere Nadeln stecken. Na dann. Noch ein paar Minuten still liegen. Ich komme mir vor wie ein lebendes Voodoo-Püppchen. Der Mann weiß sicher, was er tut, beruhige ich mich. Irgendwann ist auch die Zeit vorbei, die Nadeln werden gezogen, ich solle aufstehen und mich anziehen. Leichter gesagt als getan, denn nun ist mir richtig schwindelig. Alles dreht sich. Ich setze mich erst einmal draußen hin und trinke einen Becher Wasser. Der Medizinmann schaut nochmal nach mir, er fängt an verlegen zu kichern und zeigt in mein Gesicht. Ich runzle die Stirn. „Make-up! Bathroom!” sagt er und zeigt um die Ecke. Ein Blick in den Spiegel verrät: Panda-Augen, die ganze Wimperntusche verwischt. Immerhin, sie kümmern sich, denke ich und wische das Schwarze unter meinen Augen weg. Dann hangle ich mich die Treppe in den Verkaufsraum runter, wo schon eine große Tüte mit Teemischung für mich wartet. Ich bezahle und stehe wieder auf der Straße. Hm, die Hoffnung hier wieder wie ein junges Reh rauszuhüpfen, hat sich leider zerschlagen. Aber wer weiß, mit etwas Geduld passiert ja vielleicht doch etwas.

      Ich fahre zurück Richtung Union Square und gehe im dortigen Food-Emporium-Supermarkt ein paar Lebensmittel einkaufen, danach zu Whole Foods um die Ecke zum Buffet. Es ist mittlerweile drei Uhr, ich habe immer noch nichts gegessen. Das sollte ich nun mal ändern, auch wenn sich mein Appetit weiterhin in Grenzen hält. Nachdem ich dennoch eine Kleinigkeit zu mir genommen habe, setze ich mich in die U-Bahn Richtung Upper East Side, genauer gesagt Metropolitan Museum of Art, noch genauer: Der Met Store und dessen Posterabteilung. Ich steige die riesigen Stufen zum Museum empor und gehe durch die Eingangstür. So, wo ist denn nun der Shop? Ah, Taschenkontrolle. „Naja, die werden schauen, wenn ich da mit meiner Milch…“ – „No food, Miss!” werde ich da schon angeherrscht. Och nöö. Mir ist schwindelig, mich fröstelt es, ich bin kränklich, aber ich versuche trotzdem gewinnbringend zu lächeln. Ich will doch nur Poster kaufen. „No food!”. Ich sei extra von Downtown (naja…fast) hier hochgefahren, jammere ich. Ich könne ja die Tasche mit den Lebensmitteln vor dem Gebäude irgendwo abstellen, aber er wisse dann auch nicht, was damit passiert, gibt er mir als Rat. Sehr witzig. Ich bleibe einfach stehen und irgendwann bekommt der Sicherheitsmensch wohl Mitleid. Ich solle mal mit dem Herren da – er zeigt hinter sich auf einen Tresen, an dem „Security” steht – reden. Ich gehe hin, versuche mein strahlendstes Lächeln aufzusetzen, erkläre mein Anliegen und der Herr erbarmt sich, meine Milch und Butter für zehn Minuten in Verwahrung zu nehmen. Ich flitze los, hole meine Poster, und wieder zurück zu meinen Lebensmitteln. Sie sind noch da. Juhu. Ich nehme sie in Empfang und mache mich davon.

      Daheim angekommen, verstaue ich meine Einkäufe, beantworte noch ein paar Mails und schreibe den gestrigen Blogeintrag. Eigentlich wollte ich dann noch ein bisschen Mediathek schauen, doch das geht nicht. Es ist 20.15 Uhr und mir fallen die Augen zu.

       I need to know now, can you love me again?

      So scheint es mir, als ob mir New York diesen Hit von John Newman aus voller Brust entgegen schmettert. Auch an diesem Samstag merke ich, wie die Stadt mit allen Mitteln darum kämpft, meine Liebe zurückzugewinnen. Sie bezirzt mich erneut mit traumhaftem Spätsommerwetter, als ich an diesem Tag auf die Straße trete. Mein Ziel: Der Container Store. Nein, keine Bange, ich habe nicht vor lauter Heimweh beschlossen, meine Zelte abzubrechen und mein Hab und Gut zurück in die alte Welt zu schiffen. Der Container Store ist ein Laden, von dem es – komischerweise gerade in meiner Gegend – ziemlich viele gibt. In wunderschönen alten Häuser verstecken sich riiiiesige Geschäfte, die teilweise mehr Baumarkt (The Home Depot), teilweise mehr Hort von praktischem Einrichtungsschnickschnack für Küche, Badezimmer & Co (Bed, Bath & Beyond, The Container Store) sind. Dort läuft man dann durch große Hallen an Hundertschaften von Papierkörben, Handtüchern, Kleiderbügeln und Ähnlichem vorbei. Ich kaufe jedoch nur ein paar Posterstrips für mein Projekt „Mein Apartment soll schöner werden”.

      Danach steht mein zweiter Besuch bei Trader Joe’s an. Und wow, was für ein Unterschied! Memo an mich: Samstagmittag ist eine sehr gute Zeit, um hierher zu gehen. Der Laden ist angenehm leer, ich kann mir nun mal in Ruhe das Angebot zu Gemüte führen. Am Ende landet eine bunte Mischung in meinem Körbchen: Ein bisschen frischer Rosmarin, ein Fläschlein Balsamico, ein bisschen Hummus-Dip, Erdnussbutter, Honig, und so weiter und so fort. An der Kasse wieder eine sehr nette mitdenkende Kassiererin: Ob ich zwei Taschen haben möchte, damit ich das Gewicht gleichmäßig verteilen kann. Jawohl, sehr gerne. Und dann bekomme ich wieder ordentlichst alles eingepackt.

      Und während ich mit meinen Einkäufen nach Hause laufe, klimpert die Stadt mich wieder an: „Sieh nur, wie schön die Feuerleitern in der Sonne glänzen. Merkst du, wie nett und freundlich hier alle sind? Hast du gesehen, was dir schon wieder für interessante Typen über den Weg gelaufen sind?” Ja, ich sehe und merke es, doch ich ziere mich noch ein bisschen.

      Nachdem ich die