Derweil kamen die Ochsner mit dem Marx aus dem Holze zurück und die Mutter von Einsiedeln herüber, wo sie seit Wochen die Klostermägde regierte.
Sie warfen sich über Hirsbrei, Brot und Käse; Eis mußte mit dem Bierkrug flink aus dem Keller sein. Zunächst gabs nur ein Schlürfen, Löffeln, Kauen und Zurufe, wenn einer ohne End am Kruge hing, indes der anderen Zunge noch am Gaumen klebte.
Die Mutter war rasch gesättigt, sie eilte ins Hauswesen, das tagsüber von der Eis besorgt wurde, solange die Gottshauswochen dauerten. Und Wilhelm Bombast hätte sonst Tiegel, Pulverbüchslein und getrocknete Kräuter geholt, um neben dem Topf, darin die Viehkleie kochte, Heilwesen zu treiben, denn er war sein eigener Apotheker – an diesem Abende blieb er und erzählte von seinen schweren Wanderjahren. Die drei Ochsner saßen satt und müde und ließen ihn reden. Dann reckte der Hans seine langen Glieder, gähnte, zog sich hinüber auf die Ofenbank. Der alte Ochsner lehnte im Winkel, blinzelte halb schlafend, halb verwundert auf das Lippenspiel des Arztes. Nur Jungrudi wurde wacher, denn er hörte eine eigene Weise aus Herrn Wilhelms Worten, und diese Weise gefiel ihm nicht. Eine Zeitlang ließ er das Rößlein des Arztes weiter traben, und als er meinte, der Arzt sei genug erwärmt, sagte er, einem vom Adel stünde es schlecht an, für etlich Haller mit jedes Bauern Wasser zu liebäugeln, als sei’s Pfälzer Wein, und jedes hartleibigen Wanstes Hinterpförtchen lohnselig aufzuschließen.
Die Ochsner lachten. Bombast fragte betroffen:
„Ist der Jungruodi nit Selbsten ein Baur?“
„Baur! Der Eidgnoß ist kein Baur nit nach Ürem Sinn. Die Hand sullen ihm vor Spieß und Schwert nit weich werdin, darumb so pflüeget er und hauet. Und loset, indem er pflüegt, ob nit die Sturmglock sich willt regen, ob nit ein Herr loßt die Trummei rühm unde sin Fähnli wehen. Das ist der Eidgnoß. Schwobisch Bauren sänd anders.“
Der alte Ochsner und Hans erwachten über Sturmglock, Werbetrommel und Fähnlein, den hellen Worten, die wie junger Wein heizten. Der Alte stand auf, er hatte seine Raufjahre noch immer nicht hinter sich.
„Stürmen, Trummein, Fähnliwehen, fröidig Ding! Glichwohl – Jungruodi darf nit entreisen. Der Florentiner soll glichwohl trummen. Und der Jungruodi soll siner uf der ITuot sin.“
Aber der verstummte über seinen Gedanken, ging auf und nieder, als habe er den Arzt vergessen. Und das gefiel dem Alten nicht. So schlug der Wind um, Herr Wilhelm strich die Segel.
Am andern Tag jedoch, als die Ochsner ins Holz wollten, rief er den Alten beiseite und brachte seine Werbung um die Eis vor.
Rudi Ochsner tat erstaunt, als wüßte er nicht aus noch ein, und schaute verlegen auf den Arzt nieder, dessen Wangen vor innerer Erregung zitterten, dessen Augen müde und doch unruhevoll über die Talhänge glitten. Bombast hatte diese Nacht nicht geschlafen. Nach einem tauben Schweigen, das Herrn Wilhelm abkühlte, ärgerte, da er den Alten nach einem Umweg tasten sah, wiewohl eine Befriedigung kaum verhehlt werden konnte, meinte Rudi Ochsner, das Anliegen käme gleichermaßen seiner Frau zu, die schon nach Einsiedeln fortgegangen sei. Auch stehe das Verdienst eines Arztes auf schwanken Brettern. Heiraten sei leicht, Haushalten schwer. Und Heiraten wäre ein verdeckt Essen.
Zum Ungeschick kam Jungrudi aus dem Tor und hörte die Sprüche. Als der Vater ihn fortwies, gab der Jungrudi zornig zurück: um die Eis Ochsnerin werbe man nicht wie um ein fahrend Weib auf der Landstraße. Es sei auch nicht Brauch, daß einer selber käme.
Der Alte hoffte dabei aus seiner ungelenken Lage zu kommen und murmelte:
„Suochet ein’ Fürsprech, Herr Wilhelm, der sull mir willkummen sin, der wird Bscheid erlangin.“
„So bin ich Euch nit gnug?“
„Ihr seid hie frömbd.“
„Wohl. Das schmerzet mich zuo der Stund.“
Er ging ins Haus zurück, und die beiden Ochsner gerieten aneinander. Den Alten wurmte sein schwerfälliges Wesen, der Junge meinte eine gute Gelegenheit vertan zu haben, wo er dem Schwaben hätte gründlich beikommen können. Ihr Unmut entlud sich in erprobten Flüchen, die einem das Herz schon flügge machen konnten. Die knurrenden Stimmen folgten Bombast nach.
Und lange saß er in seiner Kammer. Es war, als flösse sein Leben an ihm vorbei, ein gleichmütig verrauschendes Wässerlein. Und er spähte durch die Wellen, ob nicht doch ein Goldkorn Glückes unter dem Geschiebe des Alltags verborgen läge; sein Blick überflog das Gerinne, er suchte nach einer bunten Blume, die vorübertanzen möchte. Aber er sah nur, daß sein Leben arm an Liebe war. Kopfhängerisch stieg er hinunter, sein Maultier, das Schwabenjörgeli, zu satteln, denn er mußte zu den Frauen in der Au.
Beim Brunnen vor dem Ochsnerhause wusch Eis den Melkeimer. Da trat er zu ihr hin und sagte:
„Jungfrau, wollet Ihr min Weib sin? – Min Leben ist nit freventlich vertan worden. Ein ehrlich Arbeit und guete Kunst stoht hinter mir. Dannocht weiß ich kein Herz nit, das miner sich erbarmet, so Gott sine Hand uf mich wollt legen. Ich hab kein Heimat nit, und mir banget darnach. Seid guet zu mir, Eis Ochsnerin, ich will mit Euch teilen, was Gott mir schickt, Fröid und Not, und Ihr sullt an mir ein trüen Gsellen han.“
Eis war blaß und zitterte wie ein Schneeglöcklein im Winde, aber sie sah aus seinen Augen eine klare, warme Seele brechen. Also wurde ihr Herz von dem Unfrieden der letzten Tage frei. Sie reichte dem Bombast von Hohenheim ihre Hand und sagte:
„Ich will guot sin ze Üch, Herr Wilhelm.“
Er umfing die Braut und küßte ihr Stirn und Mund.
Sie ging dann schweigend neben dem Maultier eine Weile her, Bombast hielt ihre Hand in der seinen. Auf der Höhe blieb sie zurück und winkte ihm nach. Die Luft war rein, das Moor gegen Einsiedeln zu lag unter schimmerndem Reif. Als sie sein Gesicht nicht mehr erkennen konnte, kniete sie nieder und betete zur Gnadenmutter für den stillen Mann. Er hatte ihrem Leben das Ziel gewiesen, da er sie um seine Heimat bat. Und sie wurde des Lebens froh.
Von dem Pfleger des Stifts, Herrn Diebold von Geroldsech, heischte Bombast Beistand. Der freimütige Herr, der nachmals Ulrich Zwingli auf die Kanzel von Einsiedeln berufen hat und dem Reformator späterhin in der Lehre nachgefolgt ist, sagte dem Arzte wohlgeneigt zu.
Um Fastnacht hielten sie Beilager im Ochsnerhause. Und am anderen Morgen führten sie Braut und Bräutigam in stattlichem Zuge zum Meinradskirchlein auf der Paßhöhe.
In dieser Nacht, da Gäste und Hausleute, von Wein und Bier beschwert, in den Betten, auf Stroh und Heu, etliche auch auf dem duftenden Reisig des Estrichs ruhten, entwich Jungrudi nach Zürich, wo des Florentiner Werbeleute lagen.
Der Alte konnte ihm, als er den Rausch ausgeschlafen hatte, nur mehr nachfluchen. Er schwur, den Entlaufenen nicht wieder unter seinem Dache zu dulden.
Und nun, nach zwei Jahren, war Jungrudi mit der letzten verbissenen Kraft seines harten Schwyzerwillens heimgekrochen. Er füllte den niedrigen Gadem mit seiner keuchenden Stimme, daß ihre Herzen alle zitterten.
Als der Vater, von des Sohnes Elend gebändigt, zusammengesunken war, trug Hans den Bruder auf die Ofenbank. Eis lief um Wein, die Mutter griff aus der Truhe altes Linnen. Der Knecht hatte das Geflüster der Frauen verstanden, er drang durch das Unwetter Herrn Wilhelm entgegen.
Und während die Mutter Jungrudis glühende Brust und den brennenden Kopf mit Wein wusch, trat Eis unruhevoll immer wieder vors Tor und lauschte in die Nacht. Der Hans barg des Bruders Gut in einem Winkel, trug der Eis Holz zu, holte Schnee und mengte ihn unter den Wein.
Jungrudi erkannte die Mutter nicht. Die Kühlung tat ihm wohl, er sog den säuerlichen Duft gierig ein und lächelte. Er wähnte, daß die gefälligen Mägde