Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erwin Guido Kolbenheyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748520993
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den Löffel in den Brei, aber die Hand zitterte doch.

      „Hast gnuog? – Du sollt wissen: Du stohst im Schelmenbuoch. Die Herren ze Einsidlen hänt sich der Tagsatzung von Bern zuogschlagen. Uf Reislouf ist Tod gsatzt. So einer den Schelmen houset und letzet, kummt er in Bann.“

      Jungrudi zog einen Beutel aus dem Gürtel.

      „Die werden kein Toten nit henken …“

      Er tappte vor und warf den Beutel neben die Schüssel.

      „Do, Vater … Florentiner, guote … vor Bett unde … trinken … es goht nit meh …“

      Hans Ochsner war langsam eingetreten, er fing den Bruder auf. Die Mutter warf sich über den Sohn und löste mit hastenden Fingern Mantel und Haube. Die Schwester brachte den Krug und kniete schwerfällig nieder, denn sie war hochschwanger. Sie stützte den schweißnassen Kopf und flößte den Trunk ein. Hans Ochsner stand bei den mildtätigen Frauen, kratzte verdrießlich hinterm Ohr. Er sah zum Alten hinüber, dessen Stirnadern schwollen, dessen Mund vor Schmach bebte, daß ihm der Junge Geld vorwarf. Zorn schüttelte ihm den hageren Körper.

      „Oußhin! Laur!“

      Aber niemand wollte anpacken. Die Mutter nestelte zitternd an dem durchfeuchteten Lederwams. Eis umfing des Bruders Kopf fester und hielt den Krug an den gierigen Mund.

      „Heilig Gnadenmuotter“, flüsterte die Frau, „hilf du! Hänsli, acht uf ihn! Wär nur der Bombast zurück!“

      „Er muoß jede Wil, Muotter“, hauchte die Eis. „Er ist bi hellem Tag zem Buechenecker drunt. Der Marx sullet ihm uf die Klüsen entgegen.“

      Des alten Ochsner Fäuste rüttelten an der schweren Tischplatte, daß der Schrägen ächzte.

      „Ous! Oußhin … der sull …“

      Der Hans sprang ins Mittel, er war ein Bärenkerl, der Mutter, Schwester und Bruder schon decken konnte.

      „Lont sin, Vater!“

      Der Alte packte den Geldbeutel und schleuderte ihn gegen die Frauen. Hans fing ihn geschickt ab und sprang zu, denn dem Rudi Ochsner war nicht zu trauen, wenn ihn der Zorn ritt.

      „Lont sin, Vater! Der wuschet nümmen uf.“

      Jungrudi sank ächzend vom Kruge und begann zu lallen. DerEtzelwald, die hellgrüne Feder, die Gnadenmutter zu Einsiedeln, der Peppo, die weiße Nelke der Fredi … er rief den Vater an und rühmte sich seiner vollen Satteltaschen.

      Der Alte lauerte hinüber wie einer, der den stachelnden Spott des Widersachers sorgsam auffängt, damit das Maß bald voll liefe.

      Allein die Reden des Jungen hetzten am Hohne vorbei. Er ritt den Todesritt über die Seebrücke, beichtete seine Sünden, schmähte die Gnadenmutter und versprach ihr alles Wachs des Klosterspeichers, dann tröstete er den Peppo und meinte:

      „Leg dich ufs Stroh … wir sänd dahoim … die sull ihr Pfund Kerzlin han … dahoim beid … alls ist guet…“

      Das schlug die Zornflamme in den Augen des Rudi Ochsner nieder. Er lümmelte abgewendet auf dem Tische und kaute an den Fingerknöcheln.

      Alt- und Jungrudi glichen einander wie die beiden Kirchtürme zu Einsiedeln, aber auch die mußten durch Schiff und Gnadenkapelle geschieden sein, sonst hätte einer den andern erschlagen. Die beiden Ochsner waren lang und sehnig. Ihre Augen lagen im Hinterhalt unter den starken Brauenbögen. Die Nase rückte ihnen freimütig aus dem Gesicht, an ihrem Ende leicht verdickt und ein wenig gespalten. Der Mund war schmal, zu beiden Seiten hing der Bart in langen, dünnen Spitzen nieder. Das nackte Kinn trug eine seichte Grube.

      Seit der Junge mannbar war und auf der Willerzeller Kirchweih in Stein- und Stangenstoßen Sieger blieb, wühlte der Streit. Vom Hans, der aus dem Schärerblute der Mutter wuchs, konnte der Vater nichts anderes erwarten, als daß er seinen Mann packte, über die Schulter schwang, ihm alle Knochen knacken ließ und endlich doch ein Dankgebet abpreßte, wenn der Kopf gutgelenk am Nacken saß. Allein über den Jungrudi wäre der Alte auch nach der siegreichen Kilby gern Herr geblieben. So schwer er den eigenen Zorn bezwingen konnte, so bitter stellte er seinem Unband im Sohne nach. Die Familie wars gewohnt, beide Hähne auseinander zu halten. Sollte aber eine schwere Arbeit schnell getan sein, dann hetzten sie die beiden drauf. Keiner ließ den andern um einen Zoll zuvorkommen. Darnach waren sie ausgeronnen, und man konnte sticheln, beide lachten nur.

      Bös schlug die Galle erst aus, als der fahrende Arzt Wilhelm Bombast von Hohenheim in den Oberstock des Ochsnerhauses eingezogen war und festsaß, da er sah, daß ihm die Gnadenmutter nicht allzusehr in die Kunst pfuschen wolle. Der Pilgerstrom trug alljährlich Sünden und veraltete Gebrechen, die nur mehr ein Wunder heilen konnte, tonnenweis am Ochsnerhause vorüber Einsiedeln zu, aber er führte auch reichliches Übel mit, das nicht erst vor die Himmelskönigin gebracht werden konnte und nach eiliger Hilfe schrie. So erblühte dem kleinen, schmächtigen Heilmeister, der abgeschabt und ausgenommen an der Tüfelsbruck gelandet war, allmählich ansehnlichere Fülle, und er verlangte darnach, den mühseligen Wanderjahren für immer ein Ende zu setzen. Er war kein Jüngling mehr.

      Eis Ochsnerin schien der Mutter nachgeraten, die aus der Art der Schärer schlug und zart und zierlich blieb. Wilhelm von Hohenheim nannte sie Elsula. Er verehrte ihr zu allen heiligen Zeiten irgend ein freundliches Angebinde, das stets kostbarer wurde.

      Die Mutter gönnte es der Tochter, den Fährnissen des Liebeskampfes billig entronnen zu sein. Sie selbst hatte zag und gewandt, verheißend und herb sein müssen und manche Träne verschluckt, ehe sie den Rudi Ochsner an sich band. Herr Wilhelm war ein Mann von schlichter Zärtlichkeit, die weder Stachel noch Zaum brauchte. Und er stand trotz seiner stillen Art bald so weit im Ansehn, daß die Burschen ein Werbespiel um die Eis Ochsnerin auf gaben, zumal sie an dem schüchternen Mädchen nie recht erwärmen konnten. Der Vater überhörte geflissentlich das Gemunkel der beiden Frauen, und Hans vertraute dem Hausgenossen, der ihm einmal eine schwärende Wunde geschickt geheilt hatte.

      Nur Jungrudi war eifersüchtig hinter der Schwester her. Er mochte nicht hören, daß der Schwabe die Eis Ochsnerin ein wenig behäbig Elsula hieß. Die Ochsner, wiewohl Gottshausleute, also dem Kloster hörig, führten ihr Wappen. Die Mutter war freibürtig, sie stammte aus dem Geschlecht der Weßner, das weithin als eines der reichsten galt. Der fremde Arzt sollte nicht meinen, er brauche nur freundlich zuzulangen, da er ein Edelmann war. Sein Schwabenadel galt nicht mehr als das Ochsnerwappen.

      Jungrudi hatte darauf gespannt, etliche kräftig versohlt und blutig behaubet heimzuschicken, die sich an der Eis vergreifen würden. Da kam der Landfahrer, dessen Freundschaft keiner kannte, und warb mit einer Gelassenheit, als wisse er sein Gänslein über dem Feuer gedreht und könne des Schmauses sicher sein. Überdies führte er etliche gelehrte Bücher mit, denen man nur das Bewußtsein eines schwert- und spießgeübten Armes widersetzen konnte. Dazu gesellten sich in Zeiten streitlustigster Bereitschaft einige lateinische Sprüchlein, auf die es keine Antwort gab, weil sie unverstanden blieben, mochten sie sich noch so wohlfeil gehaben. Saß Jungrudi dann zornrot, doch kühl begossen, und zog an seinem Bart, als wollte er eitel Cicero aus ihm melken, lachte der alte Ochsner und schlug dem Arzt vertraulich auf die Schulter, als sei er seinerzeit mit Latein aufgesäugt worden. Das warf den Trotz des Jungen in die gewohnte Richtung, es kam zu Worten, die nicht übersetzt zu werden brauchten; der Alte brannte auf, und Wilhelm von Hohenheim hatte seine Not um den Frieden. Jungrudi erreichte dabei das Gegenteil seiner Absicht, alle traten auf Herrn Wilhelms Seite, nur Eis blieb unentschieden. Das machte den Bruder zäh.

      Und an einem Novemberabend war Bombast müde heimgekommen und hatte sichs, da er niemand vorfand, im Ofenwinkel behaglich gemacht. Draußen hing dicker Reif an den Gräsern. Er wartete auf das Abendbrot und nickte, von der Wärme wohlig umfangen, ein.

      Nicht lange danach trat Eis in den Gadem. Sie erschrak, als sie Bombast merkte. Er hatte die Hände über dem Bäuchlein gefaltet, seine Nase blies inbrünstig tief, wenn auch nicht schön, auf der Stirn und dem schütter bewachsenen Scheitel standen ihm Perlen.

      Eis Ochsnerin sah mit großen, ängstlichen Augen hinüber, sie drückte die Hände