„Können wir morgen noch normale Reifen beschaffen? Denn ich denke dass diese hier nicht mal bis zum Stausee halten werden.“
„Klar Misaki, können wir.
Du würdest mit diesen Schlappen auch nicht die erste Verkehrskontrolle überstehen.“ Sie ging absolut davon aus uns auf der nächsten Tour auf eigenen Rädern zu begleiten.
So hatten wir immer mehr Berührungspunkte im Alltag, immer mehr gemeinsam zu Reden, zu Beschaffen, zu Planen. Plötzlich merkte ich wie nah mir Misaki geworden ist. Klar habe ich viele Kumpels und auch paar gute Freunde. Sie jedoch ist mehr als Freund.
Misaki ist genau die Mutter oder der Vater, die ich mir so sehnlich wünschte. Immer ein offenes Ohr, für alles einen guten Rat. Trotzdem total Cool und unkompliziert, oft etwas durchgeknallt.
Auf einmal tat es mir Leid wenn ich mich Abends von ihr verabschiedete, auch wenn ich sie am nächsten Tag wiedersehen sollte.
Ertappte mich sogar häufiger dabei des Nachts ins Haus hinein zu Lauschen ob mein Dad sie vielleicht poppt. Ich mein sie sind Verheiratet, es wäre sein gutes Recht. Trotzdem hätte es mich gestört. Mein alter gelangweilter Dad und diese Gottheit von Frau.
Eigentlich müsste Misaki unbefleckt bleiben. Ich weiß, das klingt jetzt voll bescheuert. Aber ich empfand es eben so.
Mein Dad zog sich in dieser Zeit immer mehr zurück. Ich vermute er hat sich mit dieser neuen Ehe psychisch etwas übernommen.
Zu verlockend war für ihn die junge schöne Frau. Er übersah dabei jedoch seinen Einzelgänger-Charakter. Den kann man vielleicht eine Zeit lang unterdrücken, jedoch niemals ganz Ablegen.
Und Misaki ist schön. Unglaublich schön.
Exotisch schön. Sie zieht sich immer Flott, trotzdem irgendwie konservativ an, niemals Nuttig oder so. Der Rock immer lang genug, Blusen nie durchsichtig, Hosen nicht Hauteng. Aber sie hat was.
Man sieht sie gerne an. Ihre höfliche Zurückhaltung, sie drängt sich niemals in den Mittelpunkt, auch wenn sie das eigentlich in einer Horde spätpubertierender Jungs eigentlich wäre.
Kapitel 2
Die erste größere Ausfahrt ging dann von Freitag bis Sonntag wohin? Na Klar, klassisch an den Gardasee zum Pizza-Essen. Am Freitag nachmittag Sechs Stunden Fahrt, durch das kleine Volk der Raubritter hindurch und schon ist man im Land der Träume. La dolce Vita.
Coole Stimmung, guter Wein, leckerstes Essen, entspannte Leute und unzählige verschlungene kleine Passstraßen. Die Jungs gingen auf den Campingplatz, Misaki kann außer einem kleinen Rucksack sonst keinerlei Gepäck auf ihrem Moped mitnehmen, suchte sich deshalb eine einfache Pension gleich in der Nähe.
Ich selber war etwas unentschlossen, wollte einerseits mit den Jungs im Zelt bleiben um nicht als Muttersöhnchen verschrien zu werden, Männer in diesem Alter können bei sowas grausam und penetrant sein. Andererseits, eine Toilette und Dusche im Zimmer, ein brauchbares Bett und wenn es nur das Sofa wäre…. Beide Optionen ließ ich mir offen, wollte eben kurzfristig nach Situation entscheiden, deponierte meinen Tankrucksack einstweilen bei Konrad im Zelt.
Die erste Nacht schlief ich dann auch im Zelt.
Die mopedfreie Zeit am Samstag verbrachten wir alle zusammen am Campingplatz, misstrauisch beäugt vom rastlosen Platzwart, der ständig seine Runden mit dem alten Klapprad drehte. Aber die meiste Zeit waren wir eh unterwegs. Misaki war jetzt nicht mehr zu bremsen. Am Tag zuvor bei der Hinfahrt noch mitleidig belächelt wegen ihrer kleinen 400-er zeigte sie bald wo der Hammer hängt.
Bei der Anreise wollte sie offensichtlich einfach noch ihr Material schonen oder den Motor einfahren, nicht jeder erkennt so etwas, viele pubertierende Jungs deuten sowas als Feigheit oder als Sonntagsfahrerin.
In den Bergen selbst sah man sie nur kurz noch von Hinten, Misaki kam erst wieder in Sicht als sie an der nächsten Kreuzung wartete weil sie den Weg nicht weiter wusste. Die Jungs waren irritiert. Das soll eine 400-er sein? Ok, von der Größe her und vom Klang ist es ein kleines Moped. Aber warum kamen sie mit ihren 1000-ern einfach nicht ran? Auf den kurzen Geraden fuhren sie manchmal noch nebenauf.
Zwei Kurven später war sie weg. Was zum Teufel hat dieses kleine Ding eigentlich Leistung? Wieviel dreht die? 18.ooo Umdrehungen? Und das blitzartig. Der anfängliche Spott wich Ehrfurcht.
Armin wollte es nicht glauben, bat Misaki beim Mittagessen ob sie nichtmal für eine Stunde die Mopeds tauschen könnten. 400-er gegen Feuerklinge.
Misaki willigte ein. Die Folge war dass Armin wegen dem wendigeren und leichteren Moped nun auch etwas flotter wurde, an Misaki kam trotzdem keiner mehr heran. Man sah jetzt nur besser wo sie lang gefahren war, in nahezu jeder Kurve waren tiefschwarze Striche vom Driften und Beschleunigen, Armin begann zu Bereuen und hoffte dass er mit diesen Gummis noch bis Deutschland kam. Irgendwann gaben sie es kollektiv auf ihr auch nur Ansatzweise folgen zu wollen.
Gegen Einbruch der Dunkelheit kamen wir zurück an den Campingplatz.
Zuerst Misaki, fünf Minuten später die Jungs mit mir, zwei Minuten dahinter ein lilafarbener Alfa Romeo mit weisser Aufschrift: Polizia Municipale. Die beiden Sherriff's sprangen aufgebracht heraus, schrien aufgeregt:
„This is Italy. Not Amerika. No Superbike!“ wild fuchtelte der Polizist aufgebracht mit seinen weissen Handschuhen und einem weissen Schlagstock.
Energisch wollen beide wissen wer wie ein geisteskranker mit diesem Motorrad da (dabei deuteten sie auf die Feuerklinge) über einen halben Kilometer auf dem Hinterrad über die Landstraße fuhr. Sie wollten den Fahrer direkt aufhalten, sind aber nicht nachgekommen. Die Jungs grinsten, so erging es ihnen schon den ganzen Tag.
Misaki meldet sich. „Sorry Sir, i was!“
Signore Polizia zweifelt.
Sie soll niemanden schützen, sie soll sagen wer wirklich gefahren ist.
„Ich!“ sagte Misaki.
Weiteres Zweifeln. Wenn sie jetzt weiter lügt dann bekommt sie eine Strafe wegen Behinderung der Justiz und Falschaussage. Wem gehört dieses Motorrad da? Armin trat vor.
„Das macht dann 250 € Penalty! Oder wir beschlagnahmen das Motorrad!“
Eilig holte Misaki ihre Brieftasche aus dem Rucksack und bezahlte die geforderte Summe. Quittung bekam sie keine, bestimmt hatten die das vor lauter Aufregung „vergessen“.
„Ihr Deutsche seid so Helden, müsst euch hinter einer Frau verstecken!“ ätzte der ältere der Polizisten auf Englisch, wie er das Geld in seiner weissen Umhängetasche verstaute.
„Wir haben wenigstens keinen BungaBunga als Präsidenten und unsere Soldaten haben die Absätze nicht an der Stiefelspitze.“ den letzten Einwand auf Deutsch aus dem Hintergrund verstanden sie entweder nicht oder ignorierten es. Vielleicht besser so.
Der Abend verging dann mit äusserst ausgelassener Stimmung in der Pizzeria des Campingplatzes. Misaki saß neben mir, wirkte ausgesprochen Glücklich.
Scherzte, Blödelte. Hauptthema waren natürlich die zwei Polizia's. Der Spruch: „This is Italy. Not Amerika.
No Superbike!“ wird wohl in die Analen eingehen.
Das Verhalten der Jungs gegenüber Misaki veränderte sich Deutlich. Sie war nicht mehr nur das hübsche Beiwerk, die zum Anglotzen geduldete Sozia. Sie hatten echte Ehrfurcht vor ihr.
Misaki bog immer wieder vom Thema ab und nahm sich aus dem Mittelpunkt heraus wenn die Jungs sie neugierig nach ihrer Vergangenheit befragen wollten.