Aldemakros. Dubhé Vaillant. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dubhé Vaillant
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752941593
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gebracht habe. Deshalb wurde er auch von vielen, sogar von seinen Feinden, als »Lion Gordon« betitelt. Vor allem die Massai, die in unmittelbarer Nähe zur Station lebten, zollten ihm deswegen grossen Respekt.

       »Die Stimmung bedrückt mich«, sagte Na-Soma.

      Ihr konnte Mathews nichts vormachen. Zu gut kannten sie sich. Seit sie vor 18 Jahren zu ihm auf die Station kam, hatten sie viele schwierige Aufgaben gemeinsam gemeistert. Sie war in der Station nicht wegzudenken. Sie kam aus Umoja, einem Dorf nahe der Stadt Archers Post im Samburu County in Kenia. Dort leben nur Frauen und ihre Kinder. Sie waren von ihren Männern verstossen worden oder hatten sie verlassen. Na-Soma sprach nie über die Hintergründe, wie sie dorthin gekommen war. Aber manchmal, wenn sie neben ihm im Bett lag und die Alpträume der Vergangenheit sie nicht loszulassen schienen, konnte er erahnen, dass etwas Teuflisches ihr widerfahren sein musste. Ihr Name heisst aus dem Swahili übersetzt »ich lese«, was wohl mit ihrer Vergangenheit zu tun haben musste. Sie bedeutete ihm alles und ihre gegenseitige Zuneigung war sehr gross. Aber dennoch war sie nie frei, und dem Schatten der Vergangenheit konnte sie nicht entfliehen.

      Sie brachte die Nachtsichtgeräte auf die Terrasse, und sie begannen den Krater, so gut es ging, zu observieren. Der Krater war riesig. Er entstand, als vor langer Zeit ein Vulkan in sich zusammenbrach. Er hat noch heute einen Durchmesser von ca. 18 km. Es begann heftig zu winden und erste Blitze erhellten den Nachthimmel, gefolgt von fernem Donnergrollen.

      »In wenigen Tagen wird die Regenzeit beginnen. Die Tiere sind wohl deshalb unruhig.«

      »Siehst du was?« fragte Mathews.

      »Nichts Aussergewöhnliches«, antwortete Na-Soma.

      »Du?«

      »Ja, schau Richtung Zentrum des Kraters. Siehst du es?« entgegnete Mathews.

      »Was um Himmelswillen geschieht da? Siehst du die Löwen?«

      »Sowas habe ich noch nie gesehen. So viele Löwen habe ich niemals zuvor gesichtet. Sie scheinen Angst zu haben.«

      »Aber wovor?«

      »Ich kann es nicht glauben. Da ist ein rundes Ding in der Mitte des Kraters.«

      »Ja, es scheint ein Kreis auf dem Boden zu sein. Aber dieser muss sehr gross sein.«

      Sehr starke Windböen bliesen ihnen entgegen und weitere Blitze zuckten.

      »Da schau, es sind rote Blitze über dem Krater«, rief Mathews aufgeregt Na-Soma zu.

      »Ja, ich sehe sie. Was hat das zu bedeuten?«

      »Keine Ahnung.«

       Die Windböen wurden stärker und es machte den Anschein, dass ein wahrhaftiger Wirbelsturm wie aus dem Nichts entstehen könnte.

      Na-Soma nahm ein weiteres Spezialnachtsichtgerät zur Hand, mit dem Distanzmessungen und Fotografieren möglich waren.

      »Was denkst du, wie gross der Kreis ist?«, fragte sie Mathews.

      »Ich schätze, dass der Durchmesser so gegen 3 km misst.« Sie musste schon lauter rufen, damit er sie verstand. Immer heftiger blitzte und donnerte es. Auch begann es leicht zu regnen.

      »Gut geschätzt«, das Gerät zeigt etwas mehr als 3140 Meter an«, bestätigt er.

      Na-Soma zoomte mit dem Spezialnachtsichtgerät den Kreis in der Mitte des Kraters näher heran, fotografierte mehrmals und gab sprachlos das Gerät an Mathews weiter.

      »Was hast du?«, fragte Mathews

      »Der Kreis, er bewegt sich! Ich weiss, woraus er besteht, du wirst es nicht glauben. Schau selber!«

      Ungläubig nahm Mathews das Gerät und sah, dass sich tatsächlich der Kreis bewegte.

      »Das ist absolut unmöglich«, gab er zur Antwort.

      »Wie viele sind es?«

      »Ich schätze ca. 10‘000 Stück«, antwortete er.

      »Wie ist es möglich, dass 10‘000 Gnus mitten im Krater sich nahezu perfekt kreisrund ausrichten und sich dann gleichmässig im Kreis bewegen können?«, fragte Na-Soma.

      »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«

      Auch er fotografierte die Szene, bevor er ins Haus zurückging, um mit seinem Smartphone Kontakt zu seinem Chef aufzunehmen, der in der Regionshauptstadt Arusha lebte. Aber er stellte fest, dass kein Mobilenetz zur Verfügung stand. Ein Festnetz gab es hier draussen sowieso keines.

       »Ich erreiche niemanden, die Mobilenetze sind nicht im Betrieb. Vermutlich sind dafür die Blitze verantwortlich. Ich muss in den Krater, näher an den Kreis heran«, erklärte Mathews.

      Na-Soma wollte ihn überreden, da zu bleiben. Aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass Mathews in den Krater und damit näher an den Kreis heran gehen würde. Er bestieg den Jeep und nahm ein Nachtsichtgerät und ein geladenes Gewehr mit, für alle Fälle, wie er meinte. Sie wollten über das Funkgerät in Verbindung bleiben. Er fuhr los Richtung Kreis. Na-Soma beobachte seine Fahrt durch das Nachtsichtgerät. Immer weiter entfernte er sich, bis er nicht mehr sichtbar war.

       Und in der Tat verschwand er etwa 2 Kilometer vor dem Kreis, der aus 10‘000 Gnus bestand, und zwar für immer! Auch von den Gnus fand man keine Spur mehr. Später gab es keine Erklärung für sein Verschwinden. Auch den Jeep fand man nicht. Er wurde förmlich vom Erdboden verschluckt. In der lokalen Tageszeitung von Arusha und auf der entsprechenden Internetseite gab es einen kurzen Hinweis auf dieses Ereignis. Mehr aber nicht. Der verantwortliche Redaktor kommentierte den Vorfall als ein zufälliges Wetterphänomen, das im Zusammenhang mit der kurz bevorstehenden Regenzeit stehe.

      Belize, am gleichen Tag

      Dolores Domingo beendete am frühen Nachmittag den Anfängertauchgang am Rande des kreisrunden Great Blue Hole. Ihre Schüler waren heute irgendwie nicht so bei der Sache. Das gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie hoffte, dass die nächste Gruppe, die der halbprofessionellen, konzentrierter ans Werk ginge, denn es stand ein schwieriger Tauchgang vor ihnen. In den 12 Jahren, die Dolores - sie hiess eigentlich Betty Smith - dieses Tauchunternehmen leitete, regte sie nichts mehr auf als Taucher, die nicht bei der Sache waren. Seit sie als 32-jährige Investmentbankerin ihre Karriere bei der Wells Fargo Bank in Seattle beendet hatte, lebte sie in Belize und verwirklichte ihren Traum als Tauchlehrerin mit einer eigenen Tauchschule. Die winterliche Kälte im Nordwesten der USA war letztlich ausschlaggebend für sie, so dass sie ihre Zelte im Süden, in Belize neu aufschlug. Sie war im Beruf recht erfolgreich, was man von ihren zahlreichen Beziehungen nicht sagen konnte. Obwohl man sie als äusserst attraktiv bezeichnen konnte, klappte es nie lange mit ihren Liebhabern. Sie sei zu langweilig oder zu pingelig, ja geradezu pedantisch, meinten einige ihrer Ehemaligen.

       »John, noch eine halbe Stunde, wirst du fertig?«, rief sie ihrem Mitarbeiter und seit einem halben Jahr ihrer neuen Flamme zu, der für das Füllen der Tauchflaschen verantwortlich war.

      »Alles im grünen Bereich, Honey«, antwortete John. Jede Flasche war nummeriert, und er trug die Füll- und Mischmengen ins entsprechende Logbuch ein. Seine lockere Art hinterliess oftmals den Eindruck, dass er mit seinen Gedanken nicht so bei der Sache war. Dies täuschte aber sehr. John Kennedy, der aus Hawaii stammte und gemäss seinen Angaben Kanaka Maoli als Vorfahren hatte, wusste, wie wichtig das Abfüllen und das Kontrollieren der Tauchflaschen war. Ein Fehler bei seiner Arbeit könnte in 70 Metern Tiefe zu einer lebensbedrohlichen Situation führen. Seit er bei den United States Navy Seals vor vier Jahren als Commander den Dienst quittiert hatte und auf der Tauchbasis arbeitete, war ihm kein einziger Fehler unterlaufen. Das wird auch heute so sein, dachte er. John, gross gewachsen wirkte mit seinem durchtrainierten, kräftigen Körperbau als jemand, den man nicht als Feind haben möchte. Die zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen schwarzen Haare verliehen ihm aber eine freundliche und hilfsbereite Note.

      »Honey, das Ventil des T-Stücks und der Schraubverschluss sind geprüft. Ich bringe die Flaschen