Mitternachtswende. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044980
Скачать книгу
und so viel abverlangt. Qing bemerkt dabei nicht, dass er keine Zeit für seine Freundin hat. Er sieht in ihn lediglich den Erben Herons.‹‹

      Flora wusste darauf nichts zu erwidern. Hatte Fen etwa Mitleid mit ihr? Trauer umfing sie und zerrte an ihren Augen. Nur zu gerne wollte sie ihren Tränen erliegen, aber das durfte sie nicht. Niemand sollte es wissen. Niemand durfte es wissen!

      Instinktiv ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Weißlich drückten sich die Knochen hervor. Aber auch das tiefe Schlucken brachte keine Abhilfe. Gegen ihren Willen musste sie an ihn denken.

      Langsam drehte sich Königin Fen zu ihr um. Das Gesicht in Sorge und Betrübtheit gelegt, guckte sie sie an. ››Du tust es schon wieder.‹‹

      Ein Ruck ging durch Flora und sie wurde steif wie ein Eiszapfen. Mit großen, weit geöffneten Augen musterte sie ihren Gegenüber.

      ››Du verheimlichst es gut, aber mir kannst du nichts vormachen. Ich habe so viel Leid in meinem Leben erfahren, dass ich einem jeden seine Gefühle anzusehen vermag.‹‹

      Noch immer konnte Flora nicht aus ihrer Starre fliehen. Ihre Sorge wurde zu Angst; panischer Angst. Der Brustkorb hob und senkte sich unheimlich schnell, eine Kurzatmigkeit, wobei jeder Atemzug in der Lunge brannte. Inständig redete sich Flora ein, dass es ihr egal sei, wenn jemand um ihre Gefühle wüsste, doch was wenn man sie an Alexander weitertrug? Konnte sie dann immer noch seine Freundin sein? Durfte sie noch in seiner Nähe bleiben, oder würde er sie fort schicken, damit sie keine Schmerzen mehr erleiden musste?

      Doch dann, ganz unerwartet, wurde ihr klar, dass sie umsonst besorgt war. Selbst wenn Fen ihr ansah, dass sie litt, wusste sie dennoch nicht warum. Die Schultern sackten herunter und die Gewalt über ihren Körper kam zurück. Auch wenn der Herzschlag noch in keinem gesunden Maß schlug, schien das Adrenalin die Frau nicht mehr vollends zu vereinnahmen.

      Mit leicht heiserer Stimme, die sie in diesem Moment verfluchte, sagte sie: ››Ach das. Mach dir keine Sorgen, Fen, ich habe nur etwas Heimweg.‹‹ Als wäre es eine Banalität winkte sie mit der rechten Hand ab.

      Halb fielen Fen die Lider auf die Augen. In wenigen Sekunden glaubte Flora, dass sie aus Glas und leicht zu durchleuchten war.

      ››Wie dem auch sei‹‹, erneut schaute sie zum Palast und verzog den Mund, ››Ich bin aus einem anderen Grund mit dir hierhin gegangen.‹‹ Ernst wurde ihre Miene und allmählich wurde die Frau Flora extrem unheimlich. Sie waren allein. Hier würde so schnell niemand ihren Weg kreuzen. Eigentlich hatte sie immer geglaubt, sie müsse vor Fen keine Angst haben. War sie doch stets eine gütige Frau gewesen, aber nun sah sie eine ganz andere Person. Eine Person, die sie plötzlich gar nicht mehr einzuschätzen vermochten.

      ››Wie ich eben schon sagte, mein Mann nimmt Alexander zu sehr ein. Ich kann verstehen, dass er unsere Bräuche, die Politik und allem voran seine Werwolfskräfte zu beherrschen wissen muss, aber...‹‹ Wie auf der Fluch blickte sich die Königin verstohlen um. Flora tat es ihr gleich und stellte fest, dass sie wirklich alleine waren. Nicht einmal ein Vogel schien in der Nähe zu sein.

      ››Flora, ich weiß, dass du Sarah schreibst. Du musst mir einen Gefallen tun.‹‹

      Diese zuckte mit den Schulter und wusste nicht recht, was sie sagen sollte, lediglich etwas dummes verließ ihre Lippen: ››Du vertraust ihr noch nachdem sie Chui so misshandelt hat?‹‹

      ››Was soll die Frage? Ich weiß doch von Chang-Ying, dass sie nicht sie selbst war. Sarah wurde von anderen Fäden geführt. Gut, ich verstehe diese Deutung von meiner Oma auch nicht so recht und ich gebe zu, dass ich mehr als wütend war, aber sie ist vielleicht unsere einzige Hoffnung!‹‹

      ››Einzige Hoffnung worauf?‹‹, fragte Flora verwirrt.

      ››Hör zu, ich habe nicht viel Zeit, denn dieses Tal ist klein und überall lauern Leute meines Mannes, daher musst du mir jetzt ganz genau zuhören, okay?‹‹ Fast bittend sah die Königin sie an. Die Art und Weise wie sie sprach, ihre drängende Tonlage und die eindringliche Mimik dahinter, beeindruckten Flora. Trotz einem seltsamen Gefühl im Magen nickte sie.

      ››Gut, ich danke dir. Ich weiß, dass man deine Briefe an Sarah nicht kontrolliert. Verstehe mich nicht falsch, aber man sieht in dir keine Bedrohung. Für die meisten bist du ein kleines Licht. Ich mag dich Flora, du hast etwas, was mich fasziniert. Ich weiß um dein Leid und teile es in gewisser Weise mit dir, denn während deine Familie getötet wurde, hat mich meine verstoßen. Ich war kein Werwolf wie sie; konnte mich nicht verwandelt, war gewöhnlich. Das wollten sie nie in ihrer Familie haben; es war eine Schande. So kam ich hierher zu meiner Oma und lernte den König kennen und lieben. Jahr für Jahr veränderte er sich. Aus Güte würde Gleichgültigkeit. Zwar wusste er sein Volk zu führen, aber er zog sich immer mehr vor mir zurück.‹‹ Tief atmete sie ein und schlang die Arme um ihren Körper, als fröstelte sie. Doch Flora wusste, dass es nicht die Kälte war, sondern ihre Gefühle. ››Seitdem Alexander in unser Leben getreten ist, komme ich nicht mehr an ihn heran. Er ist … Er giert nach etwas. Er liegt auf der Lauer wie ein hungriger Wolf, der auf Beute wartet. Qing kann es nicht erwarten, dass das passiert, was er erwartet. Ich habe versucht seine Gespräche zu belauschen und habe ihn verfolgt, wann immer es meine Tätigkeit zuließ, aber ich habe keinen Erfolg.‹‹

      ››Wieso versucht du nicht ein paar Dienstmädchen mit ein zu beziehen?‹‹ Flora kannte am besten die Vorzüge von diesen Mädchen und Frauen. Sie waren überall, hörten und sahen alles. Ein jeder benutzte sie und sprach in deren Gegenwart über Dinge, die man nicht hinaustragen durfte. Zwar war es diesen Frauen verboten darüber zu sprechen, aber oft ließen sie sich kaufen.

      Verzweifelt schluchzte Fen. ››Weil niemand wissen darf, was ich vermute, oder das etwas nicht stimmt. Qing hat überall seine Spitzel. Wenn ich zufällig einem von ihnen vertraue, laufe ich in eine Falle. Du bist quasi ein Außenseiter, denn du bist weder eine von uns, noch erkennen sie an, dass du zu den Vampiren gehörst. Gerade wegen deiner Vergangenheit, denkt ein jeder hier, dass du die Vampire genauso wie sie hassen musst.‹‹

      Inbrünstig und laut konterte Flora: ››Aber das ist nicht wahr,... jedenfalls nicht alle...‹‹

      ››Darauf will ich hinaus. Du musst Sarah schreiben, was hier vor sich geht.‹‹

      Plötzlich und unmissverständlich wurde ihr klar, was die Königin ihr offenbaren wollte und obwohl sie diese Erkenntnis abwies, hakte sie nach: ››Was darf niemand wissen, dass du vermutest?‹‹

      ››Qing ist fast ausschließlich in seinem Thronsaal, oder den untersten Katakomben zu finden. Er geht allen meinen Fragen aus dem Weg. Er hetzt und wütet, dass Alex endlich eins mit sich selbst sei. Er nimmt Kontakt zu Außenposten auf, von denen ich noch nie etwas gehört habe. … Oft habe ich versucht Chang-Ying zu befragen, aber es ist ihre Pflicht dem König gefügig zu sein. Pflichten erfüllte sie schon immer sehr gewissenhaft.‹‹

      Auf einmal fing Fen an zu schluchzen und zu weinen. Dicke Tränen rannen über ihre Wange. Hände und Ärmel wischten wild durch ihr Gesicht. Schnell war der Stoff mit dunklen Flecken versehen, doch sie beruhigte sich einfach nicht.

      Flora war erstarrt. Sie wusste nicht, wie sie ihr helfen sollte; wusste nicht, was sie überhaupt von alle dem halten sollte.

      Immer wieder erfüllte lautes Schluchzen die Umgebung und schien sie mit Leid zu bedecken. Die Königin konnte nichts mehr sagen. Ein scheinbarer Klos, hervorgerufen durch das Weinen, hinderte sie vehement daran. Aus einem Schleier aus dicken Tränen sah sie die Blondine an und machte einen Schritt auf sie zu.

      Ihre Schuhe rutschten weg und sie sackte in den Schnee am Rande des Weges. Prompt entließen Flora ihre imaginären Fesseln und sie setzte sich in Bewegung. So schnell sie konnte, war sie bei ihr und wollte ihr auf helfen. Die Königin wand sich hin und her. Anfangs glaubte Flora sie sei abwesend, denn sie nahm sie überhaupt nicht wahr. Sie hielt ihre Schultern fest und schüttelte Fen. Nichts. Klagend jammerte sie und gab sich vollends ihrer Trauer hin.

      Nach Sekunden, die Flora vorkamen wie Stunden, wurde ihr klar, dass sie diese Zeit