Melanie Ruschmeyer
Mitternachtswende
Seelenbiss-Reihe Teil 3
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einst, da liebte ich dich,
wegen deiner liebevollen Art,
wegen deiner gütigen Handlungen,
wegen deiner inneren Stärke.
Ich weiß nicht, was passiert war; was dir widerfahren war.
Doch all das zerbrach im Winde der Gegenwart.
Nun liebe ich dich nur noch der Vergangenheit willen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf – niemals –,
dass eines schönen Tages dein Herz wieder zu mir finden wird und begreift, dass du den falschen Weg gewählt hattest.
Der Würfel ist gefallen. - Alea iacta est. (Gaius Julius Caesar)
Carla
Der Spiegel war ihr irgendwie noch immer zu klein. Er konnte nicht groß genug sein; fasste sie nur teilweise. Carla betrachtete sich in ihm und wusste eigentlich ganz genau, dass sie diesem Gegenstand schon zu lange verfallen war. Viel zu oft nahm er ihre Zeit in Anspruch.
Verhöhnte sie!
Verspottete sie!
Zeigte ihr etwas, wonach sie sich stets so sehr gesehnt hatte und dennoch nicht wollte. Gedankenverloren drehte sie das Gesicht nach links und rechts, fasste an ihre Wangen, zog die Kochen mit ihren Fingerspitzen nach und legte den Kopf schief. Ihre blonden Haare fielen auf eine Seite und sie sah sich einer standhaften Frage gegenüber gestellt: War das wirklich sie?
Die schwarzen Handschuhe über ihrer Haut wirkten wie ein Gefängnis. Sie strich über die Seide, als sei sie lebendig. Die Berührung fühlte sich stumpf an. Lediglich aus Respekt vor ihrer Kraft steckte sie ihre Hand Tag für Tag in diesen Stoff. Er engte sie ein; verwehrte ihr das vollendete Gefühl der Berührung.
In den letzten Wochen hatte sich viel getan. Ihr war eine Welt offenbart worden, die sie nur durch andere Augen hatte sehen dürfen. Tasten, hören, riechen, schmecken; einfach alles war so real, wie nie zuvor. Dennoch wusste sie tief in ihrem Inneren, das es ein Verrat war. Ein Verrat, für den eine andere Seele teuer bezahlen musste. Doch dieses Wissen wies sie von sich. Klopfte es ab wie lästigen Staub, der sich auf die Kleidung legte.
Langsam und bedacht seufzte sie. Der Genuss des Ein- und Ausatmens war so wirklich; so intensiv.
Dieses Zimmer hatte sich verändert; hatte sein eigentliches Sein verloren. Einst das von Sarah und Alexander, spießig und gewöhnlich, hatte sie sich hier nun eine Oase geschaffen. Zwar klebte noch immer dieses seltsame Grün an den Wänden, was sie unwiderruflich an diesen widerlichen Halbwerwolf erinnerte, aber etliche Gegenstände hatten weichen müssen.
Nun zierte ein riesengroßer Schrank, der nur so vor Kleidungsstücken trotze und ein Spiegel mit Tisch und Stuhl davor, auf dem sie Platz genommen hatte, den Raum. Für den Rundbalkon hatte sie sich eine sehr bequeme Sonnenliege besorgt, auf der sie oftmals den gesamten Tag vertrödelte.
Vor ihr türmten sich Tuben, Pasten und Dosen. Lidschatten in allen Farben stapelten sich auf der Seite und Carla griff nach dem Mascara, der daneben lag. Unnötig zog sie ihre langen Wimpern nach und glaubte sie so noch um einiges verlängern zu können.
Während sie sich inständig betrachtete und nach dem schwarzen Lidschatten tastete, dachte sie nach.
Carla