Spinnen-Feind. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847611585
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dass die Vorkommen an Erdöl nicht unbegrenzt waren. Doch Erdöl und seine zahlreichen Nebenprodukte wurden in vielen Bereichen der Industrie und des täglichen Lebens benötigt. Als ewig hungriger Moloch erwiesen sich die Meerwasser-Entsalzungsanlagen, denn über viele Jahrzehnte hinweg, hatten Lebensmittelkonzerne die Rechte an Wasserquellen erworben und diese rücksichtslos ausgebeutet, bis sie versiegten.

      Private Haushalte waren immer mehr eingeschränkt worden, um die Energiehungrige Industrie zu füttern, doch der Kollaps hatte sich abgezeichnet. Das Mineral Energum war der Retter gewesen, der alle Probleme, mit einem Schlag, zu lösen schien. Es gab ausgedehnte Vorkommen auf dem Mars und ein paar Körner Energum konnten einen schweren Überlandtransporter ein Jahr mit Energie versorgen, ein Kilogramm eine mittelgroße Stadt. Dabei zerfiel das Mineral ohne irgendwelche schädigenden Begleitumstände. Natürlich gab es warnende Stimmen, die mahnten, auch die Vorräte auf dem Mars seien wohl nicht unerschöpflich, doch kaum jemand hörte auf sie.

      Energum war teuer, denn es kam immerhin vom Mars und war bislang auch nur dort gefunden worden, und Energum bedeutete Macht, denn wer über diese Energiequelle bestimmte, der konnte die Wirtschaft einer ganzen Nation fördern oder sie zugrunde richten.

      Glücklicherweise hatte die UNO richtig reagiert und die Förderung und Verteilung des Minerals unter ihre ausschließliche Hoheit gestellt. Während man das Mineral im UNO-Hauptsitz verwaltete, wurde die United Nations Space Administration mit der Aufsicht, über Förderung und Transport, beauftragt. Obwohl die Schiffe verschiedener Nationen den Mars anflogen, waren sie alle gleichermaßen der UNSA unterstellt.

      “Seit zwei Wochen ist der Kontakt abgebrochen. Zwei Wochen, Ladies und Gentlemen.” Der Generalsekretär der UNO blickte in die Gesichter des Sicherheitsrates im Konferenzraum der UNSA. “Ich habe Ihnen nun die Situation geschildert. Wir wissen nicht, was geschehen ist. Der amerikanische Frachtpendler Conestoga könnte den Mars zwar als nächstes Schiff erreichen, aber wir schätzen das Risiko als zu hoch ein. In Übereinkunft mit der panamerikanischen Präsidentin haben wir den Frachter zur Erde zurückbeordert.”

      “Risiko? Sie glauben also an ein ernsthaftes, ein möglicherweise militärisches Problem?” Li-Jang, der Repräsentant der Asiatischen Hegemonie, beugte sich leicht nach vorne. “Wenn ja, durch wen? Der Mars steht unter dem Direktorat der UNO. Keine Nation wäre so dumm, gegen die gesamte Weltgemeinschaft anzutreten. Energum ist zu wichtig, für unser aller Energieversorgung. Wer den Mars angreift, um ihn eventuell in seinen Besitz zu bringen, der weiß, dass er mit der entschlossenen Reaktion der Weltgemeinschaft rechnen muss. Doch falls es wirklich jemand gewagt hat, eine Okkupation des Mars zu versuchen, so möchte ich darauf hinweisen, dass die Hegemonie, nach den ersten Informationen über das Verstummen des Mars, bereits den volkseigenen Zerstörer Yang-Tse zum Mars befehligt hat.”

      Mbuto Sangales, Generalsekretär der UNO, zuckte mit den Schultern. “Bitte, wir wissen nicht mehr, als ich bereits gesagt habe. Aber die Fachleute halten den gleichzeitigen Ausfall der Sendeanlagen von Mars und Fuji-Maru, für höchst unwahrscheinlich. Eine Seuche als Ursache können wir ausschließen. Sie wäre niemals so rasch und umfassend wirksam, dass es nicht einer der Funker zu den Sendern schaffen würde. Eine Revolte, aus welchen Gründen auch immer, hätte den Frachter im Orbit nicht gefährdet. Auf dem Mars gibt es keine Raketengeschütze.”

      „Es gibt aber Handwaffen“, warf ein Mitglied des Sicherheitsrates ein.

      „Die einem Kriegsschiff nicht gefährlich werden können“, erwiderte Li-Jang. Er lächelte dünn. “Die Yang-Tse wird sehr rasch herausfinden, worin das Problem auf dem Mars begründet ist. Sie kann schon in wenigen Wochen im Orbit eintreffen.”

      “Vorab will ich klarstellen, dass es hier nicht um nationale Interessen oder nationalen Stolz geht.” Dr. Helmut Verenkötter, Repräsentant der Europäischen Union, warf einen ärgerlichen Blick in seinen altmodischen Hefter. “Es geht darum, dass wir bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken, wenn die Energumversorgung vom Mars ausfällt.”

      Der muslimische Vertreter der Arabischen Großallianz wies demonstrativ aus dem Fenster, auf das Panorama Kopenhagens, welches sich unter dem UNSA-Hauptquartier ausbreitete. “Nur der Wahre Glauben existiert ewig. All diese weltliche Pracht, Damen und Herren, ist vergänglich. Aber ...”, der hagere Mann erlaubte sich ein seltenes Lächeln, “… diese Pracht ist erst recht vergänglich, wenn die Energieversorgung ausfällt.” Der Vertreter der Allianz wies auf Dr. Verenkötter. “Der geschätzte Kollege hat sicherlich die Zahlen, wann bei uns die Lichter ausgehen.”

      Verenkötter schob seinen Hefter zur Seite und rief eine Datei auf seinem Smartphone auf. “Sechs Monate”, sagte er leise. “Natürlich nur geschätzt, da mir ein paar Zahlen noch nicht vorliegen. Aber ich schätze, ja, in sechs Monaten gehen die Lichter aus, wenn kein Energum mehr geliefert wird.”

      Mbuto Sangales blickte nachdenklich auf das UNO-Emblem an der Stirnwand des Raumes. “Ich achte die nationalen Interessen des Einzelnen, sofern nicht die Gemeinschaft negativ betroffen ist. Ich weiß, dass eine starke Expedition zum Mars ungeheure Kosten verursacht.” Sangales ließ seine weißen Zähne blitzen. “Aber überlegen wir doch einmal ganz kurz ... Welches Land kann denn seine gesamte Energieerzeugung, innerhalb von nur sechs Monaten, wieder unabhängig vom Energum machen?”

      Es war eine rein rhetorische Frage, denn allen Anwesenden war klar, dass dies einfach nicht möglich war. Die Folgen waren allen Beteiligten nur zu bewusst. Zusammenbruch der Energieversorgung, des Wirtschaftssystems, der sozialen Ordnung.

      “Ladies und Gentlemen.” Sangales lehnte sich in seinen Sessel zurück. “Die UNO besitzt das Raumrecht und hat von der Völkergemeinschaft den Auftrag bekommen, die Energumverteilung zu kontrollieren und zu dirigieren. Aber die UNO verfügt lediglich über eine einzige Truppe, die sofort eingesetzt werden kann. Die internationale Einheit der ersten UN-Marines, die als Schutztruppe bei humanitären Einsätzen gedacht sind. Diese Truppe ist allerdings nicht für den Dienst im Weltraum ausgebildet und die UNSA verfügt über keine geeigneten Truppentransporter oder sonstige militärischen Raumschiffe. Wir sind also, gerade in dieser prekären Situation, auf die Bedingungslose Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten angewiesen. Wir, als Sicherheitsrat der UN, müssen sofort eine Resolution verabschieden, in der alle militärisch nutzbaren Raumschiffe dem Befehl der UNSA unterstellt werden. Wir alle wissen, dass dies auf Widerstände stoßen wird, aber wir haben keine andere Wahl, denn die Förderung des Energums ist zu wichtig. Für jeden Einzelnen von uns. Daher muss die alleinige Zuständigkeit an die UNSA gehen, bis die Situation auf dem Mars geklärt, und die Förderung wieder sichergestellt ist. Was können wir gemeinschaftlich aufbieten, um das Schicksal der Marskolonie zu klären?”

      “Und um unseren Arsch zu retten”, fügte Cynthia Rodriguez, die panamerikanische Repräsentantin, gedanklich hinzu.

      “Die Frage ist hierbei, von welchen Optionen wir ausgehen müssen. Unfall, Sabotage, Terroristen ...? Es gibt immerhin einige radikale religiöse Gruppierungen und selbsternannte Öko-Aktivisten, die darauf pochen, der Mensch habe im Weltraum nichts verloren. Dies sei die Welt, die der Schöpfer uns gegeben habe und mit ihr hätten wir uns gefälligst zu begnügen. Vielleicht haben sich Anhänger einer solchen Gruppe auf dem Mars einschleichen können?” Dr. Verenkötter ließ die Frage einen Moment im Raum stehen. “Wir wissen es nicht. Also müssen wir bereit sein, auf jede Gegebenheit, die wir dort antreffen, zu reagieren.”

      “Kein Staat wird so verrückt sein, den Mars zu okkupieren”, wiederholte Li-Jang seine frühere Behauptung. “Die anderen Nationen würden ihn zerreißen.”

      Mbuto Sangales warf seinem Assistenten einen Blick zu.

      Dieser räusperte sich kurz. “Wenn ich einmal ausführen darf: Die Conestoga wird in drei Tagen an der ISS docken. Wir beabsichtigen, einen Großteil der Container mit Nachschubgütern, medizinischem Material, mobilen Hospitälern und ähnlichem zu bestücken. Für den Fall, dass wir es auf dem Mars mit einer Katastrophensituation zu tun haben. Einen kleineren Teil der Container werden wir zum Truppentransport herrichten. Das erste Regiment der UN-Marines ist in der deutschen Eifel stationiert. Ein Bataillon wird schnellstens auf die ISS verlegt, um dort auf der Conestoga eingeschifft zu werden. Die panamerikanische