Auferstanden aus Ruinen. Florian Lettre. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Florian Lettre
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742771698
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bin deine erste richtige Liebe. Vor mir gab es nichts und nach mir wird es nichts geben.“ Florian musste jetzt doch lachen.

      „Ich kenne mich aus mit Frauen. Mir kann keine Frau etwas vormachen.“

      „Erzähle!“

      „Wir dürfen nicht turteln, hast du gesagt. Die Arbeit ruft. Ich habe auch ein Buch mit. Meines ist dicker als deines.“

      „Erzähle von deiner ersten Freundin. Das ist wichtiger als die Wissenschaft.“

      Florian dachte nach.

      „Sie war hellblonder als du. Sie hatte einen richtigen Pferdeschwanz. Auf der niedlichen kleinen Nase hatte sie Sommersprossen.“

      „Wie alt war sie?“

      „Sechzehn. Ich war achtzehn.“

      „Hast du sie geküsst?“

      „Nein. Ich habe ihre Hand gehalten. Das hat mir gereicht. Ich glaube, ich habe sie enttäuscht. Sie konnte ihren Freundinnen nichts erzählen.“

      „Wie lange hast du ihre Hand gehalten?“

      „Ein Jahr. Es war eine schöne Zeit. Ich habe immer an sie gedacht.“

      „Und dann?“

      „Ich bin nach B. gegangen zum Studium. Eines Tages kam ein Brief von ihr. Ich sollte sie nicht mehr besuchen. Ich war sehr enttäuscht. Was ist in ihr vorgegangen?“

      „Vielleicht hat sie einen anderen Jungen kennen gelernt.“

      „Nach mir? Das konnte nicht sein. Nach mir konnte es keinen anderen geben.“

      „Da hast du Recht.“

      „Wie war das mit deiner ersten Liebe?“

      „Unser Deutschlehrer.“

      „Wie war er?“

      „Groß, schlank, dunkel, dichte Augenbrauen, Brille mit dickem Rand, männliche Stimme, trotzdem sehr feinfühlig, konnte Gedichte sehr gut rezitieren. Hatte ein wunderbares Lächeln. Wenn er lächelte, ging die Sonne auf.“

      „Waren alle Mädchen in ihn verliebt?“

      „Fast alle.“

      „Machte dir das nichts aus.“

      „Ich wusste, dass er nur mich liebte.“

      „Habt ihr euch geküsst?“

      „Wo denkst du hin? Er war verheiratet. Aber unglücklich. Er hat nie etwas erfahren von meiner großen Liebe.“

      Sie begannen nun wirklich in ihren Büchern zu lesen. Der Montag rückte immer näher.

      Der Montag wurde ein guter Tag. Sie hielten beide ihre Referate und waren zufrieden.

      Am Abend gingen sie zum Deutschen Theater. Sie wussten nicht, was gespielt wurde, und sie hatten auch keine Karten. Sie bekamen zwei billige Karten auf der Empore der Kammerspiele. Sie saßen nebeneinander und Florian war glücklich. Wieder einer jener seltenen Momente, in denen er wirklich glücklich war. Er sah die junge Frau neben sich. Er sah ihr Profil ganz nahe. Die Strähnen der dunklen Haare, die über der Stirn begannen und hinten in einem Gummiring endeten. Die dunklen Augenbrauen. Die Augen, die ihn manchmal ansahen. Er sah die Menschen neben sich. Manche waren allein. Er war nicht allein. Er war zusammen mit dieser wunderbaren Frau. Keine war so schön wie sie. Sie hatten kein Programmheft. Sie hatten am Eingang gesehen, was gespielt wurde. Sie kannten das Stück. Sie kannten den Dichter. Sie kannten sein Leben und andere Stücke von ihm. Sie kannten einige der Schauspieler. Sie kannten den Namen des Regisseurs. Sie gehörten hierher. Das war ihre Welt. Die Welt der Literatur. Es wurde dunkel. Die Welt des Theaters nahm sie gefangen. Die junge Frau nahm seine Hand, und nun gehörten sie ganz zusammen. In der Pause gingen sie hinunter ins Foyer und besprachen, was sie gesehen hatten. Es gab kleine Unterschiede. Das war selbstverständlich. Am Ende gab es Beifall, und sie gingen hinaus in die milde Nacht mit ihren Lichtern. Sie gingen zu Fuß bis zu dem Haus, in dem die junge Frau wohnte. Sie schloss die große Türe an der Straße auf, und dann gingen sie die Treppe hinauf. Sie blieben die Nacht zusammen und am Morgen gingen sie zusammen weg.

      18.

      Florian saß in der U-Bahn. Er beobachtete die Menschen auf der Bank gegenüber. Wie immer. Er machte das immer so, wenn er U-Bahn fuhr. Ein junger Mann setzte sich gegenüber. Florian sah ihn zunächst nicht genau an. Und dann sah er, dass es sein Freund war. Der sich qualifizierte. Sie sahen sich beide an und mussten lachen. Der Freund stand auf und setzte sich neben Florian. Sie begrüßten sich.

      „Da staunst du, was?“

      „Ja“, sagte Florian. „Ich denke, du qualifizierst dich. In Köthen oder so.“

      „Stimmt. Habe ich gemacht. Jetzt bin ich wieder zu Hause.“

      „Hast du bestanden?“

      „Alle haben bestanden. Kein Problem. Alles alte Hasen.“

      „War es gut?“

      „Das Essen war gut.“

      „Und sonst?“

      „Es ging so. Manche Dozenten waren gut. Andere nicht so.“

      „War am Schluss eine Prüfung?“

      „Es war mehr ein Gespräch.“

      „Und nun?“

      „Ich warte auf die neuen Lehrlinge. Um die kümmere ich mich dann.“

      „Deine Frau ist zufrieden?“

      „Ich denke schon. Was macht deine Neue? Habt ihr?“

      „Wir haben.“

      „Und?“

      „Gut reingekommen.“

      „Hat es ihr gefallen?“

      „Das weiß ich nicht.“

      „Hat sie geschnauft?“

      „Wann?“

      „Am Ende. Nur wenn die Weiber tief atmen, hat es ihnen gefallen.“

      „Ich werde das beobachten.“

      „Warst du aufgeregt? Es war nicht deine erste Frau.“

      „Das erste Mal ist immer etwas Neues.“

      „Hat sie schon viele Männer gehabt?“

      „Ich habe sie nicht gefragt.“

      „Musst du. Frauen reden gern über ihre Liebhaber. Das ist, als ob sie durch eine Galerie gehen.“

      „Hatte deine Frau vor dir viele Männer?“

      „Fünf.“

      „Kennst du die?“

      „Ich kannte drei. Ich muss hier raus. Wir telefonieren.“ Er sprang auf und rannte zur Tür und war verschwunden.

      Florian fuhr weiter. Dann war er auf dem Weg zu Vera. Er hatte sein Schulpraktikum beendet und wartete auf eine Anstellung. Vera ging weiter zu ihren Vorlesungen. Sie waren jetzt abends meist zusammen. Sie sprachen darüber, was sie am Tage erlebt hatten. Und dann zogen sie sich aus und verschwanden unter der Bettdecke. Florian suchte diese Stelle, die genauso feucht war wie bei den anderen Frauen, die er gekannt hatte. Es war nur so, dass diese Frau etwas Besonderes war. Sie sah gut aus, sie konnte denken und war voller Gefühl. Er war sich sicher, dass sie bei ihm bleiben würde. Sie war ein Teil von ihm. Dachte er. Sie probierten Verschiedenes aus. Es kam ihnen ganz normal vor. Es war nichts Ungewöhnliches. Sie sprachen nicht darüber.

      19.

      Sie kannten sich schon mehrere Monate, als die junge Frau mit Florian zu ihrer Mutter fahren wollte. Sie setzten sich in den Zug und fuhren los. Florian fühlte sich gut.