Die Annalen von Naschfuhd; aus den Chroniken von Biglund. Prince Mario Munibert Gulbrand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Prince Mario Munibert Gulbrand
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016062
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schrie man ja nicht einfach so an.

      „Was ist hier los?!“ antwortete König Theobald, drehte sich auf der Stelle um und blickte Albin direkt in sein verdutztes Gesicht.

      „Entschuldigen Sie bitte vielmals, euer Majestät“, sagte Albin schnell und deutete eine Verbeugung an. „Aber ich muss Sie ganz dringend sprechen. Es geht um den Untergang von ganz Biglund.“

      „Habe gerade keine Zeit. In einer halben Stunde habe ich einen Friseurtermin und muss mich darauf angemessen vorbereiten“, sagte der König wichtigtuerisch, drehte sich um und ging weiter den Korridor entlang.

      „Aber der Dorfälteste Baldomir der Dreiundvierzigste schickt mich!“ brüllte Albin.

      Der König und sein Gefolge blieben abrupt auf der Stelle stehen, rührten sich einen kurzen Moment lang nicht von der Stelle und drehten sich anschließend um. Albin hatte urplötzlich ein schlechtes Gefühl in der Magengegend. Die Augenbrauen des Königs fingen langsam an zu vibrieren und seine Lippen kräuselten sich. Anscheinend bereitete ihm das, was Albin gerade durch den Gang brüllte, großes Unbehagen. Er kam ganz langsam und bedrohlich auf Albin zu. Der befürchtete das Schlimmste, doch er hielt dem Blick des Königs tapfer stand, bis dieser keinen halben Meter mehr vor ihm stand und mit erregter Stimme endlich antwortete: „Soso. Baldomir der Dreiundvierzigste sagst du. Wer bist du überhaupt, wenn du von diesem Dorf kommst, von dem man sagt, dass es sich nur durch Sodomie und Inzucht all die tausend Jahre über Wasser halten konnte?“

      Albin fühlte sich etwas beleidigt von diesem König, den er zuvor noch nie leibhaftig gesehen hatte. Und darüber hinaus verbreitete der König während des Aussprechens dieser Worte einen etwas unangenehmen Geruch, der in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem königlichen Odem zu stehen schien. König Theobald der Siebte wirkte bedrohlich. Er musste sicher einer der durchtriebensten und machtbesessensten Könige sein, die es überhaupt einmal gegeben hatte. Das sagte man sich jedenfalls in Albins Dorf, vor allem innerhalb der Kreise des sogenannten gemeinen Fußvolkes. Und nun, da dieser König leibhaftig vor ihm stand, glaubte es Albin aufs Wort. Doch es war immerhin ein König und Albin musste diese Schmach über sein geliebtes Dorf wortlos über sich ergehen lassen. Dem König zu widersprechen wurde schließlich seit dem dritten splinarsaischen Konvent der Grenzdebilen und Inzestösen (einer Versammlung des Königreichs Splinarsa mit beschränkter Gesetzgebungsbefugnis) wahlweise entweder mit der Kastration oder der dreistündigen Kitzelfolter bestraft. König Theobald der Siebte war ein alter und fetter König, der aber weder durch sein Alter, noch durch seine Fettleibigkeit rein gar nichts an seiner durch Machtbesessenheit angetriebenen Energie eingebüßt hatte. Er fackelte nicht lange gegen Widerstände aus fremden, wie den eigenen Reihen und dachte sich ständig neue Möglichkeiten aus, sein Reich und seinen Einfluss zu vergrößern. Darüber hinaus war es ein äußerst selbstverliebter, arroganter und zuweilen großspurig angeberischer König, der seinen Bediensteten ungeheuerlich auf die Nerven ging. Und außerdem war er dumm, grob, aggressiv und beleidigend.

      „Wie heißt du, Junge. Du siehst irgendwie aus wie dieser Adolf“, redete der König weiter und strich sich nachdenklich mit den Fingern durch seinen ungepflegten Drei-Tage-Bart.

      „Euer Durchlaucht, mein Name ist Albin. Und wenn ich seiner Durchlaucht einen unterwürfigen Hinweis geben könnte...“

      „Nein!“ unterbrach ihn der König. „Komm mit, wenn du tatsächlich von Baldomir dem Dreiundvierzigsten geschickt wurdest. Wir unterhalten uns in meinen luxuriösen Audienzräumlichkeiten.“

      Der König wies Albin mit einer unmissverständlichen Handbewegung auf, mitzukommen und schritt nun wieder den Korridor entlang, an dessen Ende sich eine Tür befand. „Luxuriöse Audienzräumlichkeiten, hem?“ dachte Albin und kam ein wenig ins Schwärmen, wenngleich er auch irgendwie ein bisschen Furcht vor diesem König hatte. Er eilte dem König nach.

      Als alle an der Tür am Ende des Korridors ankamen, nahm einer der Gefolgsleute des Königs, dessen Gesicht der Ausstrahlung einer eitrigen Pestbeule in nichts nachstand, einen kleinen Fetzen cyanblauen Stoffes aus einer seiner vielen Manteltaschen heraus, wedelte damit drei Mal an der Tür herum und sprach ein paar Worte in einer fremden Sprache. Dann öffnete sich die Tür. Der König sah voller Stolz und Selbstverliebtheit zu Albin herab und erklärte: „Ich habe einen der besten königlichen Obermagier in ganz Biglund.“ Albin konnte dem nicht viel Glauben schenken, denn sogar er sah bereits einige Zaubertricks, die diesen simplen Türöffnungszauber um Längen geschlagen hätten. Ein erfahrener Magier hätte diesen einfachen Bannspruch mit Leichtigkeit gebrochen und wäre direkt in die Räumlichkeiten des Königs gelangt. Doch der König war mit sich und seiner Leistung so zufrieden, dass er seinen Kopf so schnell und soweit zurück in die Schulter reckte, dass es einen empfindlichen Schmerz im Nackenbereich verursachte. Er stieß einen kurzen Schrei aus und versetzte zur Strafe für die eigene Dummheit seinem Gefolge einen kräftigen Hieb mit dem königlichen Zepter. Dann ging es wieder vorwärts durch die Tür, die in weitere, schlecht beleuchtete Gänge führte.

      Albin fragte sich, warum König Theobald der Siebte seine Räumlichkeiten in so etwas Unspektakulären wie dem städtischen Bürgermeisteramt hatte. Keine Burg und kein Schloss, bei einem König, der selbstverliebter war als alles andere in Biglund? Königliche Räume hinter engen, schlecht beleuchteten Korridoren im Bürgermeisteramt schienen jedenfalls nicht zu dieser aufgeblasenen Person zu passen. Die Antwort darauf lieferte der König selbst, als er während des Voranschreitens durch die Gänge zu Albin sagte: „Ein König braucht kein großes Schloss und keine marmornen Hallen.“ Dabei kam es Albin fast so vor, als wäre eine ungeheure Wehleidigkeit in diesem ausgesprochenen Satz gewesen. „Ich bin ein bescheidener König, der seinem Volke nicht die Last vieler großer Bauten nur für meine Wenigkeit auferlegen will“, sagte er mit einem weiteren Anflug von Wehleidigkeit. Albin vermutete eher, dass es an dem durch die immensen Kriegsausgaben völlig desolaten Haushalt gelegen hatte, dass er sich nunmehr selbst kein Schloss mehr leisten konnte, denn freiwillig hätte dieser König nicht im Traum daran gedacht, auf allen möglichen Pomp zu verzichten, nur damit es seinem Volk besser ginge. König Theobald der Siebte führte schließlich seit über dreizehn Jahren einen absolut sinnlosen Krieg gegen ein kleines Nomadendorf in den Schwefelbergen, welches weder ökonomisch, noch strategisch irgendeinen Vorteil bot, wenn es dem Königreich Splinarsa gehören würde. Durch seine geografische Lage und die Kräfte eines anscheinend sehr fähigen Schamanen war das Dorf jedoch auch mit der modernsten splinarsaischen Kriegsmaschinerie fast nicht einnehmbar. Man sagte sich, dass König Theobald selbst nicht mehr wusste, warum er alles daran setzte, dieses Dorf einzunehmen, aber einem Gerücht zufolge musste es sich um eine verlorene Wette mit einem Kobold handeln, der angeblich die Macht hatte, dem König Schaden zuzufügen, wenn er seinen Wetteinsatz nicht einbrachte. Niemand sollte eine Wette mit einem Kobold eingehen.

      Albin schritt dem König und seinem speichelleckenden Gefolge weiter hinterher und fragte sich langsam, wie viele dieser engen Gänge sie noch durchschreiten mussten, bis sie endlich die luxuriösen Audienzräumlichkeiten des Königs erreicht hätten. Zu allem Überdruss lobte dabei einer der beiden Gefolgsleute, nämlich der, welcher die Tür nicht magisch öffnete und daher wohl nicht einer seiner Obermagier war, den König für die lächerlichsten Dinge, die man sich vorstellen konnte. Dutzende Male erwähnte er außerdem, wie toll der König sei und wie bescheiden und wie gütig und wie großmütig und wie friedfertig und so weiter er auch sei, also genau die Eigenschaften, die er tatsächlich am allerwenigsten verkörperte. Albin hielt sich nach einer Weile die Ohren zu und tat dann schnell so, als hätte er sie sich wegen einem Juckreiz nur gekratzt, nachdem der König sein offensichtliches Desinteresse an der königlichen Größe merkte. Glücklicherweise kamen sie kurz danach in besagten Audienzräumlichkeiten an, die zu Albins Überraschung aus einem einzigen, etwa dreißig Quadratmeter großen Raum bestanden, in dessen Mitte ein Tisch mit zwei gegenüberstehenden, ungleich großen Stühlen stand und an dessen einer Seite daneben sich eine kleine, hässliche Topfpflanze befand. Am Ende des Raumes befand sich eine Tür, die den Zugang zum Schlafzimmer des Königs ermöglichte.

      „Das sind meine Audienzräumlichkeiten“, prahlte König Theobald der Siebte und lud Albin mit einer Geste der Großzügigkeit ein, seine luxuriösen Audienzräumlichkeiten zu betreten.

      „Luxuriöse