Die Annalen von Naschfuhd; aus den Chroniken von Biglund. Prince Mario Munibert Gulbrand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Prince Mario Munibert Gulbrand
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016062
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es gut, ein wenig mehr zu lesen, junger Mann! Gehe zu Theobald. Der wird es dir erklären“, antwortete der Dorfälteste schroff. Und kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, schlief er auch wieder ein.

      Albin blieb wie angewurzelt stehen. „Habe ich das eben richtig verstanden? Ich muss ganz Biglund retten? Ich ganz alleine?“ Albin dachte noch einmal darüber nach und dabei es kam ihm so vor, als ob gerade im Inneren seiner Magengegend ein Flächenbrand tobte. Gleichzeitig erreichte seine Verwirrung ein Niveau, ab dem das Sprechen beinahe unmöglich erscheint, der Mund ungläubig offen steht und lediglich "Ähm"- Laute aus dem Mund kommen.

      Zwei weitere Wachen der Ältestenhalle betraten den Raum und wiesen Albin höflich an, sich schnell und unauffällig aus dem Staub zu machen. Albin folgte brav und verließ das hohe Haus.

      „Ich muss ganz Biglund retten?“ dachte er wieder vor der Ältestenhalle, noch immer im Schlafanzug stehend. Das bedeutete Abenteuer, fremde Welten und vielleicht sogar Reichtum und leichte Mädchen! Also all das, worauf ein typischer Bewohner des Quelldorfes überhaupt keine Lust hatte. Albin war ein typischer Bewohner des Quelldorfes. Er stöhnte und dachte: „Warum muss das eigentlich genau mich treffen und nicht irgendjemand anderes?“ Dann fiel ihm unweigerlich auf, dass der Bürgermeister noch immer vor der Tür stand und wohl auf ihn gewartet hatte.

      „Und, worum ging es?“ fragte er Albin.

      „Ein böser Hexenmeister wurde von seiner Frau verlassen und will nun mit dem Siegel der Macht und den vier Samen der Elemente ganz Biglund in unendliches Chaos stürzen. Und der Dorfälteste weiß das, weil ihm in einem Alptraum eine riesige Wellhornschnecke begegnet ist, die ihm mitteilte, ich sollte den bösen Hexenmeister davon abhalten“, antwortete Albin wahrheitsgemäß.

      „Nun, dann viel Glück“, sagte der Bürgermeister bedeutungslos und verschwand auf der Stelle.

      Albin kehrte unter den missgünstigen Blicken der Dorfbewohner niedergeschlagen wieder zurück in sein Zuhause und frühstückte zu Ende. Er ließ die letzten Geschehnisse noch einmal durch seinen Kopf gehen, hörte kurz mit dem Essen auf und fragte sich plötzlich allen Ernstes, ob er soeben nicht nach Strich und Faden für dumm verkauft wurde. Eine Wellhornschnecke? Adolf? Das konnte doch alles hinten und vorne nicht stimmen. Doch dieser Gedanke wurde im Nu beiseitegeschoben, weil vorsätzliches An-der-Nase-herum-führen im Königreich Splinarsa, zu dem das Dorf an der Bachquelle einschließlich der alten Wassermühle gehörte, außer an Feiertagen strafbar war und auch ein Dorfältester nur an Feiertagen über dem Gesetz stand. „Und heute ist kein Feiertag“, dachte Albin. Also wurde er definitiv nicht veräppelt. Und träumen tat er in diesem Moment auch nicht, denn im Traum konnte man schließlich nicht schmecken, wie gut ein Frühstück ist. Das konnte nur eines bedeuten: Sein Tag war im Eimer, und wahrscheinlich sogar viel mehr als nur ein Tag, denn er hatte noch nicht einmal die geringste Ahnung, wohin er überhaupt musste, nachdem er den König in Braksop um Rat gefragt hatte.

      So einiges stand übrigens im Königreich Splinarsa unter strenger Strafe. Es war unter anderem nicht erlaubt, bei Mitternacht nackt auf einem Pferd sitzend zu angeln oder als männliche und unverheiratete Person einen ausgewachsenen Gnom als Haustier zu halten. Sogar Wirbelstürmen wurde es durch ein königliches Dekret untersagt, an bestimmten Tagen und zu bestimmten Uhrzeiten die splinarsaischen Landesgrenzen zu überschreiten oder sich innerhalb derer plötzlich zu entwickeln. Leider wurde diesbezüglich jedoch nachwievor keine effektive Möglichkeit der Durchsetzung dieses Verbots ausfindig gemacht.

      Albin frühstückte zu Ende und sah noch einmal voller Wehmut aus dem Fenster. Er grüßte dabei die Dorfbewohner, die zu ihm hinübersahen mit einem leichten Nicken, doch diese waren soeben dabei, sich über die Tatsache aufzuregen, dass er wenige Minuten vorher noch lediglich mit einem Schlafanzug bekleidet durch das halbe Dorf schritt und überlegten sich bereits angemessene Formen der Bestrafung für diese Schandtat. Dementsprechend wurde Albins Nicken auch nicht freundlich zurückgegrüßt, sondern allerhöchstens mit einer zur Faust geballten Hand oder einem verächtlichen Kopfschütteln erwidert. Albin machte sich nichts daraus, denn schlimmer konnte es ohnehin nicht mehr kommen. Er ging in sein Zimmer, zog sich ein paar Sachen an, die von der überwiegenden Mehrheit aller sittlich denkenden Dorfbewohner als weitestgehend anständig angesehen wurden und packte ein paar Sachen in seinen Rucksack ein, die für eine unbestimmt lange Reise in ein unbestimmtes Gebiet ausreichen mussten, vor allen Dingen all sein Geld. Dann sah er noch einmal in den Spiegel und sprach sich Mut zu. Sein Spiegelbild machte jedoch nicht so recht mit.

      Damit waren alle notwendigen Vorbereitungen für die Reise getroffen und Albin konnte zu seiner Mutter in die Küche hinuntergehen, um sich bei ihr zu verabschieden. Sie war immer noch mit der Marmeladenzubereitung beschäftigt, als er dort ankam.

      „Mama, ich muss dir etwas Wichtiges sagen“, sagte Albin.

      Seine Mutter drehte sich um und fragte: „Was denn?“

      „Ich muss gehen. Und ich weiß auch nicht, wann ich wieder komme.“

      „Gehst du wieder Pilze sammeln?“ fragte sie und bereitete sich vor, ihm dieses Hobby in einem längeren Streitgespräch wieder einmal austreiben zu wollen.

      „Nein, diesmal nicht. Es ist aber ungeheuer wichtig. Mache dir keine Sorgen, wenn ich auch nach langer Zeit nicht mehr wieder komme. Mir wird es schon gut gehen.“ „Wohin geht es denn?“ fragte Albins Mutter besorgt.

      „Ich gehe meinen alten Onkel Baram besuchen. Er schrieb mir einen Brief und meinte, er hätte neues Rauchkraut geerntet“, log Albin. Sein Onkel Baram wohnte einige Tagesmärsche weit weg vom Quelldorf.

      „Na gut, aber dass du mir ja nicht wieder zu viel rauchst“, mahnte seine Mutter. „Du weißt ja, das ist ungesund.“

      „Ja, Mama!“

      „Hast du alles eingepackt, was du brauchst?“

      „Klar. Sag Papa einen Gruß von mir und meinem Chef, dass ich eine Weile weg bin und Urlaub mache. Ich muss jetzt so schnell wie möglich gehen.“

      Mit einer letzten Umarmung verabschiedete sich Albin von seiner Mutter und verließ das Haus. Die lange Reise konnte beginnen.

      Albin machte sich auf den direkten Weg nach Braksop und verließ das Quelldorf, an dessen Dorfrand bereits der sagenumwobene und für die Dorfbewohner verwunschene Nebelwald lag. Es war ein geheimnisvoller, beinahe mystischer Ort, an dem die Dorfkinder aufgrund seiner geheimnisvoll mystischen Art nicht spielen durften. Albin war bereits einige Male dort, um eine bestimmte Sorte Pilze zu suchen, die im Verdacht standen, das Bewusstsein zu erweitern. Doch diesmal war er auf einer heiligeren Mission und gönnte sich diesen Luxus ausnahmsweise nicht. Stattdessen überquerte er ohne Umschweife die sogenannte große Vogelwiese, die sich zwischen dem Nebelwald und Quelldorf befand und setzte auf dem beschilderten Wanderweg den ersten Schritt in den Wald hinein.

      Albin kannte selbst den Weg nach Braksop, wo König Theobald der Siebte thronte. Er führte auf der kleinen Straße geradewegs durch den Nebelwald, der sich genau zwischen den beiden Städten befand und seine Heimat, das Oberland, vom Unterland trennte. Vor einem musste er sich dort jedoch sehr in Acht nehmen, nämlich vor den grasgrünen Warzas, einer höchst merkwürdigen Lebensform, die sich nur im Nebelwald aufhielt und sogar die großen Bauernaufstände zu Beginn des neuen Zeitalters, die sich größtenteils am und im Nebelwald abspielten, ohne nennenswerte Verluste überlebte. Der gemeine grasgrüne Warza war genauer gesagt ein sehr widerspenstiges, oval geformtes, äußerst seltsames Wesen, das einfach alles und jeden unverhofft mitten ins Gesicht oder an jede andere erdenkliche Körperregion sprang. Albin sorgte für diesen Fall vor, indem er sein altes Vierkantholz von Zuhause mitnahm. Er hielt es schlagbereit in der rechten Hand, als er den ersten Schritt in den Nebelwald wagte.

      Viele unbedenklich schwache und völlig ungefährliche Tiere befanden sich direkt vor ihm, an der Schwelle zum Nebelwald, doch das würde sich mit jedem Markierungsstein, an dem er vorbeizog eine ganze Spur ändern können. Albin schritt den Weg entlang, der nach Braksop führte und war dabei in ständiger Kampfbereitschaft. Jedes noch so hinterhältige Knistern, jedes noch so verräterische Zucken hätte für dasjenige, was da so hinterhältig zuckte oder verräterisch knisterte, mit einem ordentlichen