Das Medaillon. Brian Micklisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Brian Micklisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847687559
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hab keine Furcht!” Manala hatte ihren alten Platz eingenommen.

      Meldon erhob sich und schaute gebannt auf das schwarze Ross, das aus dem Schatten stieg. Die schwere Rüstung schimmerte nicht. Sie wurde getragen als sei sie aus feinster Seide, so stark war das Tier. Die lange, dunkle Mähne ließ an manchen Stellen die bedrohlich und zugleich tödlich blitzenden Augen freie Sicht auf Meldon. Der aber schenkte dem Tier keinerlei Beachtung mehr, denn auf dessen Rücken saß Ammon.

      “Sei gegrüßt, großer Bruder. Was treibt dich denn so weit abseits der Jagd?”

      “Ich nehme nie daran teil. Mein Wille beugt sich dieser Tradition nicht!”, antwortete Meldon.

      “Kannst du mir sagen, welches Volk einen König ehren soll, der alte Traditionen nicht schätzt und kein Tropfen Blut vergießen kann?”, forschte Ammon ihn an.

      “Besser als ein König der schon zu viel Blut vergossen hat. Was treibst du abseits der Jagd, wo du doch so gut vorbereitet scheinst?”, versuchte Meldon ihn zu besänftigen.

      “Ich führe meine eigene Jagd!”, sagte Ammon, ohne auch nur ansatzweise das vernarbte Gesicht zu verziehen. Er zog sein Schwert. Ein Hauch von Furcht überkam Meldon, doch er musste handeln. Blitzschnell führte er seine Hand an den Mund und ein schriller Pfiff entfuhr ihn, der hörbar sämtliche Vögel aus den Baumkronen fliehen ließ. Sogar Bagad, der sich weit entfernt befand, vernahm das Geräusch, da er es noch aus alten Zeiten von Meldon kannte und so wusste er, dass er sein Pferd rief.

      Bagad fühlte keine Not und konzentrierte sich weiter auf den Ramben, der vor ihm einsackte und kreischend zu Boden ging.

      Meldon entfuhr ein trotziges Lachen, was Ammon fast zur Weißglut trieb. Plötzlich ging alles ganz schnell. Aus dem Gebüsch hinter Ammon schoss Abrog hervor. Das Ross erschrak und ließ seinen Herren fast aus dem Sattel fallen, nachdem ihn Abrog‘s vorbeiziehender Windstoß traf. Meldon erkannte die Situation und krallte seine Hand an den Sattelriemen seines Hengstes, so dass dieser ihn mitriss. Er konnte sich gerade noch in den Sattel ziehen und sicheren Halt finden, bevor Ammons Schwert ihn traf, denn das Schlachtross hatte seinen Schrecken überwunden und folgte Abrog. Der Verzicht auf schwere Rüstungen zahlte sich für Meldon aus, und er erkämpfte sich einen kleinen Vorsprung.

      Die Gegenden wurden dunkler. Hier und da schimmerten zwischen den vorbeiziehenden Baumstämmen schwach grün- leuchtende Elfen hervor, wobei sich Meldon nicht sicher war, ob es nicht doch neugierige Blicke der Sknavs waren, die jederzeit über ihn herfallen würden. Ammon, der die Beobachter nicht vernahm, hätte es sicherlich gefallen seinen Bruder so enden zu sehen. Seit Lebzeiten hat er auf den passenden Moment gewartet sein Dasein zu beenden, denn er sah nur sich auf den Thron Erkals. Dieser Wahn ließ ihn nicht vom Weg abkommen und er konnte den flinken Tritten Abrog‘s folgen. Sein Blick war jederzeit auf Meldon gerichtet, er wollte ihn nicht aus den Augen verlieren und er erkannte, dass sein Bruder langsam dem Schatten entkam.

      Beide jagten in die Helligkeit und der Waldrand kam auch für Ammon immer näher. Meldon hatte die letzten Baumgruppen bereits hinter sich gelassen. Doch plötzlich war er verschwunden.

      Ammon traute seinen Augen nicht. Er zügelte sein Ross und erreichte die Stelle, wo er Meldon zum letzten Mal gesehen hatte. Vor ihm tat sich das Tal der Sknavs auf und von weitem schon bestaunte Ammon die Höhlen der Tiere, die sich im Inneren des Gebirges wie ein Irrgarten schlängelten.

      Direkt unter seinen Füßen führte ein Abgrund ein Stück weit in die Tiefe und nun wusste er wo der zukünftige König sich befand. Ammon genoss den Anblick, der sich ihm bot. Sein Bruder lag regungslos auf dem Boden, sein Kopf in den staubigen Sand gedrückt. Er vernahm nicht das kleinste Lebenszeichen. Abrog schnüffelte an seinen Herren und stupste ihn mehrmals an, doch nichts tat sich. Allein Ammon zeigte keine Reaktion ob des Opfers und beobachtete nur das Geschehen.

      In Gedanken versunken sah er sich in der ewigen Halle sitzen, stolz und mächtig in den goldenen Thron gepresst. Vor ihm die tapfersten Soldaten des Landes, die sich der Ehre erfreuten die Aufständischen aus Krokas hinzurichten. Sirrende Schwerter gingen durch die Luft und Massen von Blut platschen auf den Boden. Ammon fühlte sich stolzer denn je in den goldenen Sitz und er spürte die Anwesenheit einer Person in seinem Rücken. Er wendete den Kopf und blickte einzig und allein auf den riesigen alten König, mit dem er sich verbunden fühlte. Er stand auf, watete durch die Blutlachen und Gedärme, die den Boden verschwinden ließen und entfernte sich von dem normal gewordenen Spektakel. Es zog ihn in den Verbotenen Wald.

      Zurück in der Realität, beobachtete er, wie Abrog von Meldon abließ, erschrocken hochfuhr und aufgebracht nach Westen nickte. Ammon schaute ebenfalls in die Richtung und Teile der Gebirgswände schienen sich zu bewegen.

      Lautes Geheul erschallte aus den Randen. Abrog‘s Ängste trieben ihn zur Flucht und er wehte entlang des Abgrunds nach Süden. Ammon zweifelte an seiner Wahrnehmung. Den Tod vor Augen erhob sich Meldon vom blutbefleckten Boden, während Scharen von Sknavs heranstürmten um ihn zu zerfetzen. Meldon vernahm das Geheul, öffnete leicht die Augen und bemerkte, wie er sich langsam in die Luft erhob.

      “Vertrau uns!”, flüsterte Manala.

      Sie erreichten die Höhe von der Meldon zuvor stürzte. Er erkannte Ammon, der wie zu Stein verwandelt dastand und seinen fliegenden Bruder bestaunte.

      ”Wir werden uns wieder gegenüberstehen Bruder!”, rief Meldon mit einen lächerlichen Tonfall, bevor er hinter den Baumwipfeln verschwand. Doch er hatte zu viel Kraft gelassen und die erneute Bewusstlosigkeit suchte ihn heim.

      Ammon hatte versagt. Der Plan Meldon abseits der Jagd unauffällig zu beseitigen ist fehlgeschlagen.

      Er schaute auf die Sknavs, die sich im Grund tummelten, ihre langen scharfen Zähne nun nach ihm fletschten, aber dennoch hat sich ihre Mordlust für Ammon nicht ausgezahlt.

      Er war sich sicher, dass Meldon nach seiner Flucht nicht nach Krokas zurückkehren würde, da, so erklärte er sich es, die Rivalität seines Bruders als König nicht vorteilhaft wäre und früher oder später zum Aufstand führen könnte. Außerdem würde Meldon nicht noch einmal sein Leben so leicht aufs Spiel setzen. Mit diesen beruhigenden Gedanken kehrte Ammon um und machte sich auf den Weg zurück zur Jagd.

      Nach etlichen vorbeiziehenden Bäumen kamen die Rufe der jagenden Menschen immer näher. Er durchbrach die Wände aus Grün und erreichte die Palisaden der Jäger. Ammon hielt Ausschau nach seinen Gefolgsleuten, die einen ganz besonderen Auftrag erhalten sollten. Nach einer Weile des Suchens fand sein befehlendes Wort Gehör.

      “Horcht genau zu. Meldon ist mir entwischt. Er befindet sich im Norden, aber noch im Wald. Sucht ihn und bringt ihn mir. Lebendig!”

      Mit hämischen Grinsen machten sich die Jäger auf den Weg.

      “Und enttäuscht mich nicht!”

      Das Grinsen verblasste, als durch Ammons letzte Worte die Dringlichkeit dieses Auftrags übermittelt wurde. Die Diener verbeugten sich und verschwanden im Gebüsch um die Spurensuche zu beginnen. Ammon ritt los, um wieder zur Jagd zurückzukehren. Und niemand hatte bemerkt, dass er jemals nicht daran teilnahm.

      Merna nahm einen großen Schluck aus der mit Wasser gefüllten Kanne. Mehrmals schon an diesem Tag musste sie aus dem Brunnen im Hof frisches Wasser holen, die Hitze in Krokas ließ die Kehlen trocknen und den Fleiß bei den anfallenden Arbeiten sinken. Ihren Teil für die Feierlichkeiten des Abends erledigt, verschwand sie danach in ihren Räumen und versuchte mit dem vorhandenen Wasser gegen den Durst zu kämpfen. Seltsame Gedanken umwoben ihren Geist. Gedanken der Verlorenheit, des Schmerzes und des Todes. Niemals hätte sie zustimmen sollen Meldon mit zur Jagd reiten zu lassen. Sie weiß, dass er kein Jäger ist, nur mitreitet wegen seines Vaters Willen und niemals einen Ramben oder sonst irgendein Geschöpf aufgrund Traditionen verfolgen und töten könnte. Ihr mulmiges Gefühl als der Tross die Stadt verließ, hatte inzwischen ihren gesamten Körper erobert, ihren Kopf, ihre Arme und Beine und ihr ungeborenes Kind. Meldon würde Augen machen und überglücklich sein wenn er es erfährt, doch zurück fiel ihr Gedanke, dass sie ihn niemals hätte gehen lassen dürfen. Der Thronerbe wird Vater, niemanden