Doch auch er musste den lauten Rufen der Hörner Folge leisten und Vorbereitungen für die Jagd treffen. Merna hatte schon die vielen Leckereien, die sie mitgebracht und zum Teil auch verzehrt hat, in ihren Flechtkorb verstaut, als sie ein leichtes Kribbeln an dem im Wasser hängenden Fuß spürte. Es folgten sanfte Streichler, die sich den Weg an den Beinen entlang an die Wasseroberfläche bahnten. Langsam stieg Meldon aus dem Wasser empor und gab Merna einen zärtlichen Kuss, der seine Liebe ausdrückte.
“Schön, dass ich dich wieder bei mir habe. Du hast mir gefehlt, doch nun ist mein Herz wieder in voller Freude.”
Merna erwiderte sein glückliches Lächeln.
“Doch nun müssen wir uns auf den Weg machen. Du weißt wie dein Vater reagiert, wenn etwas Unvorbereitetes geschieht und seine Freude auf die Jagd trübt. Die Hörner haben längst gerufen”, sagte sie in voller Eile, als sie auf ihr Pferd stieg.
Zuvor hatte sie Meldon ihren Korb vor die Nase gehalten und er bedankte sich dafür mit einem verzehrten Gesicht. Sie lachte leise und ritt los. Meldon folgte ihr auf Abrog, einem stolzen dunkelbraunem Hengst, der des einen Königssohnes würdig war.
Abrog konnte den schnellen Tritten des Vorderpferdes nicht folgen, da sein Herr nasse Kleidung trug und der restliche Inhalt des getragenen Korbes bei der Ankunft noch vollständig sein sollte. Merna liebte solche Spiele.
Meldon folgte mit seinen Blicken den aufgewirbelten Sand, der die näherkommende Stadt verdeckte, und ließ Merna ihren Spaß.
Nach einer Weile kam er auf eine riesige Wiesenlandschaft, wo nur vereinzelt Büsche und Baumgruppen standen. Sie reichte im Norden bis an den kleinen Wald und wurde dort nur selten von Feldern und Plantagen unterbrochen. Diese Landschaft wurde Ebene von Kalisien genannt und wurde auch schon so vorgefunden, als sich die ersten Menschen hier ansiedelten und dieses Land Erkal nannten. Damals bildete sich auf einer Insel eine Ansiedlung von Häusern, die sich bis zur Hauptstadt Krokas entwickelten. Seit jeher fand die Burg des Königs auf der sicheren Insel Platz, was viele Kaufleute und Bauern anzog, die ihr Glück in der blühenden Handelsmetropole suchten. Wackelige Laufstege wichen hölzernen, breiten Zugbrücken, die nach Errichtung der hohen, starken Mauer, die fast bis ins Wasser reichte und die gesamte Insel umlief, die einzige Verbindung zum Land waren.
Viele Schlachten wurden an den mächtigen Mauern und der tiefen Strömung des Krokassel gewonnen. Doch da die Letzte schon über zwei Dutzend Sommer zurücklag, hat sich die Stadt auf über das zehnfache ausgedehnt und das bunte Treiben stark zugenommen. An den Gewässern entwickelte sich ein ausgedehntes Hafengebiet, was den Handel mit den südlichen Ländern und somit den Reichtum ermöglichte. So hat sich Krokas zur wohlhabendsten Stadt des Landes entwickelt.
Meldon erreichte die ersten Häuser, die den Weg säumten. Schnell wurden die Gebäude dichter und ließen nur viele irreführende Gässchen und eine große Straße frei, die direkt auf die imposante Insel zuhielt. Meldon ritt zügig vorbei an den geselligen Geschäftstreiben, vorbei an gut gefüllten Gaststuben, wo einmal ein Trunkenbold sich aufmachte Abrog‘s Weg zu kreuzen und laut grölte. Niemand verstand ein Wort aber alle lachten laut als er stolperte und auf die Nase fiel. Lallend erhob er sich und suchte wackeln den Weg zurück in die Gaststube.
Als Meldon das Hafenviertel erreichte, überwogen laute Marktschreier und Verkaufsstände das Geschehen. Die verschiedensten Anbieter lockten die Bewohner mit ihren reichgefüllten Warenkörben und die Käufer ließen sich natürlich ob der guten Qualität nicht lumpen. Auch Merna hatte sich bei diesem Angebot vor dem Verlassen der Stadt ihren Korb gut gefüllt. So gut, dass Meldon‘s Arm von leichten Krämpfen heimgesucht wurde, als er der Zugbrücke immer näher kam. In ihm kam die Frage hoch, wie Merna diese Last nur hatte tragen können, aber es verwunderte ihn nicht, denn er war zuvor viel geschwommen und einige Kraft gelassen.
Gerade als er anfing an seine alten Freunde zurückzudenken, krachten Abrog‘s Hufe auf das harte Holz der Brücke. Meldon hatte das Hafenviertel hinter sich gelassen. Vor ihm, imposant und mächtig, stand nun in voller Größe die unüberwindbare Mauer, durch dessen offenes Tor er ritt. Wieder auf festem Boden tat sich nach dem äußeren Ring die eigentliche Stadt auf. Meldon ritt auf den riesigen Platz, der genau auf der Mitte der Insel für Festlichkeiten oder andere Anlässe genutzt wurde.
Sofort befand er sich in einer Menge von Reitern, die sich bereits für die Jagd rüsteten, um ein besonders gutes Ergebnis zu erlangen. Der Glanz der frühen Morgensonne schimmerte leicht auf den vielen glatten Lederwesten, denn die Jagd, die seit dem Ende der großen Kriege stattfindet, wird nicht veranlasst wegen gerissenen Wölfen oder unberechenbaren Sknavs, sondern aufgrund der sonst so elegant und wunderschön anzuschauenden Rasse der Ramben, um die nördliche Ernte zu sichern. Schon oft musste der Teil des Volkes, der sich den gehobenen Handel nicht leisten konnte der Ramben wegen Hunger leiden und die Vertreibung dieser Rasse wurde so zu einer großen Festlichkeit des Jahres.
Meldon durchritt die Menge und Abrog‘s Sinne führten direkt zu einem alten Freund. Er sprang vom Pferd und konnte seine Begeisterung kaum zurückhalten.
“Bagad, alter Freund”, rief er und auch das sonst so kalte und steinerne Gesicht des Gastes überfiel ein lautes Lachen.
Die Beiden umarmten sich lange.
“Seit scheinbar ewigen Zeiten waren wir getrennt. Du bist mir wie ein Bruder und deine Anwesenheit ist mir sehr teuer”,
“ Ja”, antwortete Bagad in einer tiefen Stimme, dessen Besitzer stolz und selbstbewusst zu sein schien. Seine Rüstung war von besonderen Markierungen verziert, die von alten Zeiten und großen Helden deuteten, dennoch war Bagad etwa im selben Alter wie Meldon.
“Du weißt, dass die Sauberkeit und Verteidigung der Stadt Brosa mir eine besondere Ehre ist. Und für die Ehre, mein lieber Meldon, gibt ein guter Soldat auch sein Leben. Truppen befehligen und Taktiken zu studieren ist das Größte. Doch heute Abend nach der Jagd, mein Bruder, lass uns all das Verbrechen vergessen...”,
“...und einfach nur trinken!”, konterte Meldon und die Freunde fielen in erneutes Gelächter.
Zwischen den Soldaten bildete sich eine kleine Gasse, die als Weg für Merna galt. Die Menge wollte ihr nicht zumuten ihren Körper durch die selbige zu drücken und vielleicht wollte jeder einen freien Blick erhaschen.
“Meldon, mein goldener Stern des Morgens.” lächelte sie, “schön dass du endlich da bist. Dein Vater verlangt sofort nach dir.”
Die Liebenden gaben sich einen kleinen Kuss und Meldon machte sich auf den Weg.
“Dann bis heute Abend, Bagad.” Der erwiderte den Wink und machte sich weiter daran das Geschirr seines Pferdes zu festigen.
Meldon umkurvte die menschlichen Körper, bis er die Häuser erreichte, die den kurzen Weg zur Königshalle säumten. Er huschte durch die engen menschenleeren Gassen, denn es schien, dass beinahe das gesamte Volk der Insel bereits versammelt war und die Bürger von außerhalb würden noch dazu stoßen, dessen war er sich sicher. Seine Beine waren schnellen Schrittes und prompt stand er vor der uralten holzbeschlagenen Flügeltür, hinter der sein Vater saß. Mehrere vertraute Soldaten des Königs öffneten das Tor und ließen Meldon mit einer tiefen Verbeugung passieren.
Vor ihm tat sich die von außen so klein wirkende imposante Halle auf. Meldon‘s Füße glitten über den glänzenden, fast leuchtenden Marmor, aus dem die Halle zu bestehen schien. Zu beiden Seiten standen menschengroße Abbilder früherer Könige und geradezu hinter dem Thron eine riesige Statue des größten und tapfersten Königs, der jemals in Erkal regierte. Vor knapp zwei Dutzend Jahren wurde diese besondere Statue gefertigt und aufgestellt, in Andenken an Meldon‘s Großvater und des jetzigen König Elosons Vater, der damals spurlos verschwand.
Gerüchte sagen, dass seither ein böser Geist den an Erkal grenzenden Verbotenen Wald regierte und nicht wenige flüsterten, dass der damalige König selbst sein