„Heiß hier, was?“, rief er mir zu und tränkte mich in seiner Bierfahne. Seine Hand landete auf meiner Hüfte, wo seine Finger sofort ein Stück nackte Haut fanden. Normalerweise hätte er sich binnen Sekunden winselnd auf dem Boden gewunden, aber ich wollte wissen, was Sam tat.
„Ja, gewaltig heiß!“, gab ich also zurück und ließ die Hand des Typen, wo sie war. Er tanzte sich dichter an mich heran und begann, auf Körperkontakt zu gehen. Er schob ein Bein zwischen meine Schenkel und versuchte, mich in seinen Tanzrhythmus zu ziehen. Mein Blick kreuzte den von Sam. Da war er auch schon an meiner Seite, legte den Arm um mich, zog mich von dem anderen weg und küsste mich voll auf den Mund. Etwas in mir explodierte. Sterne tanzten vor meinen Augen. Ich spürte seine Zunge auf meinen Lippen und erwiderte den Kuss stürmisch. Ich spürte, wie er sich an mich krallte und unterdrückt stöhnte. Wir pressten uns aneinander, küssten uns weiter und schoben uns die Hände unter die Shirts, während rund um uns die Partygäste tanzten und die Musik dröhnte. Ein Zurück war nicht vorstellbar. Eng umschlungen drängten wir uns an den Rand der Tanzfläche, stolperten die Stufen hinauf und Richtung Ausgang. Die Aula lag wie ein glitzerndes Ufo in der dunklen Uni. Wir bogen in einen dunklen Gang ein, weg von dem Licht und den Leuten. Die Seminarräume waren verschlossen. Wir blieben auf dem Gang stehen und küssten uns. Seine Hände schoben mein Shirt in die Höhe und fanden meine Brüste. Schnell hatte er meinen BH aufgehakt und sie befreit. Ich stöhnte in seinen offenen Mund, während ich mit seinem Gürtel kämpfte. Er half mir und schob erst seine, dann meine Hose hinunter. Aus meinen Boots kam ich ganz leicht, indem ich sie mit den Fußspitzen an der Ferse lockerte, und aus ihnen ausstieg.
Wir rieben uns aneinander, streichelten und küssten uns, flüsterten Dinge wie „Sei leise“ und „Wir sollten aufhören“ und „Was, wenn jemand uns überrascht?“, bis wir dann aufhörten zu reden, weil es keinen Sinn hatte. Er legte seine Hände um meinen Hintern, hob mich hoch und drückte mich gegen die Wand. Mit dem Fuß streifte ich die Hose ab, die nun nur noch an einem Knöchel hing. Ich schlang die Beine um ihn, klammerte mich fest und spürte, wie er in mich eindrang.
Keine zwei Minuten später war alles vorbei. Der Rausch verging und ließ uns erschöpft, verschwitzt und mit Muskelkrämpfen zurück. Wir lösten uns voneinander und zogen uns wieder an. Hand in Hand gingen wir zurück in Richtung Party, und hinaus aufs dunkle Uni-Gelände. Die Nacht war kühl und erinnerte uns daran, dass wir unsere Jacken an der Garderobe abgegeben hatten. Wir setzten uns auf eine steinerne Beetumrandung und schwiegen.
„Das darf nicht mehr passieren“, sagte Sam irgendwann. „Ich fühle mich schrecklich.“
„Kann ich verstehen. Deine Freundin krank daheim, und du betrügst sie auf einer Uni-Party...“
„Genau. Super. Vielen Dank.“ Er kickte einen Stein weg, der klickernd in der Dunkelheit verschwand.
„Tut mir leid“, flüsterte ich.
„Mir nicht. Und das ist das Problem. Anna, ich habe das Gefühl, ich hätte mein Leben lang nur auf dich gewartet.“
Ich sah ihn an. „Machst du Schluss?“
Er seufzte und presste die Fäuste gegen die Stirn. „Ich weiß nicht. Ich muss nachdenken.“
„Tu es nicht“, sagte ich. „Mach nicht Schluss. Du würdest es bereuen. Nicht wegen eines One-Night-Stand – der noch nicht mal eine ganze Nacht gedauert hat. Du weißt überhaupt nichts über mich... und ich kann im Augenblick keine feste Beziehung eingehen.“
„Warum nicht?“ Ich kramte mein Handy aus der Tasche, rief die SMS auf und gab es ihm.
Ich weiß, wo du wohnst.
„Scheiße“, sagte er. „Was soll das sein? Eine Drohung?“
„Danach sieht's aus, oder?“
„Aber warum? Und wer? Ein ehemaliger Lover?“
„Nein. Jemand, mit dem ich Stress hatte... früher. Ich dachte, er hätte mich aus den Augen verloren, aber scheinbar doch nicht.“
„Und was machst du? Gehst du zur Polizei?“
„Nein. Simsen ist nicht strafbar. Aber es kann sein, dass ich aus Frankfurt weggehe. Ich will nicht, aber vielleicht ist es besser. Für alle.“
„Das ist ein bisschen verfrüht, wegen einer SMS, findest du nicht?“
Ich atmete tief die kühle Nachtluft. „Ich weiß es nicht. Wenn es der Typ ist, an den ich denke, kann ich nicht früh genug weit weggehen. Andererseits wird er mich überall finden.“
„Und was will er von dir?“
„Ich weiß es doch nicht, Sam. Vielleicht reicht es ihm, mir Angst einzujagen.“
Sein Blick haftete auf mir. „Du erzählst mir nicht die Hälfte von dem, was du weißt, oder?“
„Ja. Und das ist auch richtig so. Ich kann dich unmöglich da hinein ziehen.“
„Aber...“
„Nein!“ Ich bellte ihn geradezu an, und er zuckte zurück.
„Ist ja gut. Denk nur bitte daran – wenn du Hilfe brauchst, bin ich da.“
„Ja. Danke.“ Wir schwiegen und starrten in die Dunkelheit. Wir hatten beide keine Lust mehr auf die Party. Als uns kalt wurde, holten wir unsere Jacken, gingen zum Auto und fuhren heim.
Die nächste SMS kam, als Sam gerade Alexas Tür leise hinter sich geschlossen hatte.
Und? Hat er's dir ordentlich besorgt?
8. Kapitel
Bedburg, Spätsommer 1589
«Wir werden sterben.»
Der Frühling war vorbei, der Sommer auch schon, und Katharina war immer noch da. Hauptsächlich, weil sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte. Seit dem Winter war es etwas erträglicher geworden. Peter war oft tagelang unterwegs gewesen. Wenn er zuhause gewesen war, schlief er, und wenn die Lust ihn überkam, hatte er sich an Sibil vergangen. Katharina ließ er zumeist in Ruhe.
Der Schlächter ging immer noch um. Tote Dörfler, Gerber, Köhler, totes Vieh. Man wusste nicht, wo er als nächstes zuschlagen würde. Ein Wahnsinn wäre es gewesen, hätten zwei alleinstehende Frauen versucht, sich durchzuschlagen. Doch vielleicht hatten sie zu lange gewartet.
„Wir werden sterben“, flüsterte Sibil. „Wir werden sterben.“
„Sei still, dummes Balg! So schnell stirbt es sich nicht.“ Katharinas Stimme klang heiser. Sie fühlte sich elend. Ihr Körper war völlig ausgetrocknet, und sie konnte an nichts denken als an Wasser. Am Anfang hatten sie noch versucht, zu entkommen, aber Peter hatte die Fenster von außen so gründlich vernagelt, dass die Frauen sich ohne Werkzeug nicht ins Freie arbeiten konnten. Außer einigen dünnen Sonnenstrahlen, die durch Spalten im Holz kamen, gab es kein Licht in dem Raum. Katharina überlegte, wie lange sie nun schon in der eigenen Hütte gefangen waren. Ein Tag? Zwei? Zwischendurch hatten sie geschlafen, aber Durst und Hunger hatten sie wieder geweckt. Sie hatten Stroh in einer Zimmerecke zusammengekratzt und zum Pinkeln verwendet. Und jetzt verlor Sibil die Nerven.
Mühsam stand Katharina auf und hinkte im Raum hin und her. Sibil hatte nicht ganz unrecht. Bei der letzten Begegnung mit Peter war auch Katharina der Überzeugung gewesen, nun ihrem Schöpfer gegenübertreten zu müssen. Er hatte sie nicht nur vergewaltigt, zum ersten Mal seit Wochen, sondern auch geschlagen, bis sie das Bewusstsein verloren hatte. Seitdem war ihr Körper grün und blau, ihr Gesicht verschwollen, sie konnte ihre linke Hand nicht richtig gebrauchen und es quälten sie Schmerzen bei jedem Atemzug. Schmor in der Hölle, du Ausgeburt des Satans, dachte sie. Verrecke da draußen im Wald. Die Wölfe