Die Wächter. Elisabeth Eder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabeth Eder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847647171
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Schloss zu, konnte sich nicht mehr stoppen. Das Blut rauschte mit der Entschlossenheit in seinen Adern. Er musste die Gefahr besiegen, die in dem Schloss lauerte! Angst verwandelte sich in Stärke, Mutlosigkeit in Entschlossenheit. Sein Herz trommelte immer lauter, es hörte nicht auf, drohte zu zerspringen –

      Er schreckte aus dem Schlaf. Über ihm donnerte der Regen gegen die Holzbretter. Eisiger Wind fuhr heulend durch die Straßen und zischte zwischen den Dachziegeln. Unruhig stand er auf, sein Herzschlag beruhigte sich langsam.

       Die Kälte und Feuchtigkeit kroch zwischen die Dielen. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er durch das Loch im Boden. Die Holzbänke und Schemel unter ihm waren vom prasselnden Regen ganz dunkel geworden, der Staub fortgewaschen, Rinnsale bildeten sich und flossen zu Lacken zusammen. Der Innenhof war in einem trostlosen Grau versunken, nur schemenhaft konnte Kai den Brunnen erkennen.

       Aber sein Blick blieb nicht an den grellen Blitzen hängen, die draußen zuckten und für kurze Zeit die ärmlichen Stadtviertel erhellten. Sein Blick ruhte auf den Dielen. Schwaches Licht drang von unten hinauf, durch einen Spalt konnte Kai einen Mann erkennen, der unter ihm vorbeiging, dann war er verschwunden.

       Eiseskälte legte sich über seinen Magen und schien ihn zu einem Klumpen zusammenzufrieren.

       Wer war das?

       Unsicher stieg Kai die Stufen hinab, darauf bedacht, nicht auszurutschen. Das Rauschen des Regens wurde lauter. Kalte Tropfen trafen ihn wie Steine im Gesicht und durchnässten seine Kleider. Er presste sich gegen die Wand und schlich zur nächsten Treppe. Der Wind heulte und änderte kurz die Richtung, sodass ein stetiges Pfeifen zwischen den Dielen herrschte, das Kai fast alle Nerven raubte.

       Dann hörte es auf. Der Sturm heulte leiser.

       „Wir waren in Phyan, Ania. Dort herrscht Krieg. Es ist die Tote Ebene geworden, das weißt du! Keiner von uns ist mehr da“, drang eine Männerstimme zu ihm hinauf.

       Kai kniff die Augen zusammen. Was redete er da? Ania war mit ihnen verbündet? Was war mit Phyan?

       Das war doch die Kriegsinsel, wo Menschen und Elfen ständig miteinander kämpften. Ganze Armeen wurden jeden Tag zunichtegemacht, es war das „Zwischenland“, wie man es nannte. Die Länder waren in einem umgedrehten C geformt, soweit er wusste. Ein großer Gebirgszug an einem dünnen Landteil trennte das Elfenreich im Norden von Cinta, dem Menschenreich im Süden. Dazwischen lag noch, im weiten Ozean, Phyan. Früher hatten da wichtige Treffen stattgefunden, zwischen den verschiedenen Ländern, es war eine Insel des Verbundes gewesen, doch jetzt starben dort täglich Lebewesen in wilden Schlachten, seit König Zoltan den Elfen und Zwergen den Krieg erklärt hatte.

       Was hatten diese Leute dort zu schaffen gehabt? Wer von ihnen hätte dort sein sollen? Und was hatte Ania damit zu tun? Wieso hatte sie ihm nichts von den Gästen erzählt?! „Das weiß ich nur zu gut“, sagte Ania geduldig. „Aber es hilft nichts, wenn wir deswegen kämpfend durch die Stadt ziehen.“ „Wir ziehen nicht durch die Stadt!“, widersprach der Mann, während Kais Neugierde wuchs. Was ging hier vor? Eine Verschwörung gegen den König? „Wir brauchen nur Zugang zu der großen Bibliothek!“ „Du denkst also immer noch ernsthaft, dass das Buch in der Bibliothek ist?“ Anias Stimme triefte vor Sarkasmus. „Natürlich wird Zoltan ein geheimes Buch über Phyan und dessen tiefste Geheimnisse, in dem die Vernichtung von einem der mächtigsten, alten Krieger aufgeschrieben steht, in der öffentlichen Bibliothek aufbewahren und nicht in seiner Burg, streng bewacht von Soldaten!“ „Wir haben verlässliche Quellen“, sagte der Mann. Wieder zuckte ein Blitz vom Himmel. Kai fuhr zusammen und schlang die Arme enger um den Körper, da ihm zunehmend kälter wurde. Im Donnergrollen, das darauf folgte, war nicht viel zu hören. Als die Leute unten wieder sprachen, waren sie beim nächsten Thema. „Du meinst, diese Diebe können uns dabei helfen?“, fragte der Mann skeptisch. Ania kicherte: „Natürlich! Sie sind geschickt, halten immer zusammen und der Anführer ist sehr klug. Noch nie wurde ein Leben wegen seinen Befehlen verschwendet oder ein unnötiges Risiko eingegangen.“ „Du scheinst ihn gut zu kennen.“ „Das tue ich. Er hat mich aufgenommen.“ „Wird er uns freundlich empfangen?“ Kai ballte grimmig die Fäuste. Tja, werde ich das? Ania zögerte kurz: „Lasst mich mit ihm reden. Ich werde es ihm schonend beibringen.“ „Zu spät“, hörte sich Kai sagen. Er stand auf und ging langsam die Treppe hinab. Sein Haar war nass und klebte ihm an Stirn und Wangen. Seine Hand ruhte auf den Dolch und er musterte die acht kräftigen Männer, die sich um Ania geschart hatten. Ohne seinen plötzlich schwindenden Mut zu zeigen, stellte er sich selbstbewusst in die Mitte des Raumes und musterte sie. Ihre Kleidung war nass, aber vollständig, sie schienen keine Adeligen und keine Bauern zu sein, sondern normales Fußvolk. Allerdings trugen sie furchterregende Messer. Ihr Anführer, ein breiter Kerl mit tiefschwarzen Augen und ebenso dunklen Haaren, trat vor. In seinem Blick spiegelte sich Misstrauen wider, aber auch Unglaube. Kai verspannte sich unwillkürlich und hob den Dolch: „Keinen Schritt weiter!“ Die anderen Männer zogen ebenfalls ihre Waffen. Der Dieb machte sich bereit, zuzuschlagen. Mit finsterem Blick musterte er die Bewaffneten. „Lasst“ Der Anführer trat zurück und warf seinen Männern einen warnenden Blick zu. „Ich will dich nicht verärgern“, sagte er zu Kai gewandt. „Das würde ich dir auch nicht raten“ Kai funkelte Ania wütend an und beachtete die Männer rings um ihn nicht mehr. Sie hatte sein Vertrauen gebrochen und leichtsinnig das Versteck preisgegeben! „Du brauchst einen guten Grund, warum du mir Männer ins Haus geschleppt hast, die mich töten werden!“ Er brüllte fast. „Es ist nicht so, wie du denkst“ Anias Stimme triefte vor Schuldgefühlen. „Sie sind Freunde von mir. Und sie werden dich nicht töten!“ „Schön“ Kai hielt den Dolch fest umklammert, seine Stimme klang wie klirrendes Eis. „Wenn ich mich recht erinnere, ist das mein Haus. Wieso lässt du sie hinein?!“ Ania seufzte. „Lass mich mal erklären.“ Der Dieb lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und musterte die Männer nach der Reihe, die zurückgetreten waren und ihn wachsam beobachteten. Er ließ sie nicht aus den Augen, die er nach wie vor zusammengekniffen hatte und murmelte: „Dann fang an.“

       2 Unerwartete Wendungen

      „Das ist Exoton mit seinen Männern“, erklärte Ania. „Sie sind weit gereist, von Phyan bis hierher, um ein Buch zu stehlen, das sich in dem Besitz des Königs befindet. Die tiefsten Geheimnisse dieses Landes sind dort aufgeschrieben und können den König womöglich stürzen und die verstreuten Stämme des Landes vereinen.“

       „Verstreute Stämme?“ Kai hob eine Augenbraue. Das schien alles ein schlechter Witz zu sein.

       „Früher lebten auf Phyan kleine Stämme, die die Wächter genannt wurden“, erklärte Exoton auf einmal. „Sie wachten über den Frieden zwischen Menschen, Zwergen und Elfen. Allerdings wurden sie seit diesem Krieg gejagt und das schon über Jahre hinweg. Es besteht kaum noch Kontakt zwischen den Einzelnen, die verstreut auf der ganzen bekannten Welt leben. Viele sind bereits tot. Wir wollen unser Volk wieder vereinen.“

       Wohl doch kein Witz. Diese Leute meinten es todernst.

       „Ihr hasst Zoltan“, stellte Kai ruhig fest und steckte das Messer zurück, als Exoton vage nickte.

       Er überlegte. Diese Männer waren kräftig und entschlossen. Er musterte sie der Reihe nach. Vielleicht ließ sich mit ihnen etwas anfangen. Ein Leuchten trat für kurze Zeit in seine Augen: „Wir Diebe werden euch helfen. Aber nur unter einer Bedingung.“

       „Wie lautet sie?“, fragte Exoton und verschränkte seine kräftigen Arme vor der Brust.

       Kai lächelte. „Ich muss jemanden loswerden. Aus der Stadt schaffen. Sein Name ist Brimir.“

       Einer der Männer lachte bellend: „Das dürfte zu machen sein, was, Exo?“

       Der Anführer nickte. Das Flackern der Kerze tauchte die Hälfe seines Gesichts in einen dunklen Schatten, der seine Züge wölfisch aussehen ließ. Ania fixierte den Dieb mit ihren Augen und kniff leicht die Brauen zusammen. Noch immer war sie neugierig, wer Brimir war und was er mit Kai zu schaffen gehabt hatte.

       „Ihr könnt hier schlafen. Macht es euch bequem“ Mit einer ausladenden Geste deutete Kai auf die Matten im Raum ringsum. Erneut krachte der