Die Wächter – Hoffnung der Gejagten
Prolog
Dunstige Nebelschwaden waberten über den See und verschluckten die steinernen Ufer. Nur hier und da ragte ein schwarzer, zackiger Felsen hervor; sofort wusste man, dass man vorsichtig sein sollte.
Quie stand regungslos auf einem abgeflachten Stein.
Die groß gewachsene, weißhaarige Gestalt atmete ruhig und hielt die Augen konzentriert geschlossen. Der Nebel umhüllte sie beinahe vollständig, silbriges Mondlicht kämpfte sich schwach durch den Dunst und beleuchtete das tiefschwarze Seewasser.
Im sanften Rauschen der Wellen und bei leichtem Wind, der ihren weiten Umhang aufwirbelte und ihr Geheimnisse zuzuflüstern schien, stand die Elfe da wie eine Statue.
Schließlich öffnete sie ihre wiesengrünen Augen.
„Und?“, fragte die schwache Stimme eines Mannes. Nicht weit von ihr erhoben sich zwei Gestalten, die wie aus dem Nichts im Nebel aufgetaucht waren. Es waren Männer in edlen, prächtigen Rüstungen, mit samtenen Wamsen und langen Stahlschwertern.
„Es ist wahr“, verkündete Quie. „Zwei Kinder wurden am selben Tag geboren, eines um ein Jahr früher als das andere. In ihnen fließt das Blut der Elfen, Menschen und Wächter.“
„Mischblute“, wiederholte der Ältere leise, aber ohne Spott.
„Bist du dir sicher, dass es Schmutzblute sind? Sie könnten überall sein … meist werden sie als Bastarde verstoßen und sind schwachsinnig – sie sollen unsere Rettung sein?“, fragte der andere Krieger skeptisch.
„Der Wind lügt nie“ Quie blickte ihn tadelnd an. „Außerdem solltest du die Geschöpfe nie anhand ihres Blutes beurteilen, Natu. Wir unterscheiden uns nur wenig von den Menschen und noch weniger von den Halbbluten.“
„Die Rede ist von Mischbluten! Schmutzbluten!“ Der Jüngere stieß genervt die Luft aus, aber der andere Soldat warf ihm einen warnenden Blick zu. Natu senkte reuevoll den Kopf: „Entschuldige.“
„Nun müssen wir sie finden“ Der alte Krieger seufzte. „Das kann Jahre dauern. Bis dahin könnte Zoltan uns längst überrannt haben.“
„Unmöglich“ Natu blickte selbstsicher zum milchig-weißen Mond, der wolkenlos am Sternhimmel thronte. „Wir waren gerade in Cinta. Dort herrscht die pure Hölle. Die Dämonen hausen da und außerdem haben sich viele Krankheiten eingenistet. Zoltan wird lange brauchen, bis er wieder Ordnung ins Land bringt.“
Quie sah Natu forschend an: „Wart ihr in Cinta, um die Lage des Dorfes zu erkundigen?“
„Nun … ja“, stammelte der Krieger.
Die Alte seufzte, Wehmut und Trauer spiegelten sich in ihren gütigen Augen.
„Unsere Befehle sind strikt, Magierin“, beharrte der ältere Elf. „Außerdem ist es dort sicher.“
Dann wandte er sich an Natu.
„Komm“, sagte er ungeduldig. „Wir haben einen Auftrag.“
Die Ritter drehten sich um und verschwanden im weißgrauen Nebel. Sie ließen nur das untrügliche, bittere Gefühl des Verlustes für die Magierin zurück.
Eine Weile später hörte Quie Hufgetrampel. Drei schneeweiße Pferde galoppierten den schmalen Weg am unteren Rand des Hügels entlang.
Die edlen Krieger flankierten eine Frau, die ein kleines Bündel in den Händen hielt und etwas zu plump auf dem Schimmel saß, um eine Elfe zu sein. Quie blickte ihnen nach, bis sie in dem großen, dunklen Wald verschwunden waren, der sie wie ein hungriges Tier verschluckte. Drückende und zugleich friedliche Stille breitete sich aus.
„Die Allerhellsten seid ihr Elfen ja nicht.“
Ein Kater mit dichtem, langem Fell erschien neben Quie und blickte sie aus großen, gelben Augen durchdringend an.
„Und Katzen sind es?“ Quie musste Schmunzeln. „Du denkst doch nicht etwa, ich würde hierbei einfach zusehen? Ich werde sie mit guten Geistern beschützen.“
Der Kater schnaubte. „Natürlich. Erwarte nie von einem Elfen eine klare Antwort. Ich werde mich selbst darum kümmern müssen.“
Mit einem Satz verschwand auch er im Nebel und Quie wandte sich nachdenklich den funkelnden Sternen zu, in denen das Schicksal von zwei Mischbluten geschrieben stand.
1 Das Leben eines Diebes
Kai kniete am Ufer des schmutzigen Flusses. Seine geflickten, dreckigen Stiefel hatten sich tief in den Sand gegraben, so lange lauerte er bereits an dieser schattigen Stelle. Schimmernde Farbspuren zogen sich durch das trübgraue Wasser, an den Ufern klebten grüne Algen, Dung und verschiedener Mist von den Menschen, die achtlos daran vorbeigingen und ihn wegwarfen.
Kaum jemand vermochte den unscheinbaren Jungen zu bemerken, der da unter der kalten Steinbrücke hockte und mit scharfen Augen ins stetig vorbeifließende Wasser starrte. Über ihm türmten sich die mächtigen Steinbauten Jamkas auf, die eckige Schatten über die Händler und Kaufleute warfen, die mit schweren Karren oben vorbeizogen. Das Geschrei der Tiere war zu hören, das Geräusch herumgeworfener Ware und das Gefluche verschiedener Fußgänger.
Plötzlich schnellte Kais Hand in das eisige Nass und zog ein Kästchen hervor. Zufrieden erhob er sich auf die Füße, rieb das fein gearbeitete Holz am Saum seines dreckigen Hemdes trocken und steckte es in die Hosentasche.
Er krempelte sich die Ärmel wieder hinunter und huschte an einer schmalen, nassen Steintreppe auf die Brücke, wo er sich prompt mitten im Gedränge widerfand.
„Aus dem Weg!“
Ein griesgrämiger Händler stieß ihn achtlos