Da jaulte das Heckradar erneut auf und zeigte an, dass einer der Jäger eine weitere Rakete auf sie freigegeben hatte.
„Was war das?“ fragte Esha.
Wieder grinste Kabus scheinbar zufrieden. „Eine Rakete!“
Esha starrte ihn verwirrt an. „Ihr Männer steht auf so was, oder?“
„Klar!“ gab Kabus zurück und starrte auf das Heckradar. Sie waren jetzt noch etwa hundert Meter, also rund zwei Sekunden von der Scheune entfernt. Die feindliche Rakete hatte sie fast erreicht, das Heckradar schrillte immer lauter und schneller.
Kabus zählte in Gedanken eine Sekunde ab und als das Piepen unerträglich wurde, riss er das Steuer des Transporters herum und er vollführte eine schnelle horizontale 360-Grad-Drehung. Während alle Insassen wieder mit sich selbst zu kämpfen hatten, registrierte Kabus zufrieden, dass die Rakete an ihnen vorbei gerauscht war und in die Scheune donnerte. Bevor sie dort nur einen Wimpernschlag später im hinteren Teil wuchtig explodierte, hatte der Transporter das vordere Tor erreicht und flog hindurch.
„Hebel abschalten!“ brüllte Kabus und donnerte den Schubhebel wieder ganz nach vorn.
Esha reagierte trotz des irrwitzigen Flugmanövers und der extremen Nervenbelastung sehr schnell und stoppte den Treibstoffverlust.
In der nächsten Sekunde rauschte der Transporter in die höllische Flammenwand, die die gesamte Scheune einnahm.
Esha und diesmal auch Kabus schrien.
Zeitgleich entzündete dieselbe Flammenfaust das abgelassene Flugbenzin und eine Feuerschneise rauschte in die andere Richtung. Die beiden feindlichen Jäger, die dem Transporter dichtauf gefolgt waren, wurden davon erfasst und die Piloten offensichtlich davon überrascht. Der vordere Pilot verriss das Steuer und anstatt sauber durch die Scheune hindurch zu fliegen, donnerte er seitlich in die ausrangierten Flugmaschinen, in denen sich noch genug Flugbenzin befand, um sie in Explosion zu versetzen. Der vordere Jäger wurde komplett zerrissen, der nachfolgende Pilot hatte keine Chance mehr, der Mischung aus Flammen und Trümmerteilen noch zu entgehen und starb ebenfalls in einem Feuerball, der letztlich die komplette Scheune wie einen Luftballon zerplatzen ließ und in einem Feuersturm vollständig zerstörte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Transporter die Flammenwand am anderen Ende bereits hinter sich gelassen und rauschte mit Höchstgeschwindigkeit dicht über dem Boden davon.
„Boa!“ stieß Esha schweratmend hervor. „Das war knapp!“
Kabus nickte. „Ging so!“ Zufrieden nahm er zur Kenntnis, dass sie ihre Verfolger abgeschüttelt hatten und noch keine neuen hatten. Damit das auch so blieb, steuerte er direkt nach Westen die Küste in etwa drei Kilometern Entfernung an.
„Sie sind ein verdammter Teufelskerl!“ Esha lächelte erleichtert.
Kabus nickte stumm und deutete mit seiner rechten Hand an Esha vorbei aus der Frontscheibe.
Esha folgte seinem Blick und sofort verschwand ihr Lächeln wieder, als sie die furchtbare Zerstörung des Stützpunktes und der Stadt quasi von einem Logenplatz aus mit verfolgen konnte.
„Was jetzt?“ fragte sie nach ein paar Sekunden und drehte sich zu Kabus.
„Wir fliegen zur Küste und werden uns von dort nach Norden bewegen. Ich hoffe, dass niemand auf uns aufmerksam wird. Nach Ara Bandiks sind es dann noch etwa vierzig Minuten!“
Esha nickte. „Danke!“
„Ich wurde für derartige Dinge ausgebildet!“ erwiderte Kabus mit ausdruckslosem Gesicht. „Aber hey...!“ Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. „...es war auch mein Leben, das in Gefahr war!“ Er schaute Esha für eine Sekunde direkt in die Augen. „Biggs?“ rief er dann.
„Ja?“ Eine gestresste Antwort kam aus dem Passagierraum.
„Mach mal die Stewardess und reiche unseren Gästen ein paar Drinks. Ich such derweil was fürs Bordkino!“ Kabus grinste breit.
„Du kannst mich am Arsch lecken!“ donnerte Biggs entnervt.
Und bei seinen Worten mussten Esha und Kabus laut loslachen.
4
„Cosco?“ Jorik hob seinen Kopf nicht an, sondern schaute weiterhin gebannt auf den Radarschirm.
„Was gibt es?“ fragte Cosco ernst, der am Tonfall von Joriks Frage erkannt hatte, dass es ein Problem geben würde.
„Ich empfange hier ein wirklich...!“ Jorik zog die Augenbrauen hoch. „...wirklich...echt beschissenes Signal!“
„Welcher Art?“ Cosco drehte sich zu Jorik herum.
„Eine gottverdammte Scheiß-Plasma-Anomalie...!“ rief plötzlich Kendig in sein Mikro. „Etwas in der Art, Dad!“
Cosco wirbelte sofort wieder zurück. „Auf den Schirm!“ befahl er und Jorik gab dem Computer das entsprechende Kommando.
Einen Augenblick später konnte sich jeder davon überzeugen, dass Kendig Recht hatte. Aus den oberen Luftschichten der Planetenatmosphäre schob sich ein fast kreisrundes, gelb und blau leuchtendes Gebilde in die Tiefe, dessen Außenhaut deutlich rotierte.
„Verdammter Mist, wo kommt die denn her?“ platzte Cosco hervor.
Jorik hatte sich als Erster von dem unheimlichen Anblick lösen können und seine Hände huschten über die Computertastatur. Er stellte eine Verbindung zu einem der zahllosen Imrix-Satelliten her, der über eine Kamera verfügte. Mit wenigen Befehlen konnte er diese Kamera so schwenken, dass sie ihren Focus auf ihren Planeten richtete.
„Jorik?“ fragte Cosco ungeduldig.
„Ich hab´s gleich!“ Er wartete noch eine Sekunde, bis ein gutes Bild zustande gekommen war, dann brachte er es auf den zweiten Schirm am Cockpit und sandte es auch an die beiden Jäger von Kendig und Rimbo.
Für einige Momente war es danach sehr still, als sich alle der Tatsache bewusst wurden, was sie dort sahen.
„Das verdammte Mistding hat sich geteilt!“ stellte Rimbo stellvertretend für alle klar.
Wieder hatte Jorik bereits am Computer weitergearbeitet. „Aus allen acht Armen des Hauptstrangs haben sich weitere Arme abgezweigt. Insgesamt zweiunddreißig. Sie sind dünner als die Hauptarme, aber...!“
„...immer noch groß genug für jede Menge hässliche Feinde!“ beendete Kendig den Satz.
„Richtig!“ erwiderte Jorik.
„Welchen Kurs hat diese Anomalie?“ fragte Cosco.
„Na welchen wohl, Dad?“ rief Kendig. „Das Ding ist im Direktanflug auf das Imrix-Gelände!“
„Jorik?“ Cosco drehte sich wieder zu ihm um.
„Ich fürchte, Kendig hat Recht!“ gab Jorik mit einem müden Nicken zurück und sein Blick wurde sehr traurig.
„Wie lange noch?“
„Wie lange noch was?“
„Bis sie Imrix erreicht hat?“
„Ich würde sagen, eine, höchstens zwei...!“ begann Jorik.
„Wie wäre es mit gar keine..!?“ platzte Rimbo dazwischen und starrte auf die Dutzende von feindlichen Jägern, die aus der Anomalie schossen.
„Mist!“ meinte Kendig. „Und ich dachte, ich wäre hier auf einem beschaulichen Ausflug durchs Ländle!“
„Blödmann!“ grummelte Rimbo. „Komm lieber nach vorn und decke meinen Arsch!“ Deutlich war zu sehen, dass der Feind zwar hauptsächlich über dem Imrix-Gelände seine tödliche Bombenfracht abwarf, doch es war allen klar, dass es nicht lange dauern würde,