„Was ist los?“ fragte Cosco.
Kendig antwortete nicht sofort, sondern überlegte fieberhaft, was er jetzt noch tun konnte. „Ach nichts!“! erwiderte er dann fast schon belanglos. „Ich muss nur meinen Plan ändern!“ Und das musste er wirklich und der Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, gefiel ihm überhaupt nicht, doch wusste er, dass er keine andere Wahl hatte. Hier ging es um mehr als vierhundert Menschenleben, da durfte er nicht zögern.
Sofort beschleunigte er seinen Jäger aufs Äußerste und begann, sich neben die Rakete zu setzen.
„Was tust du da?“ hörte er Rimbo über Funk fragen.
„Ich werde ein Held!“ stieß Kendig hochkonzentriert hervor, während er sich immer dichter neben die Rakete schob.
„Du bist verrückt!“ rief Rimbo.
„Kendig, was tust du?“ brüllte sein Vater, der jetzt ebenfalls erkannte, worauf das hinauslief.
„Ich halte euch die Rakete vom Leib!“ Er hatte seinen Jäger bis auf einen halben Meter an das Geschoss herangeführt und flog jetzt so, dass sich die linke Tragfläche seines Jägers über die Rakete schob.
„Das ist Irrsinn!“ brüllte Rimbo. „Das schaffst du nicht!“
„Kendig! Hör auf! Tu es nicht!“ brüllte auch Cosco völlig aufgelöst.
Doch Kendig war sich seiner Sache sehr sicher. „Ich liebe dich Dad!“ rief er noch, dann ließ er die linke Tragfläche ruckartig nach unten zucken und betätigte fast gleichzeitig den Schleudersitz.
Während so Kontakt zwischen seinem Jäger und Rakete hergestellt wurde, wurde die Pilotenkanzel aufgesprengt und der Pilotensitz zunächst ausgeklinkt und dann durch einen Treibsatz kurzfristig beschleunigt.
In diesem Moment war die Rakete bereits explodiert und hüllte den Jäger in einen grellen Feuerball, der ihn wild aus der Flugbahn warf und vollständig zerstörte.
Die Wucht der Explosion trieb die Flammenfaust torpedogleich in alle Himmelsrichtungen und erreichte auch Kendigs Fallschirm, der sich vorschriftsmäßig geöffnet hatte. Das Feuer erfasste sowohl den Schirm, als auch die Schnüre und Kendigs Körper, der leblos und schlaff am Ende herabbaumelte.
„Nein!“ brüllte Cosco, während er zusehen musste, wie sein Sohn viel zu schnell und völlig unkontrolliert in die Tiefe schoss.
„Schnell, sie müssen ihn bergen!“ rief Rimbo.
Cosco reagierte nicht, also übernahm Fidu das Ruder, drosselte die Geschwindigkeit der Amarula deutlich und flog eine sanfte Rechtskurve.
In dem Moment, da Kendig auf die Wasseroberfläche schlug und eintauchte, überflog Rimbo die Stelle.
„Jemand muss ihn da rausholen!“ rief Fidu.
Cosco sah ihn entgeistert an.
„Captain...!“ forderte Fidu eindringlich.
Und Cosco kam zurück in die Wirklichkeit. Sofort schnallte er sich ab und sprang auf. „Ich mach das!“
Fidu nickte. „Ich bringe sie so nahe ich kann heran!“
Während Cosco in den Laderaum lief, schwenkte Fidu die Amarula ganz sanft zur Seite und ging immer tiefer herab. Obwohl das Meer ziemlich aufgewühlt war, ließ Fidu das Boot bis auf die Wasseroberfläche sinken und hielt es dann, so gut es ging im Schwebflug.
Cosco stürmte die Treppe hinab in den Laderaum und raste zur Einstiegsluke.
Jorik bemerkte ihn und trennte sich sofort von Marivar.
„Was ist los?“ rief er Cosco zu.
„Wir müssen einen Verletzten bergen!“ gab er zurück und donnerte seine Hand auf den Öffnungsmechanismus der Ladeluke.
„Nun macht schon!“ rief Rimbo über Funk, der sehen konnte, dass Kendig sich noch immer nicht bewegte und weiter zu sinken drohte.
Die Ladeluke hatte sich gänzlich geöffnet und Wasser schwappte in den Innenraum. Die Menge wurde sofort unruhig.
„Wo?“ brüllte Cosco verzweifelt.
„Da!“ Jorik deutete auf den zerfetzten Fallschirm, der auf der Wasseroberfläche tanzte.
Cosco rannte ohne zu zögern die Ladeluke entlang und sprang ins Wasser.
„Sag Fidu, er soll noch näher ran!“ brüllte Jorik zu Shamos und folgte dem Captain dann.
Beide tauchten ins Wasser ein und schwammen, so schnell sie konnten zu Kendig.
Shamos stellte über ein Mikro an der Wand eine Verbindung zu Fidu her und dirigierte ihn näher an die Absturzstelle heran.
Cosco und Jorik erreichten Kendig gleichzeitig und tauchten sofort ab. Während Cosco sich um seinen Jungen kümmerte, zog Jorik ein Messer aus seinem Gürtel und begann die Fallschirmleinen zu kappen.
Als Cosco Kendig wieder an der Wasseroberfläche hatte, hatte er ihn von seinem Ballast befreit und Cosco konnte ihn im Rettungsgriff vor sich festhalten.
Jorik sah, dass Kendigs Gesicht ziemlich ramponiert und blutverschmiert war und einige Verbrennungen aufwies. Ansonsten lag er leblos in den Armen seines Vaters.
Jorik half Cosco, seinen Sohn durch die aufgewühlte See zurück zum Flugboot zu schaffen.
Mit Shamos Hilfe hatte Fidu das riesige Schiff keine fünf Meter neben sie bringen können.
Die unverletzten Insassen bildeten Menschenketten, sodass sie Kendig sofort nach Erreichen der Ladeluke in Empfang nehmen und in das Innere bringen konnten.
Auch Cosco und Jorik wurden schnell geborgen. Während Jorik am Eingang zunächst verschnaufte und Shamos ein Zeichen gab, die Luke wieder zu schließen, lief Cosco schnaufend und hustend hinter seinem Sohn her, der sofort zu Marivar gebracht wurde.
Als er ihn erreichte, lag er bereits auf einer Bahre und die Ärztin kümmerte sich um ihn. Mit flinken Händen überprüfte sie seinen Zustand und begann dann ohne zu zögern mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. Sie drückte rhythmisch und bestimmt mit beiden Händen auf seinen Brustkorb und legte nach jedem dritten Stoß ihren Mund auf seinen, während sie ihm die Nase zuhielt, um ihm Luft in die Lungen zu blasen.
Cosco wollte eingreifen, doch Jorik erschien hinter ihm und hielt ihn zurück. Bei Marivar war Kendig in den besten Händen.
Marivar führte ihre Arbeit unbeirrt weiter und die Sekunden verrannen. Im Inneren des Laderaums wurde es merklich stiller.
Dann urplötzlich, als Marivar zu einer weiteren Mund-zu-Mund-Beatmung ansetzen wollte, krampfte sich Kendigs Körper zusammen und bäumte sich auf. Er begann zu husten und Wasser rann ihm aus dem Mund. Wie in einem Schockzustand krallte er seine Hände in die umstehenden Personen und zog sich an ihnen hoch. Dabei stöhnte und schrie er.
Marivar heilt ihn sofort zurück. „Ruhig, junger Mann! Beruhigen sie sich!“
„Kendig!“ rief Cosco erfreut und seine Augen waren feucht.
Sein Sohn starrte ihn zunächst mit großen Augen an, dann schien er ihn zu erkennen.
„Legen sie sich wieder hin. Sie brauchen Ruhe!“ sagte Marivar noch einmal.
„Ich hab es doch geschafft, Dad!“ Kendig quälte sich ein Lächeln hervor und legte sich zurück auf die Liege.
„Ja...!“ Cosco trat zu ihm und hielt seine Hand. „...das hast du. Du bist ein Teufelskerl. Du hast uns allen das Leben gerettet!“
„Prima!“ stieß er hustend hervor. „Aber nochmal...!“ Seine Augen begannen zu flackern. „...mach ich so was...!“ Seine Stimme wurde leiser und langsamer. „...bestimmt nicht!“ Dann schlossen sich seine Augen und sein Körper entspannte