Abrechnung am Meer. Biljana Fenzl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Biljana Fenzl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847695622
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unter ihren Füßen, der Duft der Pinienbäume erfüllte ihre Nase und erzeugte Glücksgefühle in ihrem Körper. Die Kühle lockte einige Jogger in das Wäldchen. Nika schob ihre Sonnenbrille auf den Kopf und sah sich genauer um. Hier gab es viele Wege. Sie wollte sie alle erkunden, solange sie Zeit auf der Insel verbrachte. Heute blieb sie noch auf dem Hauptweg Richtung Stadt. Sie kam an der Straße heraus, an der sie der Insel-Bus ausgeladen hatte. Sie überquerte die Fahrbahn und ging rechts an der Haltestelle vorbei. Der Hafen von Maun lag vor ihr. Nika stellte sich vor, sie besäße eine Jacht und flanierte am Kai entlang. Die Boote schaukelten sanft im Wasser hin und her. Es war nur ein leises Platschen und Glucksen zu hören, wenn kleine Wellen auf die Bootswände trafen. Leichter Algengeruch wehte vom Meer zu ihr. Nika bewunderte verschiedene Wasserfahrzeuge. Unscheinbare Fischerboote lagen neben Ausflugsschiffen, die wiederum neben großen Jachten dümpelten. Nika fand eine Bank, nahm Platz, schloss die Lider und ließ Geräusche und Gerüche auf sich wirken. Eine Stimme, die ihr wage bekannt vorkam, holte sie zurück.

      „Wenn das nicht die schöne Nika ist.“

      Sie riss die Augen auf und zwinkerte hektisch. Die Helligkeit schmerzte. Sie setzte die Sonnenbrille vom Kopf auf die Nase und sah sich um. Zunächst erkannte sie nur eine Silhouette im Gegenlicht, dann, die mit Gel verstrubbelten Haare. Zwei Bernsteine strahlten sie an. Ein warmes Gefühl breitete sich in Nikas Bauch aus, stieg hoch in ihre Wangen und brachte diese zum Glühen.

      „Marko! Hallo“, stammelte sie.

      Leicht und elegant wie eine Feder ließ er sich neben sie nieder.

      „Hast du mich gesucht?“, wollte er wissen.

      „Nein! Was? Wieso denn?“ Sie kam ins Stottern. Es war ihr peinlich, dass er so etwas dachte.

      „Naja, du sitzt genau vor der Blue Moon.“

      „Wovor?“ Sie scannte den Kai ab.

      „Die Blue Moon. Direkt vor dir. Meine Jacht.“

      Hoppla, da hatte sie vor lauter Hafen, das Schiff nicht mehr gesehen. Na so etwas. Und was für ein Schiff. Es war riesig.

      „Wow! Das ist deine?“, staunte Nika. „Die Strandbar läuft wohl gut?“

      „Die Bar ist okay. Ich habe noch andere Objekte.“

      „Interessant. Was sind das für Objekte?“

      „Es ist so ein schöner Tag. Warum sollte ich dich da mit meinen Geschäften belasten?“

      „Das ist keine Belastung. Erzähl doch mal. Ich bin neugierig.“

      „Weißt du was, ich habe eine viel bessere Idee. Ich zeige dir jetzt Maun-Stadt. Ich bin dein persönlicher Stadtführer und Reiseleiter.“

      „Also gut. Dann lass mal sehen, was du drauf hast.“

      Warum wollte Marko ihr nichts preisgeben? Hatte er etwas zu verbergen? Nika schüttelte diese Gedanken sofort ab. Ana hatte sie völlig verunsichert. Nur, weil sie Anas Abneigung gegen die Strandbar gespürt hatte, interpretierte sie nun etwas in Markos Satz hinein. Das war Quatsch. Es war tatsächlich ein wunderschöner Tag und Marko gönnte sich ein paar freie Stunden. Das war alles. Sie sollte nicht so misstrauisch sein, schalt Nika sich innerlich. Sie sollte sich beruhigen. Zumindest heute würde sie sich dabei von Marko helfen lassen. Sie standen von der Bank auf und Marko lotste sie vom Hafen weg, in die verwinkelten Gässchen der Stadt. Nika ruderte sich flink und ausladend zwischen den Häusern hindurch, bis sie hinter sich eine Stimme vernahm.

      „Führst du mich oder ich dich? Weißt du denn, wo du hin willst?“

      „Äh, nein. Einfach der Nase nach?“

      „Hier lässt man sich Zeit, genießt, schaut in dieses oder jenes Geschäft hinein, betrachtet die alten Gebäude. Aber du rennst blind und hektisch an allem vorbei. Entspannt dich.“

      Marko hatte recht. Sie nahm nichts von dem wahr, was er ihr zeigen wollte. Sie rannte Meter um Meter ab, als bekäme sie für jeden gelaufenen Schritt einen Preis. Sie verringerte ihre Geschwindigkeit, bis Marko auf gleiche Höhe mit ihr aufschloss. Er schlenderte neben ihr durch die Gassen.

      „Ich schlage vor, wir verschaffen uns erst einmal einen Überblick. Was denkst du?“

      „Okay. Und was heißt das?“

      „Komm mit.“ Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich. Ihre Finger prickelten, als sie von seinen umschlossen wurden. Der Weg stieg steil an. Nikas Atem ging schneller und sie fühlte, wie sich ihre Wangen vor Anstrengung und Erregung röteten. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn.

      „Wir sind da“, erlöste Marko sie. Nika sah sich auf dem kleinen Platz um. Sie entdeckte eine Kirche. Davor wuchs eine Platane, unter der eine Sitzbank in Richtung Meer ausgerichtet war. Einige Meter vor der Parkbank lag ein Steinmäuerchen. Dahinter fiel ein Hang steil ins Wasser. Macchia wucherte daran hoch. Hier und da krallte sich eine Agave am Felsen fest. Nika ging zur Bank zurück und setzte sich. Sie starrte in die Weite hinaus, wo das Türkis des Ozeans mit dem Azur des Himmels verschmolz. Ihr Atem wurde gleichmäßiger. Marko beobachtete sie vom Mäuerchen aus. Die Sonnenbrille hatte er dekorativ im Haar drapiert. Mit strammen Schritten und Händen in den Hosentaschen kam er auf Nika zu.

      „Wir sind nicht ganz am Ziel. Ein bisschen musst du dich noch anstrengen“, lächelte er ihr zu und zeigte nach oben. „Das ist der Glockenturm der Kirche Sveta Marija. Da wollen wir hin.“

      Nika drehte sich zu dem Sakralbau, legte ihren Kopf in den Nacken und erkannte Stufen, durch die schmalen Öffnungen in der Turmmauer. Ein leises Stöhnen entfuhr ihr.

      „Ich verspreche dir, es lohnt sich“, munterte Marko sie auf.

      Wieso musste er ihren Seufzer hören? Er sollte nicht den Eindruck haben, dass sie den Aufstieg nicht schaffte und nur jammerte. Sie sprang von der Bank und marschierte armschwingend zum Kirchturm. Prompt kam sein Kommentar: „So gefällst du mir schon besser.“ Sie traten in die Dunkelheit im Inneren des Turms und erklommen Stufe um Stufe. Während Nika stumm die Treppen zählte, hörte sie hinter sich Marko, der mit ruhigem Atem seine geschichtlichen Ausführungen zum Besten gab.

      „Der romanische Glockenturm ist im zwölften Jahrhundert auf Resten römischer Bauwerke errichtet worden. Er ist das Wahrzeichen der Stadt und von überall zu sehen. Das muss dich nicht wundern, das Städtchen ist nicht sehr groß und der Turm steht auf einer Anhöhe. Aber wenn du dich tatsächlich mal verlaufen solltest, dann halte Ausschau nach diesem Kirchturm.“ Nika verzählte sich schon zum vierten Mal und gab auf. Sie würde wohl nie erfahren, wie viele Stufen sie hochgestiegen war. Sie lauschte sowieso lieber Markos sonorer Stimme. Die verursachte ihr eine wohlige Gänsehaut. Die geschichtlichen Daten erreichten dabei lediglich die entferntesten Winkel ihres Gehirns. Es beschäftigte sich mit Gedanken darüber, ob Nika ihr Sommerkleid vorne zusammenraffen und festhalten sollte, damit Marko beim Aufstieg nicht darunter spitzen konnte. Oder sollte sie alles so lassen und ihm die Aussicht gönnen. Aber wahrscheinlich war Marko mit seiner Reiseleitertätgkeit so ausgefüllt, dass er über so etwas gar nicht nachdachte. Warum tat sie es also? Wie kam sie überhaupt darauf, dass sie ihm gefiel? Ein Mann wie er, gutaussehend und offensichtlich wohlhabend, konnte doch ganz andere Kaliber haben. Bevor sie den letzten Satz zu Ende dachte, kamen sie oben an. Um die Spitze des Glockenturms zog sich ein Balkon aus weißem Stein, so dass man diese umrunden konnte. Nika hielt die Luft an. Die Aussicht überwältigte sie. Zunächst sah sie weit übers Meer, sah Schiffe am Horizont und Möwen am Himmel. Ein paar Schritte weiter lag ihr die ganze Stadt zu Füßen. Sie sah jede Gasse, jede Straße, die sich durch Maun schlängelte. Marko fing ihren Blick auf und strich ihr leicht über den Rücken.

      „Na? Hab ich zu viel versprochen?“

      „Es ist wunderschön“, flüsterte sie ehrfürchtig.

      Er zog seine Hand zurück und stand still neben ihr, ließ sie all die Eindrücke in sich aufnehmen und genießen. Erst als Nika sich mit leuchtenden Augen zu ihm umdrehte, begann er ihr die Gebäude und Straßen zu erklären.

      „Und da unten“, Marko deutete auf eine Terrasse, „wo du die