Abrechnung am Meer. Biljana Fenzl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Biljana Fenzl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847695622
Скачать книгу
ihr einen Platz zu. In dem Moment kam Ana mit zwei dampfenden Schüsseln aus der Küche und stellte sie auf den Tisch. Sie setzte sich zu ihnen. Ivan goss allen ein Glas Wein an. Ana nahm ihres in die Hand und prostete Nika zu.

      „Herzlich willkommen bei uns, Liebes. Wir freuen uns so, dass du da bist.“

      „Weißt du, wir haben keine Enkel und finden es schön, dass du ein bisschen Leben ins Haus bringst“, brummte Ivan in seinen Weinkelch. Nika war starr vor Rührung und kämpfte zum zweiten Mal an diesem Tag mit den Tränen. Sollte sie hier gefunden haben, was sie schon so lange vermisste? Waren diese beiden Alten nun ihre Familie?

      3. Kapitel

      Als Nika am nächsten Morgen wach wurde, schien die Sonne hell in ihr Zimmer. Zehn Uhr. Ruckartig richtete sie sich im Bett auf. Hatte sie verschlafen? Sie wusste nicht, wann ihr Arbeitstag begann. Am Abend zuvor war es sehr gemütlich bei Ana und Ivan. Sie hatten Nika wie ein eigenes Enkelkind aufgenommen. Nika war deswegen aufgewühlt gewesen und konnte lange nicht einschlafen. Sie wälzte sich im Bett herum. Gegen drei Uhr in der Nacht fand sie endlich in den Schlaf. Nun sprang sie aus dem Bett, eilte ins Bad und unterzog sich einer Katzenwäsche. Flink streifte sie T-Shirt und kurze Hose über. Es war so eine herzliche Begrüßung und Nika vermasselte den ersten Arbeitstag. Was würden Ana und Ivan Kovac von ihr denken? Sie schlüpfte in ihre rosa Chucks. Mit ihnen lief sie sicherer als in Flip Flops. Sie riss ihre Zimmertür auf. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Nika rannte los. Sie sah nichts, sie hörte nichts, sie spürte nur Schmerzen. Ein Zusammenstoß. Die Wucht des Aufpralls hatte sie zwei Schritte zurückgeworfen. Ihr Blick klärte sich allmählich und sie sah meerblaue Augen, volle Lippen, zwischen denen strahlend weiße Zähne hervor blitzten, eine große Nase mit einem Höcker und dunkelblondes, lockiges Haar. Ihr Gegenüber sah besorgt aus.

      „Entschuldige. Hast du dich verletzt? Sprichst du deutsch? I’m so sorry.“

      Nika wankte benommen, fing sich jedoch schnell.

      „Schon okay. Das war ganz schön hart. Himmel, bist du so durchtrainiert?“

      „Das waren nicht meine Muskeln“, grinste er. „Du bist gegen meinen Laptop gerannt.“ Er hatte den tragbaren Computer vor dem Bauch gehalten. Nun hob er ihn als Beweis hoch. Wie peinlich. Nika stieg die Röte ins Gesicht. Er lächelte noch breiter.

      „Ich bin David Bruch. Und Gast hier, wie du.“

      „Ich bin kein Gast. Schönen Aufenthalt noch.“ Damit ließ sie ihn stehen und floh zu Ana nach unten.

      David schüttelte den Kopf über diese seltsame junge Frau. Pinke Augenbrauen hatte er noch nie gesehen. Nervös und bunt wie ein kleiner Papagei flatterte sie durchs Treppenhaus. Er hatte sie bisher hier nicht gesehen. Und er wohnte schon seit einer Woche in einem von Anas Apartments. Irgendetwas gefiel ihm an ihr. Doch er hatte keine Zeit herauszufinden was es war. Er musste die Fotos sichten, die er in den letzten Tagen geschossen hatte. Er war gerade auf dem Weg in ein Café, wo er bei einem guten Frühstück, die Bilder sortieren wollte, als der Zusammenstoß passierte. Nun setzte er seinen Weg fort.

      Nika kam außer Atem bei den Kovacs an. Sie entschuldigte sich für ihr spätes Erscheinen und wurde von Ana sofort beruhigt. Heute stand nur ein Zimmer im zweiten Stock auf dem Plan. Das wurde von einer Familie mit zwei kleinen Kindern bewohnt. Die Jungs hörte man noch auf dem Balkon krakeelen. Es war also noch Zeit genug, um in Ruhe zu frühstücken.

      „Du bist so dünn, Liebes. Komm setz dich. Ich mache dir schnell etwas zu essen“, bot Ana sich an. Nika nahm dankend an und war froh, dass Ana ihr nicht böse war. Als Ana mit Brot, Butter, Honig, Marmelade und frisch aufgebrühtem Mokka ins Esszimmer kam, entspannte Nika sich langsam. Sie fragte Ana nach den Gästen im Haus. Die begann über die Familie aus Italien zu erzählen.

      „Sie kommen jedes Jahr hierher. Sehr nette Leute.“

      „Warum fahren die nach Kroatien. Sie haben doch selbst das Meer vor der Tür“, wollte Nika wissen.

      „Es ist günstiger für sie bei uns den Urlaub zu verbringen, als in ihrer Heimat. Italien ist teuer“, erklärte Ana.

      Nika rieb ihr rechtes Ohrläppchen. Dann faste sie sich ein Herz und fragte nach dem jungen Mann, namens David.

      „David Bruch? Ja, sehr sympathisch. Er ist Fotograf und kommt aus München. Ein guter Fang für uns.“ Ana gluckste und zwinkerte Nika zu.

      „Er macht Fotos für einen Bildband und hat das Apartment gleich für mehrere Wochen gemietet. Das ist lukrativ für uns.“

      „Und wie sind so seine Gewohnheiten? Muss ich auf etwas achten?“, fragte Nika beiläufig.

      „Manchmal ist er ganz früh weg. Das Licht wäre dann gut, sagt er. Abends ist er nie besonders spät zurück, es sei denn, er schießt Nachtaufnahmen. Er arbeitet viel. Ist diszipliniert, höflich, ein netter Junge.“

      Ein Spießer also, dachte Nika ein wenig enttäuscht. Eine Spaßbremse war nicht das, was sie sich als Ablenkung gewünscht hatte. Schade, denn er sah sehr gut aus.

      In dem Moment hörte man die Italiener die Treppe herunterpoltern. Ana warf einen Blick aus dem Fenster. Sie sagte, sie würden noch ein paar Minuten warten, falls die Familie etwas vergessen hätte, und würden dann nach oben gehen, um die Wäsche auszutauschen.

      In dem Familienapartment im obersten Stock herrschte Chaos. Spielsachen warteten überall verteilt auf die Rückkehr ihrer kleinen Besitzer. Die Zudecken der Kinder waren zerwühlt. Ein paar Handtücher lagen am Boden zum Austausch. Ana gab Nika Anweisungen. Die Betten waren schnell bezogen. Es gab große Laken, keine Spannbetttücher, die sich gegen das Aufziehen wehrten. Ana zählte Frotteetücher ab und erklärte Nika wo sie sie hinzulegen hatte. Die gebrauchten stopften sie in den Korb, in dem sie die frischen Sachen transportiert hatten. Das Toilettenpapier wurde aufgefüllt. Nika nahm den Besen aus der Ecke des Zimmers und kehrte Krümel zusammen. Ana nickte zufrieden. Sie sammelten noch Geschirrtücher ein und dann war die Arbeit in diesem Apartment abgeschlossen. Viel war es nicht und Nika dachte, sie könnte eine entspannte Zeit auf der Insel verleben. Doch Ana klärte sie schnell auf. Nicht alle Besucher reisten am gleichen Tag an. Die meisten fuhren an einem Samstag an. Dann gab es viel zu tun. Einige kamen unter der Woche. Und wenn es an einem Tag keine Zimmer zu richten gab, dann mussten Einkäufe erledigt werden, die Wäsche zum Mangeln gebracht oder abgeholt oder Sonderwünsche erfüllt werden. Manchmal veranstalteten Ana und Ivan Grillabende für die Gäste im Garten. Auch die erforderten Planung und Vorbereitung.

      „Aber du wirst genug Zeit haben, an den Strand zu gehen und dich zu amüsieren“, versprach Ana. Nika hatte da ihre Zweifel. Und prompt kündigte Ana ihr an, dass sie gleich losziehen würden, um Besorgungen zu machen. Heute würde sie Nika noch begleiten und ihr alles zeigen. Beim nächsten Mal müsste sie Nika alleine losschicken. Nika war wenig begeistert. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass sie zum Arbeiten hier war und nicht im Urlaub. Es viel ihr schwer, wenn die Sonne einen an den Strand lockte. Bepackt mit dem Wäschekorb stiegen sie die Stufen zu Anas Wohnung hinunter. Nika stellte ihre Last in der Diele ab und folgte Ana in die Küche. Dort bekam sie zwei überdimensionale Plastiktaschen in die Hand gedrückt.

      „Die werden wir bis oben hin füllen“, kicherte Ana. Nika konnte nichts Witziges an dieser Aussage finden. Ihr war klar, dass das Schleppen zu ihren Aufgaben gehörte. Und das würde bei der Hitze in Schwerstarbeit ausarten. Sie verließen das „Haus Ana“ und liefen die schmale Straße entlang, die sie den Berg hinunterführte. Vor ihnen tauchte das Strandcafé auf. Nika wollte danach erkundigen, doch Ana riss die Augen auf, presste die Lippen zusammen, schüttelte den Kopf und zog sie schnell weiter. Nika sah verwirrt zurück auf das Café, aber Ana zerrte an ihr. Sie bogen rechts ab, weg vom Strand in Richtung eines staubigen Vorplatzes mit Souvenirshops. Dahinter stießen sie auf eine breite Straße, gesäumt von Restaurants, Eisdielen, Bäckereien, Metzgereien und einem kleineren Supermarkt. Ana schob Nika in den Selbstbedienungsladen und lotste sie durch die Gänge. Ohne die restliche Ware zu beachten, zog Ana das heraus, was sie benötigte. Dabei sah sie kaum noch hinsehen. Die Hangriffe waren seit Jahren eingeübt.