Milans Weg. Franziska Thiele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Thiele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738002904
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seiner Gefühle, all des Zornes und Hasses, dass er aufgestaut hatte, für dessen Entstehen er andere Menschen verantwortlich gemacht hatte, und die, wie er nun erst anfing zu verstehen, von ihm selbst natürlich nur ausgehen konnten und er dies einsehen musste, keinen Hass und Zorn mehr in sich entstehen lassen wollte, da nun er es war, der dies alles mit sich herum schleppte, und niemand außer er selbst dafür die Verantwortung tragen konnte. Und er sah schon fast, dass er wütend auf sich wurde, als er versuchte die schöne Wilde zu verstehen, zu verstehen, was in diesem Feenhaften Wesen vorging, und es doch nicht verstand – es wurde Zeit, dass er ging. Endlich, nachdem ihm diese Gedanken durch den Kopf rannen, und nachdem ihm seinen Schritte immer weiter weg trugen, endlich war er bereit einzusehen und den Ursprung der Gefühle bei sich zu suchen. Frank hob den Kopf. Es war ein windiger Tag . Das Meer hatte Schaumkronen geworfen. Wie kleine mit Schnee bedeckte Gipfel trieben die Wellen auf dem Wasser. Es war nun dunkelblau, fast schwarz, das Wasser. Am Ufer im Sand hatte sich ein e Vertiefung gebildet, wo man sonst flach in das Meer hinein laufen konnte. Frank empfand eine große Ruhe, als er sein Blick über den Strand gleiten ließ. Er war wieder alleine, und er wusste, dass er die Zeit brauchte. Er wusste, dass er die Natur brauchte, denn egal, was er in sie hinein interpretierte, ihr konnte er keine Schuld für irgendetwas geben, das Gefühl, einen Schuldigen zu suchen, musste auf ihn zurückgeführt werden. Frank wollte erst zu den Menschen zurück, wenn er keine Schuld geben würde, niemanden für seine Wut und seinen Hass verantwortlich machen würde, Frank dachte an die Frau und daran, dass er noch Zeit benötigte, bis er soweit sein würde. Er dankte ihr innerlich und ging den Strand weiter entlang, zufriedener als bevor er sie kennen gelernt hatte.

      -8-

      Milan schrieb und schrieb, denn es war Vormittag, es regnete draußen, er hatte sich entschieden , keines der Kaffees aufzusuchen und auch nicht hier im Gelände raus zu gehen. Ohnehin war am Abend das gemeinsame Kochen uns zusammen sein. Milan schrieb und dachte, dass, was Frank dachte, dass möchte auch er verstehen, er, der nun, weil er all die Menschen für seine Angst, seine Phobie, sich in einer für ihn nicht stimmigen Gesellschaft rechtfertigen zu müssen, warum er nicht an diesem System wie alle anderen teilnehmen wollte. Es war seine Angst, die in ihm drinnen entstanden ist. Es fiel Milan schwer, diesen Gedanken durchzuziehen, denn er schmerzte. Er spürte einen Stich, der wie von einem Messer, dass immer tiefer in seinen Körper eindrang, in seiner Brust einen Schmerz auslöste. Er dachte daran, dass er doch Recht hatte, dass er, der sich nicht unterwerfen lassen wollte von einem Leben für Arbeit für Andere, dass er dieses Recht hatte, dieses System zu verurteilen. Dann, dachte er, sollte er vielleicht auch das System verurteilen, aber nicht jeden Menschen. Das System lebt nur von den Menschen, die es so hinnehmen, widerspricht er sich selbst innerlich. Somit ist ein Jeder Teil dieses Systems, welche ihn, der andere Vorstellungen hat, entweder unterkriegen oder einsperren möchte, versuch sich Milan selbst für all die Zeit der Wut gegen einen Jeden zu verteidigen, doch es scheint, als könne der Bäckermann, oder die Frau an der Kasse, als können sie persönlich doch nichts dafür, sollten nicht Zielscheibe seiner Wut, die sich in ihm angestaut hat, sie seine Gedanken und Gefühle selbst produziert haben., sein, Milan war verwirrt. Seine Gesichtszüge entglitten ihm zu einer Grimasse aus Wut und Trauer. Er wollte doch nicht so schlecht zu allen sein, aber warum musste er sich dann immer rechtfertigen? Was gab es für einen Weg für ihn? Milan sah aus dem Fenster, sah zu den Wolken, die sich langsam abregneten. Dann faltete er das Blatt zusammen und überlegte, ob er ihr noch einen weiteren Brief über sich schreiben sollte: Dass er gut angekommen sei und so. Aber das erübrigt sich, der Brief konnte ja nur von ihm stammen und wenn etwas nicht in Ordnung gewesen wäre, dann hätte er ohnehin gar nichts geschrieben. Dann steckte er das einzelne Blatt in das Kuvert, das ihm sehr leer erschien und versah den Briefkopf mit Paulettes Adresse, bzw. der von Rapha, der Milan noch nicht wissen konnte, dass sie, Paulette, nun mit Simon zusammen ziehen würde. Milan dachte an Paulette, was sie wohl gerade tat. Es war gerade einmal Mittag. Milan legte sich noch einmal ins Bett. Erst am frühen Abend verließ er sein kleines Apartment und stapfte zu dem Gebäude, dass den gemeinsamen Aktivitäten vorenthalten war. Der Kochabend, er war auch keine Pflicht, doch sollte man daran teilnehmen, wenn man den Psychologen gegenüber gut gesinnt sein will und nicht zuletzt, damit hier überhaupt bleiben konnte: Eine Beobachtung fand immer statt, denn wenn sich einer nicht eingliedern konnte, wenn von jemanden Gefahr oder Gewalt ausging, so wurde er wieder in eine Klinik gebracht. Das hatte Milan bereits mitbekommen, ohne, dass man den Willen zeigt, sich einzuleben und sein Leben, wie es so schön heißt, in die Hand zu nehmen, geht hier gar nichts. In den letzten Wochen hatte Milan die meisten Bewohner bei diesen Abend Veranstaltungen kennen oder zumindest sehen gelernt. Die restlichen Abende verbrachte Milan lieber alleine. Da gab es welche mit Borderline Syndrom, die, je nach Gemütszustand, entweder ihren Arm, in dem die Narben deutliche Zeichen hinterlassen hatten, unter einem Ärmel versteckten, was vielleicht hieß, dass es ihnen gerade gut ging, oder manchmal auch demonstrativ beim Handtieren in der Küchen allen hinstreckten, wie sie gerade auf der Suche nach Mitgefühl waren. Da war erst mal Hans, der hierher kam, weil er zur Selbstzerstörung neigte. Hans war ein netter Kerl, fand Milan, ziemlich still, aber immer nett. Er hatte einen Iro und trug typische Punkerkleidung. Hans war ein seltsamer Name für einen Punk. Vielleicht war es aber auch der Name, dachte Milan einmal, den Hans zum Punk werden ließ. Bei Menschen wie Hans denken die meisten, dass es zu deren Leben als Punker gehörte, dass er sich ein bisschen die Arme aufschlitzt. Zu viel Alkohol, randalieren und Selbstzerstörung, das war für die meisten Punk sein. Hans war so gar nicht der typische Punk, aber die meisten Punks sind wohl, wenn sie alleine sind, keine typischen Punks mehr. Hans war ruhig und bedachte seine Worte genau. Bevor er etwas sagte, dauerte es einige Sekunden, in denen man seine grünen Augen von der einen Seite des Auges zur anderen wandern sehen konnte , hin und her, und wenn er dann zu einem Ergebnis gekommen war, blieben die Pupillen in der Mitte der Augen stehen und er begann einen kurzen Satz zu sagen. Nie hatte Milan ihn mehr als zwei aufeinander folgende Sätze sagen gehört. Das gefiel Milan an Hans. Von ihm ging nicht die Gefahr aus, dass er einen mit unnütze Sachen zu texten würde.

      -9-

      Am Abend hielt sich Milan wieder an Hans. Insgesamt waren ca. 20 zu Betreuende und sieben Betreuer da. Die Aufgabenverteilung wurde immer gewechselt. Das letzte Mal war Milan mit kochen, das vorletzte Mal mit dem Decken und weiteren Vorbereitungen beschäftigt. Diesmal was er im Spültrupp. Milan war aus zwei Gründen bereits nach der Aufgabenstellung von betrübter und genervter Laune. Zum einen hatte er nichts zu tun, als da zu sitzen und ab zu warten, bis endlich das Essen fertig war. Zum andere musste er bis zum Schluss bleiben, wiederum warten, bis alle anderen aufgegessen haben und das Geschirr gespült werden wollte. Milan verstand, dass so ein gemeinsames Essen, vom Kochen bis zum Spülen, nicht nur die Gemeinschaft stärken soll, sondern an alltägliche Tätigkeiten heranführen. Essen in eine Notwendigkeit, egal wie wer denkt und was er von seinem Leben hält. Ein, zwei Essgestörte gab es hier, die aus einer geschlossenen Klinik hierher kamen und für welche diese alltägliche Normalität des Essens zur alltäglichen Qual wurde. Jeder der hier aufgenommenen, so erzählte ihm die Frau, deren Namen er bereits vergessen hatte, bei der Einführung: Jeder, der hier ist, hat zumindest seine Krankheit erkannt, ist sich ihr bewusst und weiß auch worauf er achten muss. Nicht jeder nicht Medikamente und es gibt unterschiedlichsten Krankheitsbilder. Milan hatte sich am Vormittag wieder in seine Schleife hinein gedacht, hätten ihm die Psychologen gesagt. Auch wenn Milan Probleme damit hatte, dies soweit zuzugeben, war er sich dessen, dass diese Gedanken, die ihn von so vielen anderen Menschen in der Gesellschaft trennten trennten, immerhin bewusst und versuchte sie durch die Projektion auf Frank besser zu verarbeiten. Er zweifelte nicht an seiner Vorstellung über das Netz, das System, in dem die Menschen hängen und sich wie Marionetten bewegten, und er wusste, er zweifelte nicht an der Vorstellung, dass ein jeder Mensch seit er denken kann bewusst zu Glaubenssätzen und einer Moral getrieben wurde, die er sich soweit einverleibt hatte, bis er diese als seine akzeptierte und durch sie hindurch die Welt verzerrt wahr nahm. Und, und dies war neu, seit dem er draußen aus der Klinik, in der alles, was er gesagt hatte, auf das Krankheitsbild bezogen hatte, er hatte dieses Gespür, dass es vielleicht doch andere gab, die ähnlich dachten. Paulette erschien vor seinem inneren Auge. Er schob sie weg, nahm sie leicht am Arm und brachte sie aus der Bildfläche, um den Jetzt wieder Einhalt zu gewähren. Er hatte es bei Hans in den wenigen Sätzen heraus gehört, dass