steht die Angst als Stoppschild davor. Doch die Angst war so groß, dass Milan nicht aus seinem Bett kam, gab es Wände oder nicht, das spielte keine Rolle. Und er fror, denn es zog der Winter in seinem Bett ein und ein eisiger Wind zog über seine dünne Haut, bis sich die Härchen aufstellten. Er tastete und schrie, tastete und fror, tastete und schrie. Endlich wachte er auf, Schweiß überzog seine zitternden Glieder. Stürmisch schlug er seine Augen auf, es war hell. Er tastete in die Leere des Raumes, zuerst vorsichtig, dann krabbelte er auf dem Bett entlang, um jedes Eck, jede Linie über dem Bett im Raum nachzufolgen: Erleichterung. Nur die Bettdecke lag auf dem Boden. Er zog sie zu sich und deckte sich zu. Seine Augen trauten sich nicht mehr zu schließen. Es war die Szene , die er in der psychischen Anstalt auf Mallorca erlebt hatte. Er stand unter der Dusche und fühlte, wie ihm seine Haut und sein Körper entglitten und dem Wasser folgen wollte. War es schön, war es beängstigend? War es Einbildung, was es Realität? In seinen Gedanken mischten sich Erinnerung und Traum. Nur die Angst, sie hielt ihn auf, dachte Milan, die anerzogenen Angst vor allem, dass unseren Sinnen, unseren nach außen gerichteten Sinnen nicht sofort erst mal zu widersprechen scheint. Wir haben verlernt, auch unsere Energie, das was in uns ist uns uns umgibt, dass was wir nur noch als Intuition, als Gespür wage zu bezeichnen uns trauen, anzunehmen, obwohl es über die Sinne hinaus geht, viel elementarer als unsere auf Ort, Zeit und zweifelhafte Physiologie beschränkten Sinne, geht. Die Angst, sie erdrückt unser Gespür für diese Seins-Energie. Milan starrte zur Decke , die im weißen Licht der Morgensonne zurück starrte. Es war halb acht, der Himmel blau und sie Sonne strahlte gerade hinaus. Sieben Minuten nur ist das reflektierte Licht, das frisch aus der Sonne kommt, alt, dachte Milan. Eines der wenigen Dinge, die ihm aus dem Unterricht geblieben sind. Auch hier ist ihm vor allem die Angst geblieben, Angst, nicht nicht Tagträume verfallen zu dürfen, Angst, etwas dran genommen zu werden, Angst vor den leeren Zeilen in den Geschichtsbüchern. Milan erinnerte sich an einen Tag im Sommer, als er aufgerufen wurde und ein zu lernenden Ablauf der Geschichte wiedergeben sollte. Milan erzählte etwas, das nicht mit den Worten im Buch übereinstimmte und wurde getadelt. Im Buche stünden auch nur Erinnerungen von Menschen, gab Milan kleinlaut und gefrustet, wie ein kleiner Junge, der die Welt nicht mehr verstand, zurück. Es müssten tausenden Berichte nebeneinander liegen oder, wenn nicht, zumindest da stehen, dass dies geschriebene hier ein Eindruck von Millionen war. Und warum sollte er genau diesem Eindruck die Wahrheit verleihen? Milan hatte Geschichte nie verstanden, denn wer konnte schon sagen, was war und falsch war, wirklich oder unwirklich, wenn jeder etwas anderes wahrgenommen hatte und dann noch mit seiner Vorstellungswelt und den Glaubenssätzen abgeglichen, bis es in sein Weltbild passte? Die Decke verdunkelte sich nun und starrte weiter Milan an. Eine Wolke schob sich vor die Sonne, eine Wolke, die wie aus dem Nichts auf dem blauen Himmel auftauchte.