Die abnehmende Sichel des Mondes. Willi Kuhlmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Willi Kuhlmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738000429
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schert auf die Straße ein und beschleunigt zügig.

      Im Haus ihrer Nachbarin steht hinter einem Fenster im Obergeschoss, durch die bis auf einen Spalt breit geschlossenen Vorhänge vor Blicken geschützt, Florian Sander. Die Finger seiner rechten Hand spielen mit einem Kreuz, das auf dem Kopf hängend an einer silbernen Kette, die er um den Hals trägt, befestigt ist. Nachdenklich sieht er Kristina nach, bis ihr Wagen um die nächste Ecke verschwindet.

      Der morgendliche Berufsverkehr mit seinem üblichen Stau treibt Kristina fast zur Weißglut. Schwerfällig wie eine satte Riesenschlange kriecht die Blechlawine, eine Wolke aus stinkenden Abgasen ausstoßend, vor ihr her. Sie ist spät dran, als sie in eine Seitenstraße abbiegt, über die sie die Zufahrt zu dem Hinterhof erreicht, in dem sich die Parkplätze für die Steuerkanzlei ihres Chefs befinden. Sein Wagen steht noch nicht hier. Sie beeilt sich, stellt ihr Fahrzeug ab, verschließt es und läuft über das Treppenhaus die Stufen zum zweiten Stockwerk empor. Leicht außer Atem betritt sie die Kanzlei. Ihre Kollegin und gleichzeitig beste Freundin Manuela Friese sitzt bereits hinter ihrem Schreibtisch, auf dem sich ein Stapel Unterlagen türmt.

      „Hallo, Manuela“, grüßt Kristina und lässt sich auf ihren Stuhl fallen.

      „Hallo, Kristina. Ist dir jemand auf den Fersen oder hattest du eine stürmische Liebesnacht, Schatz? Du siehst völlig geschafft aus“, augenzwinkernd mustert sie ihre Freundin.

      „Das bin ich auch, das darfst du mir glauben“, antwortet Kristina, während sie ihren Schreibtisch aufschließt und ihre Handtasche im untersten Fach verstaut.

      Manuela fällt der traurige Ton in der Stimme Kristinas sofort auf. „Was ist los, hattest du Krach mit Gerd?“

      „Wenn ´s das nur wäre“, antwortet Kristina mit ernster Mine, „dann wäre alles halb so schlimm.“

      „Komm, erzähl, wo drückt der Schuh? Du weißt genau, wenn du Probleme hast, kannst du jederzeit mit mir darüber reden“, aufmunternd sieht Manuela ihre Freundin an.

      „Nicht hier. In der Mittagspause gehen wir ins Bistro gegenüber, dann erzähle ich dir alles. Okay?“

      „In Ordnung, ich bin gespannt was dich bedrückt -.“

      Die Tür geht auf und ihr Chef, Daniel Kaufmann, stürmt in die Kanzlei.

      „Guten Morgen die Damen, ich wünsche wohl geruht zu haben“, sagt er zu ihnen. Geradewegs steuert er auf sein Büro zu.

      Unvermittelt bleibt er stehen und wendet sich den beiden Frauen zu. „Frau Holm, bringen sie mir bitte die Unterlagen von Doktor Finke, ich muss da noch was überprüfen! Frau Friese, sind sie bitte so nett, machen sie mir einen Eimer Kaffee, sonst überstehe ich den heutigen Tag nicht!“ Kaum ausgesprochen ist er auch schon in seinem Büro verschwunden und schließt die Tür hinter sich.

      Manuela sieht Kaufmann schmachtend hinterher. Sie seufzt: „Es liegt sicher wieder eine lange, heiße Nacht hinter ihm, leider hat er sie ohne mich verbracht.“

      Kristina ist aufgestanden, um aus dem Aktenschrank die von Kaufmann verlangten Unterlagen zu nehmen. Sie dreht sich, als ihre Hand mit einem Hängeordner zum Vorschein kommt, zu Manuela um. Mit einem aufgesetzten, vorwurfsvollen Blick sagt sie: „Vergiss nicht, er ist dein Chef.“

      „Na und? Er sieht gut aus, braungebrannt, ein paar Zentimeter größer als ich, hat eine prima Figur. Außerdem ist er mit zweiundvierzig Jahren immer noch Junggeselle. Ich bin auch nicht hässlich und seit drei Monaten wieder solo, wie du weißt. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass er sich ´s durch die Rippen schwitzt und ich auch nicht ins Kloster gehen möchte, ist der Gedanke an eine kleine Liaison mit ihm einfach zu verlockend. Wenn er mich mit seinen dunklen Augen ansieht, spüre ich immer ein kribbeln am ganzen Körper. Ich stelle mir vor wie seine Lippen über meine Haut wandern und -.“

      „Sieh lieber zu, dass du ihm seinen Kaffee kochst“, unterbricht Kristina ihre Freundin in deren Träumereien, „sonst wird nie etwas daraus. Ich bringe ihm inzwischen die Akten.“

      „Spielverderberin“, schmollt Manuela gekünstelt und erhebt sich um das Kaffeewasser aufzusetzen.

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