„Und Sie reiten gewiss auch gut“, fügte sie hinzu, „denn Sie haben so einer Figur dazu. Wollen Sie Nachmittag mit mir reiten?“
„Ich habe kein Pferd hier.“
„O, das macht nichts!“ Sie winkte den Kellner heran.
„Telefonieren sie den Professor von Schulen, das er soll bringen noch eine Pferd mehr, weil noch wird ein Herr mit reiten.“
Der Kellner verneigte sich und ging, den Befehl auszuführen. Sie sah ihm nach.
„Er wird nicht sein sehr gefreut, der Professor, kennen Sie ihm?“
Hans sagte, dass er Schulen nur flüchtig gesehen, aber nie gesprochen habe.
„Werden Sie ihn jetzt sehen reiten – aber kann er nicht. Sitzt er auf die Pferd wie – wie Affe auf Kamel“ – sie lachte ausgelassen – „hat er schlechte Beine zu reiten.“
„Nun, er ist ja auch in erster Linie Gelehrter“, meinte Hans.
Sie nickte.
„Ja, sehr gelehrt ist er, sehr klug – sehr klug! Aber sehr hässliche Beine hat er!“
Sie gähnte leicht, als erinnerte sie sich in einer wenig amüsanten Ideen-Assoziation seiner Klugheit und seiner Beine. Dann sagte sie:
„Wissen Sie, habe ich sehr gerne kluge Männer, spreche ich gern mit sie. Aber hab ich auch gern guter Figur und solche Sachen. Aber klug und immer klug ça devient assommant! (es kann nervtötend) Und hat er wirklich geschrieben schlechte Sachen von Polen in seine Zeitung. Hab‘ ich nicht glauben wollen, aber Gilecka hat mir übersetzt. Af – wirklich schlechte Sachen!“
Und wieder hielt sie Hans ihr Spitzglas hin.
„Auf Paris und dass Sie werden hinkommen.“
„Wie gern käme ich!“ seufzte er.
„Also, wenn sie gern kommen, fahren Sie mit mir!“
„Und meine Kollegs – und mein Vormund – “
„Ach, Ihre ganze Leben können Sie hören Kollegs – aber jung ist man bloß einmal – soll man genießen. Und zu was brauchen Sie eine Vormund? Sind sie groß genug!“
Ihr Blick flog anerkennend über Hansens breite Schultern und blieb auf dem kleinen blonden Bart auf seiner Oberlippe haften.
„Lassen Sie laufen Vormund.“
„Ja, ich lasse ihn schon, wenn er nur läuft! Aber nach dem Gesetze werde ich ihn erst am 10. Februar los.“
„Warum, was ist das für eine Tag?“
„Mein Geburtstag!“ Er lächelte ein wenig verlegen, es genierte ihn, ihr zu sagen, dass er erst 21 Jahre alt wurde.
Sie ergriff seine Hand, die ein Stück Brot auf dem Risch zerkrümelte.
„O, wie Sie sind hübsch, wenn Sie lachen – müssen Sie oft lachen.“
„Das Leben ist aber nicht immer lächerlich, gnädige Frau!“
„Werde ich Ihnen zeigen, wie kann Leben sein, dass man lacht“, sagte sie, immer noch seine Hand haltend. Jetzt strich sie mit ihren weichen Fingern darüber hin.
„Haben Sie starkes, schönes Hand, habe ich gern solches Hand bei einem Mann.“
Er konnte nichts erwidern, er sah sie nur an, und das Herz klopfte ihm sehr stark dabei.
„Werden wir jetzt rauchen Zigaretten und nehmen die Kaffee in meine Salon, kommen Sie.“
Sie stand auf und verließ das Restaurant, und Hans folgte ihr mit heißem Kopf, in dem kein anderer Gedanke mehr Platz hatte als der: wie schön ist sie, und wie lieb und wie gut!
Acht Tage später erhielt Frau von Walsberg folgenden Brief:
Liebe Mutter!
Es ist eine entscheidende Wendung in meinem Leben eingetreten. Ich fühlte schon lange, dass es so nicht recht weiter gehen wollte, und der Generaldirektor Blei sagte mir selbst einmal: „Wenn sie mein Sohn wären, würde ich Sie erst mal auf Reisen schicken.“ Ich sprach damals mit Herrn von Wolffen darüber, er wollte aber nicht davon wissen. Nun ist eine solche Unruhe in mir, dass ich für nichts Sinn habe und an nichts Freude finde, was mich hier umgibt. Was habe ich bisher vom Leben gehabt? Was kenne ich von der Welt? Nichts – nichts! Und dabei liegt das Geld, das ich für eine Reise brauchen würde, bereit, und wenn Onkel Wolffen mir die Erlaubnis verweigert, so liegen keine fachlichen Gründe dafür vor, sondern nur seine Auffassung, die eben eine andere ist als die meine. Nun könnte ich allerdings bis zum 10. Februar warten. Dann bin ich mündig und kann tun, was ich will. Augenblicklich bietet sich mir aber eine ganz vorzügliche Gelegenheit, unter den angenehmen Verhältnissen nach Paris zu fahren. Frau von Mielosenska ist hier und kehrt mit ihrer Tochter jetzt nach Paris zurück. Ich bin mit den Damen hier viel zusammen gewesen, und ich soll sie begleiten, da Herr von Mielosenski verhindert ist, seine Frau abzuholen. Ich bin überzeugt. Liebe Mutter, Du würdest mir selbst zureden mitzugehen, und da sie Sache drängt, so teile ich Onkel Wolffen nur das fait accompli (vollendete Tatsache) mit und muss es darauf ankommen lassen, dass er mir meinen selbständig gefassten Entschluss übel nimmt. Du tust das nicht, leibe Mutter, das weiß ich, Du wünschest mir Glück auf die Reise, und ich kann nur sagen, dass schon der Entschluss dazu mich sehr, sehr froh macht. Ich umarme Dich in Gedanken als
Dein glücklicher Sohn
Hans.“
XI.
Als dieser Brief in Frau von Walsbergs Hände kam, saß Hans im Pariser Schnellzuge der schönen Maria Mielosenska gegenüber in zwanglosestem Gespräch, denn Lonka, die in einer Kuppe-Ecke lehnte und Hans mit dunklen, schwimmenden Augen ansah, verstand nicht ein Wort Deutsch.
„Ich möchte ihr noch geben eine Kuss extra, weil sie nicht versteht“, sagte Maria zu Hans, „und ich kann sagen zu Dir in Deine Sprache, dass ich Dir habe lieb, und du kannst sagen zu mir, dass Du bist glücklich – ja? Bist Du?“
„Wahnsinnig glücklich, Du Süße, einzige, mir ist, als sei es nicht mehr dieselbe Welt – Vor acht Tagen und heute – ich bin ja ein anderer Mensch geworden, seit ich weiß, dass Du mich lieb hast. Es kommt mir noch immer wie gar nicht möglich vor – “
„Und ist doch wahr – Aber Du musst zum Fenster hinaussehen, wenn Du sprichst zu mir, das Kind soll nicht sehen Deine Augen auf mir, weil steht zu viel zu lesen in Deinen Augen!“
„Das ist sehr schwer, aber Du hast Recht!“
„O ja, Du musst sein klug – aber nicht so sehr klug wie die Professor – “
Hans lachte.
„Ich bin ja so eifersüchtig gewesen auf den Professor“, gestand er.
„Du bist in eine große Wut, wenn Du bist eifersüchtig – hab‘ ich gelacht, weil war unnütz, aber hab‘ ich doch gefreut – und die Professor von Schulen ist sehr geärgert, aber hat doch nicht gemerkt mit alle seine Klugheit bis heut, wo kriegt meine Brief – schreibe ich ihm, dass fährt liebenswürdige jung Baron mit mir“. Sie lachte ausgelassen.
„O, wird er machen ein Gesicht, der Herr Professor von Schulen!“
„Mama, was sprecht ihr von Herrn von Schulen?“ fragte Lonka, die den Namen gehört hatte und die sich langweilte.
„Ich sage, dass er der klügste Mann ist, den ich kenne“, antwortete Maria in polnische Sprache.
„Aber dabei ist doch nichts zu lachen, Mama?“
„Ich habe noch gesagt, dass er sehr schlecht reitet, und ich habe gelacht, weil ich an die Figur gedacht habe, die er auf dem Pferde macht.“
Lonka rümpfte das Näschen.
„Ich