Silber. Hans.Joachim Steigertahl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans.Joachim Steigertahl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738034127
Скачать книгу
Fördereimer festgemacht war. Wenn sich die Ochsen also im Kreis bewegten, drehten sie das Kammrad auf der Welle und dieses Kammrad drehte die Seilwicklung. War der Eimer oben, wurde er geleert, durch einen Hebel wurden die beiden Kammräder getrennt und der leere Eimer fiel wieder an seinem Seil in den Schacht; war er voll, wurde der Hebel wieder entfernt und der Eimer rauschte nach oben. Nur schade, dass das Holz schon sehr alt und mürbe war, so dass wir nicht allzu lange die Förderung so einfach hatten.“ „Habt ihr nicht versucht, diese Vorrichtung noch einmal zu bauen?“ „Nein, ich glaube, die Steiger und die Knechte wollten das nicht – und was machst du mit einem Bergwerk, wenn die Steiger nicht wollen?“ Boris setzte sich auf den Wall am Schacht, nahm einen Stein auf und versuchte, die von Cuno beschriebene Vorrichtung in den Staub zu zeichnen. „Lauf zurück zur Burg, nimm dein Pferd und reite zu Ješko, dem Zimmermann, der seine Werkstatt direkt an der Mündung der Jihlávka hat. Bring ihn so bald wie möglich her. Und er soll seinen Kopf mitbringen, wir brauchen ihn hier!“ Cuno rannte los, stürmte in den Stall, wo er von Wolf mit Schwanzgewedel und von Váží mit einem Stupsen der Schnauze an die Schulter begrüßt wurde. Er führte das Pferd in den Hof, legte ihm die Trense an und schwang sich ohne gesattelt zu haben auf dessen Rücken. In leichtem Galopp ging es, begleitet von dem weitausgreifenden Wolf zum Burgtor hinaus, den Pfad hinunter und in das Gedränge der Händler, Käufer und Gaffer am Fluss. Als er die Einmündung der Jihlávka gefunden hatte, schaute er sich suchend um und fand schließlich das schmale, vielstöckige Haus mit dem Dreieck und der Bügelsäge als Abzeichen über der Tür. Ješko saß an seiner Werkbank und glättete mit einem Zugeisen die Rundung eines Holzrades. Als Cuno halb durch das Tor trat, die Zügel in der Hand und Wolf an den rechten Fuß geschmiegt, fragte der Handwerksmeister unwirsch: „Was willst Du? Du nimmst mir das Licht!“ Wolf gefiel der drohende Tonfall gar nicht und lies ein kurzes Heulen hören. Der Alte sprang mit vor Angst geweiteten Augen auf, drückte den Rücken an die Wand und hob das Zieheisen als einziges, was er als Waffe in Reichweite hatte. „Hsch, Wolf“ zischte Cuno und das gehorsame Tier legte sich sofort auf den Bauch, wedelte ein wenig mit dem Schwanz und legte die Schnauze auf Cunos Schuh. Ješko entspannte sich langsam, starrte aber weiter auf Wolf: „Was ist das für ein Vieh?“ Cuno erklärte zum unzähligen Mal, wie er Wolf gefunden hatte und dass er eine ganz harmlose, gut gezogene Kreatur sein. „Das glaube ich erst, wenn er tot vor mir liegt!“ polterte der Zimmermann. „Er hört sich genauso an wie die verdammte Meute, die vor vielen Jahren meine ganze Familie drüben in Mähren angegriffen hat. Nur meine Mutter und ich haben überlebt, sie, weil sie auf den Dachboden geflüchtet war, und ich, weil ich zum Holzholen im Wald war und erst zurückkam, als es schon zu spät war. Einmal Wolf, immer Wolf.“ Cuno ließ es gut sein und gab seinen Auftrag weiter. „Ich bin einer der Knappen Boleslav Přemisl; der Schwarze Boris, sein Bergmeister, schickt mich, weil er sobald wie möglich einen Auftrag mit dir besprechen will. Er wartet am Schachtturm des ersten Schachts in Staré Hory auf dich.“ „Wenn Boris was von mir will, ist es immer was Besonderes“ sagte der Alte, nun schon weniger brummig. „Aber du verschwindest vorher mit dem Vieh aus meiner Sichtweite!“ „Nichts lieber als das!“ Cuno trat die wenigen Schritte zurück auf die Straße, Váží hatte sogar schon gelernt, rückwärts zu gehen, Wolf folgte gehorsam. Als eCuno sich auf den Rücken des Pferdes schwang, bemerkte er – was ihm vorher nicht aufgefallen war – wie die Leute ihn aus den Augenwinkeln beobachteten. Klar, er war auffällig: Ein großer, kräftiger Junge, fast schon ein Mann, mit langen dunkelblonden Locken und fast schwarzen Augen auf einem Pferd, dem man die Erziehung sofort anmerkte, den Wolfshund, der auf seine Anweisungen reagierte, neben ihm; doch der Bursche war schmutzig wie nur je ein Bergmannsein konnte. Er sah, wie die Mägde der umliegenden Werkstätten ihn mit Blicken verfolgten und kichernd miteinander tuschelten, aber er musste zurück. Er gab Váží die Absätze und stob davon. Am Burgtor glitt er vom Pferd und führte es in die Stallungen. „Heute braucht er nur noch geritten werden, wenn ihr Zeit habt“, rief er den Stallknechten zu, „ich habe ihn gerade ganz schön galoppieren lassen!“ Er nahm Váží die Trense ab, gab ihm einen Scheffel Hafer in die Futterkrippe, holte einen Eimer frisches Wasser und strich ihm über die Nüstern, bevor er hinauslief. Wolf sah, dass es nach Staré Hory hinüber ging, und aus den letzten Wochen wusste er, dass er dort keinen Platz hatte; deshalb drehte er ab und trottete zurück zu seinem vierbeinigen Freund im Stall.

      Noch bevor Cuno am Schacht ankam, brach eines der typischen Sommergewitter los. Er hatte natürlich den Himmel keines Blickes gewürdigt und war deshalb völlig überrascht, als ihm etwas Kaltes im Nacken traf und hatte schon seine Knappenbrüder in Verdacht, aber als alles um ihn herum plötzlich weiß wurde, war auch ihm klar, dass es ein Graupelschauer war und kein Schabernack. Trotzdem lief er schneller zurück zum Schwarzen Boris, den er auf dem Schachtwall im Trockenen sitzend vorfand, vor sich einen Haufen Zweige, Schnüre, Holzscheiben, Stöckchen – Boris konnte es nicht erwarten, die Idee aus Steigerthal in „seinen“ Bergwerken auszuprobieren. Als Ješko dann endlich eintraf, triefte er vor Nässe, was seine Laune auch nicht gerade hob. Das änderte sich allerdings schlagartig, als ihm Boris sagte, was er von ihm wolle. „Und bei euch hat das funktioniert?“ fragte er Cuno. „Ja, aber da es eben eine alte Mühle war, hat es nicht lange gehalten.“ „Da muss eben ein Fachmann heran, dann kann man das schon dauerhaft machen – bin ich ganz sicher!“ „Also“, beendete Boris das Gespräch, „du weißt, wie es funktionieren soll, und du machst bis zum Montag ein Modell, mit dem wir dann Boleslav Přemisl überzeugen können, dass wir so die Bergwerksausbeute erhöhen können – es soll euer beider Schaden nicht sein. Althergebrachtes ist gut, aber in unruhigen Zeiten wie diesen, in denen Přemisl fast täglich von uns fordert, dass wir mehr Silber gewinnen müssen, kann man auch einmal etwas versuchen, das es bisher noch nicht gab!“ „Wir hatten die Rolle, die das Seil bewegte, ziemlich hoch gelegt, so dass die Ochsen unterhalb laufen konnten; dadurch war es möglich, das herausgebrochene Gestein mit Hilfe eines ganz normalen Ladebaums, wie er auf jedem Schiff und in jedem Kaufmannshaus zu finden ist, auf Karren umzuladen. Aber das wackelte immer ziemlich heftig. Vielleicht könnte man hier die Ochsen auf dem Schachtwall laufen lassen, dann könnte darunter alles so bleiben wie es ist?“ „Probier‘ beides aus, Ješko!“ Damit war der Zimmermann entlassen und Cuno musste wieder in den Schacht in „seinen“ Gang, denn die anderen Steiger waren schon argwöhnisch geworden, ob ihnen „das Jüngelchen“ nicht den Verdienst verderben würde. Da jeder in einem anderen Stollen arbeitete, aber der eine Schachtturm das Gestein von allen heraufbrachte, wurde der Ertrag allen Gesteins als Grundlage genommen, von dem die Steiger ihren zehnten Teil erhielten, und ein Steiger, der den halben Tag nicht arbeitet, ist schlecht für Alle anderen..

      Schon zwei Tage später wurde Cuno, als er abends müde und dreckig aus Staré Hory zurückkam, von den anderen Knappen mit der Aufforderung empfangen, sich zu waschen und dann unverzüglich in den Saal zu Boleslav zu kommen. Pjotr grinste schon höhnisch: „Na, hast wohl mal wieder gezeigt, dass du es nicht kannst, was?“ Aber die ärgerlichen Blicke der anderen Knappen, die keine Lust hatten, mal wieder wegen einer von Pjotr angezettelten Prügelei bestraft zu werden, brachten ihn zum Schweigen.

      Als Cuno, noch vom Waschen tropfend, die Halle betrat, sah er Boleslav mit dem Schwarzen Boris, Ješko und dem Weißen Boris an einem Tisch sitzen. „Komm her, Cuno! Und du, Zimmermann, erklärst jetzt nochmal, was ihr vorhabt, Cuno muss ja auch eingeweiht werden.“ Ješko und die beiden Boris senkten ihre Köpfe, damit man das Grinsen nicht sehen konnte, denn es war ihnen klar geworden, dass Boleslav die zweite Erklärung für sich brauchte, weil er die Idee noch nicht verstanden hatte. Der Alte fing also nochmal an und stellte das Modell auf dem Tisch auf. „Diese Welle zieht die eine Wanne mit den Gesteinsbrocken nach obenund lässt die zweite, leere Wanne nach unten. Das Kammrad hier am Ende greift in das andere Kammrad auf dieser Welle, die senkrecht nach oben führt. Die zweite Welle endet in einem Flügelrad. An jedem der vier Flügel wird ein Ochse mit verbundenen Augen angeschirrt, der oben auf dem Schachtwall läuft…“ „Die verbundenen Augen sind notwendig, damit den Ochsen nicht schwindlig wird, wenn sie immer im Kreis laufen müssen“, warf der Weiße Boris ein. „Ja, ja, lass mich doch fertig erklären: Wenn eine volle Wanne oben angekommen ist, kann ein Helfer mit diesem Hebelstock hier die beiden Kammräder voneinander trennen. Oben kann die volle Wanne geleert und unten die leere gefüllt werden. Dann wird der Hebel wieder weggenommen und die weiterlaufenden Ochsen verrichten wieder ihre Arbeit.“ „Wenn das wirklich so geht, dann können wir noch mehr Hauer