Silber. Hans.Joachim Steigertahl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans.Joachim Steigertahl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738034127
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dann könne ihn Johann von Luxemburg, der derzeitige böhmische König, zum Ritter schlagen. Zweimal schon hatte Miška es nicht geschafft: beim ersten Mal hatte er zwar alle anderen besiegt, aber es gab keinen König, der ihn hätte in den Ritterstand erheben können. Und als Johann sich im Jahr, bevor Cuno nach Jihlava kam, endlich als König durchgesetzt hatte, war Miska seinem eigenen Bruder, gegen den er wohl nicht mit aller Macht gekämpft hatte, unterlegen! Für ihn ging es also um alles oder nichts, und dementsprechend würde er die anderen Knappen zu vernichten versuchen, Cuno als jüngsten zuerst.

      Im Geist ging Cuno nochmal den Ablauf des Tjosts durch; er wusste, wie er die Lanze beim Gegner anzusetzen hatte, auch wenn es morgen um stumpfe, vorne gepolsterte Stangen ging; er wusste auch, wie er verhindern konnte, dass sich die Lanze in den anstürmenden Angreifer verhakt und ihn damit vom Pferd zog. Aber würde es so gehen? Und dann kam das Schwerste: mit stumpfem Schwert und dem kleinen Schild zu Fuß in der schweren Rüstung gegen den größeren Gegner durchhalten – er konnte sich nur auf seine Schnelligkeit verlasen, an Kraft hatte er Miška nichts entgegenzusetzen. Wenn der wieder, wie letzte Woche, es schaffte, ihm den Schild aus der Linken zu schlagen, könnte er sich das Wissen über den Bergbau, weswegen er ja seiner Meinung nach eigentlich hier war, noch für ein weiteres Jahr aus dem Kopf schlagen. Wenn er Váží dazu brächte, dass er einen Schritt zu der Seite machen würde, die dem anstürmenden Miška abgewandt ist, dann hätte der seine Lanze falsch gesetzt und Cuno hätte eine zweite Chance. Aber wie soll er das schaffen. Und dann kam ihm der Gedanke, Wolf mit auf den Turnierplatz zu nehmen; wenn der rechtzeitig seinen Freund Váží anheulen würde, lehnte der sich sicher auf Wolfs Seite und Miška stürmte ins Leere… „Euer Vater hat schon Recht: Betrug sollte nicht sein. Und Betrug lohnt sich nicht.“ Die Stimme Cuonrads von Hohnstein hallte in seinem Kopf wider. Er hatte das gesagt, nachdem der alte Gernot wutentbrannt gegangen war, weil ihm das Verschneiden der Münzen als Betrug erschien. Es war Betrug, auch wenn es die Landgrafschaft in dem Jahr gerettet hatte und unterdessen die meisten verschnittenen Münzen wieder eingesammelt und gereinigt waren.

      Als Cuno in voller Rüstung auf Váží in die Kampfbahn ritt, war er froh, dass er Wolf nicht zum Betrug mitgebracht hatte; und er war froh über seinen Helm, der verbarg, dass ihm das Blut ins Gesicht schoss: Auf der einfachen Tribüne saßen Graf Heinrich von Pisek, seine Gemahlin Ermingilda und ihr Patenkind Salwa neben Boleslav Přemisl, um dem Tjost zuzuschauen und den Fortschritt der Knappen zu begutachten, während Pritbor Ausrüstung, Waffen und die Sattlung der Pferde bei den anderen Knappen ein letztes Mal überprüfte.

      Miška war auf seinem Ross in die anderen Kampfbahn geritten. Beide warteten auf das Zeichen Boleslavs um die Pferde antraben zu lassen. Doch der unterhielt sich mit seinen Gästen und rief auch noch Pritbor hinzu. Nervös nestelte Cuno an seinem Waffenrock herum, zog das steigerthalsche Wappen gerade und versuchte, Salwa so gut wie möglich zu sehen. Die winkte ihm kurz zu und als Boleslav in dem Moment den Befehl zum Angriff gab, war Cuno zu überrascht, um an Taktik zu denken. Er setzte die Lanze auf den Oberschenkel, gab Váží die Sporen und raste auf Miška zu, dessen Lanze schon am rechten Ellbogen eingelegt auf Cuno gerichtet war. Als sie nur noch wenige Längen trennten, ließ Cuno seine Lanze nach vorne sinken und traf Miškas vom Schild geschützten linken Arm, während er selbst sich unter dem beim Aufprall etwas zu hoch geratenen Lanzenkopf Miškas durchbückte, so dass der halbe Schaft ihm über den Rücken glitt, ihn aber nicht aus dem Gleichgewicht brachte. Am Ende der Kampfbahn wendeten beide ihre Pferde und stürmten erneut aufeinander zu. Diesmal gab es kein Entrinnen. Cuno flog aus dem Sattel und krachte auf den sowieso schon schmerzenden Oberarm. Aber im Fallen hörte er den Aufschrei Salwas. Als er wieder auf die Füße kam, sah er, dass sie die Hand vor den Mund hielt und ihn mit Tränen in den Augen ansah. Das war der Kraftspender, der ihm gefehlt hatte. Miška und Cuno standen einander nun – so gebot es die Regel – zu Fuß gegenüber, Kurzschwert und kleines Schild. Miška stürmte auf Cuno zu, den Schild halbhoch gehalten, das stumpfe Schwert in der Faust, bereit, von unten nach oben zuzustechen. Cuno wartete, bis der Tscheche schon fast nah genug für einen Streich war und wechselte dann blitzschnell Schwert und Schild, so dass Miška nun vor seinem Schwert den Schild Cunos hatte, während dessen Linke einen mächtigen Schlag gegen den Kopf des Gegners landete. Miška stolperte kurz und warf sich mit einem lauten Schrei auf den Kleineren, der wieder Schwert und Schild zu tauschen versuchte, aber doch zu langsam war. Der Schild fiel ihm nach dem ersten Schlag aus der Hand, Miška setzte ihm das Schwert an die Halsbeuge und schlug zu. Stöhnend sank Cuno in den Matsch der Kampfbahn und gnädiges Vergessen legte sich um ihn.

      Als er wieder zu sich kam und versuchte, die Augen zu öffnen, lag er in dem kleinen Zelt, das den Kämpfern als Ankleide diente. Draußen hörte er das Geschrei der Kämpfenden, drinnen lag Tibor bewusstlos neben ihm, und Friedrich wartete , nun wirklich heulend, auf seinen Einsatz. Aber da spürte Cuno, wie jemand ein feuchtes Tuch auf seine Stirn legte und ihm vorsichtig das Gesicht zu reinigen versuchte. „Du kannst es sicher nicht ertragen, schmutzig zu sein!“ sagte die helle Stimme Salwas hinter ihm. Er öffnete die Augen und schaute hoch. Ihre Stimme hatte geklungen, als ob sie sich über ihn lustig machen würde, aber als er ihr ins Gesicht sah, bemerkte er die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. „Warum müsst ihr nur immer kämpfen, es gibt doch Wichtigeres, das immer gilt – frag deinen Tasso!“ Mit Mühe hob er seinen Arm und legte seine Hand auf ihre. „Danke!“

      Neben im rührte sich Tibor und Salwa konnte nicht anders als auch ihm die Stirn zu kühlen, bis er ganz erwachte. „Wie sieht es draußen aus?“ fragte Cuno, die unverfänglichste Frage, die dem Vierzehnjährigen einfiel. „ Miška hat bisher alle besiegt, aber so übel wie euch beide hat es keinen erwischt. Johann ist erst im vierten Anlauf gefallen und, Pjotr hat sich, glaube ich, von alleine fallen lassen und tat sich damit gar nicht weh. Juri fiel gleich, hat aber Miška im Fußkampf fast besiegt – jetzt ist noch Friedrich dran, aber sicher nicht lange!“ „Stimmt!“ Das war Pritbor, der gerade die Decke am Eingang des Zeltes zurückschlug. „Miška kann sich zum Ritter schlagen lassen und auch der Rest hat sich gut gehalten –bis auf Friedrich – der dürfte schon oben in eurer Kammer auf dem Strohsack liegen und heulen! Lasst sehen, was ist euch passiert?“ Salwa rückte zur Seite und der stämmige Ritter machte kein Federlesen aus seiner Überprüfung. Beide Jungen zogen vor Schmerz die Luft durch die Zähne ein, als er sich Arme, Beine und Brustkorb der beiden vornahm. „Sehr schön – nichts wirklich kaputt, auch wenn es noch ein paar Tage weh tun wird. Du, Tibor, brauchst nochmal ein paar Fußkampfübungen, damit dich so einer wie dein Bruder nicht wieder niederschlagen kann. Ich verstehe schon, dass er die Schmach vom letzten Jahr, gegen den kleinen Bruder verloren zu haben, tilgen musste, aber du hättest auch damit rechnen müssen und dich besser sichern. Und nun zu dir, Cuno: Dafür, dass du erst ein Jahr bei uns bist, hast du dich gut geschlagen; der Trick, Schild und Schwert erst in der einen, dann in der anderen Hand zu führen, hat schon manchen großen Ritter zu Boden gebracht. Was dir noch fehlt, ist Kraft und Sicherheit. Die Kraft wirst du bekommen, wenn du ab nächster Woche wieder richtig laufen kannst und der Schwarze Boris dich in den Berg scheucht!“ Damit verließ Pritbor die drei und gesellte sich wieder zu den Gästen, um einen ordentlichen Schluck auf die Erfolge zu nehmen. Cuno überlegte verzweifelt, wie er das Gespräch mit Salwa, die ihn jetzt fragte wo und wie es weh täte, so hinbiegen konnte, dass dabei mehr als nur das Gesagte gesprochen wurde, als die Decke des Zeltes wieder gehoben wurde. Eine der Mägde schaute scheu herein und überbrachte ihre Botschaft: „Ritter Přemisl bietet euch an, das Badehaus zu benutzen; Frau Aljina hat warmes Wasser bringen lassen. Neben dem Becken findet ihr ein Fläschchen mit einer Tinktur, die sollt ihr auf die schmerzenden Stellen reiben.“ Und damit war sie verschwunden. Salwa musste trotz immer noch rollender Tränen über das ganze Gesicht grinsen. „Da wird unser Cuno sich aber freuen! Und, ehrlich gesagt, ich auch, denn so, wie ihr beide gerade riecht, ist es keine Freude, heute Abend beim Festmahl neben euch zu sitzen! Bis später!“ Sie ließ ihre Hand etwas länger als notwendig auf Cunos Stirn liegen und verschwand dann ebenfalls durch die Zeltdecke.

      „Ist das das Mädchen aus Pisek, von dem du erzählt hast?“ Tibor schien der Schlag seines Bruders schon weniger zu beschäftigen als seine Neugier. „Ja.“ „Die ist wirklich süß – diese Haare, diese Haut – aber das mit den grünen Augen war hier im Zelt gar nicht zu erkennen – ich glaube, da hast du aufgeschnitten!“ Cuno quälte sich auf die Füße. „Ich glaube nicht. Wenn wir nachher mit