Silber. Hans.Joachim Steigertahl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans.Joachim Steigertahl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738034127
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oft das Baden als etwas Schönes erwähnt, dass er sich ohne Murren ebenfalls aufrichtete und mitkam, und wenn es nur war, um seine Neugier zu befriedigen!

      Das Badehaus war hinter dem Turm, der die Kemenate verbarg, in halber Höhe angebaut. Eigentlich war die Kemenate das Frauenhaus, aber BoleslavPřemisl hatte es wie viele andere als die Privatgemächer der Familie gebaut. Cuno und Tibor mussten erst einmal die Treppe im Turm hinauf, dann durch die von einem Gewappneten bewachte Tür in den eigentlichen Wohnbereich, und da erwartete sie schon die Magd, die ihnen vorher die Nachricht gebracht hatte und wies ihnen den Weg: Hinter einer festen Holztür öffnete sich ein wohl zwanzig auf vierzig Fuß großer Raum, angenehm erwärmt durch ein großes Feuer im Kamin und in das in der Mitte liegende Becken sprudelte – wie Salwa es erzählt hatte – dampfendes Wasser aus einem Holzrohr. Die beiden Jungen entledigten sich der Reste der Rüstungen, dann der Unterkleider und stiegen vorsichtig in das Becken. Kaum hatten sie es sich auf den gemauerten Bänken im Becken gemütlich gemacht, kam Pritbor herein, und rief nach draußen: „Genug Wasser! Abstellen!“ Dann wandte er sich an Cuno und Tibor: „Das warme Wasser hilft den Muskeln, den Schmerz zu vertreiben und es verhindert, dass Schlimmeres als Schmerzen daraus entstehen. Lasst euch erst einmal durchwärmen, und dann nehmt die Tinktur von Frau Aljina und reibt sie in die schmerzenden Stellen. Die Magd wird euch saubere Kleidung bringen, eure dreckige könnt ihr morgen waschen und die Rüstungen morgen polieren. Wir erwarten alle Kämpfer beim Abendmahl. Es wird schließlich das letzte Mal sein, dass Miška als Knappe in unserer Halle sitzt!“

      Etwa eine Stunde später saßen zwei wohlriechende, saubere und aufgeregte Knaben neben ihren Knappenbrüdern und Salwa gegenüber. Cuno gratulierte Miška, der sich sichtlich freute, dass seine härtesten Gegner wieder auf den Beinen waren. „Danke für die guten Wünsche! Und ich muss sagen, du warst ein harter Brocken, genau wie Tibor. Und wenn ich euch nicht alle besiegt hätte, hätte ich wenigstens Baden wollen. Ich weiß noch, wie das mir beim ersten Kampf wohl getan hat!“ Alle waren durstig und hungrig, und wie es Brauch war in Jihlava, musste der Sieger des Tjost die Unterlegenen und die Gäste bewirten, so dass sich Miška erst einmal seinen Pflichten widmen musste. Tibor, Johann, Juri, Pjotr und Friedrich stürzten das erste Bier hinunter, Cuno blieb beim Wasser, da er wusste, dass das Bier ihn zu schnell wirres Zeug reden ließ, und das wollte er heute Salwa gegenüber nun wirklich nicht. „Wie war das Baden?“ „So, wie du gesagt hast: das warme Wasser fließt aus einem Rohr in der Wand und wenn du bis zum Hals darin liegst, kannst du dir vorstellen, wie das Paradies ist!“ „Schwärme du nur weiter – wenn das noch lange geht, werde ich Onkel Heinrich bitten, mir in Pisek auch ein Badehaus einzurichten!“ „Dann könnten wir zusammen baden“ platze es aus Cuno heraus, und bevor der Satz ganz heraus war, wurde der Junge puterrot, Salwa aber auch, obwohl sie die Geschichte von Cunos Urgroßmutter sicher nicht kannte. Und keiner von beiden vollendete den Gedanken in Worten.

      Nach dem Essen kam der Schwarze Boris herüber an den Tisch der jungen Leute. Er war vierschrötig, mit kräftigen Armen und Beinen und trug einen dichten, schwarzen Bart und langes schwarzes Haar – der Name passte zu ihm. „ Pritbor hat mir gesagt, dass ich nächste Woche einen neuen Bergmann einarbeiten soll; hast du feste Schuhe, keine Stiefel? Und eine eiserne Kappe? Besorg dir beides von Boleslav und am Montag bei Sonnenaufgang bist du am ersten Schacht in Staré Hory, das ist gleich hinter der Burg!“ Ohne weitere Höflichkeiten drehte sich der Schwarze Boris um und stapfte zu seinem Tisch, wo er mit anderen Bergleuten weiter trank. „Warum willst du denn unbedingt das Berghandwerk lernen? Du fliegst als Knappe ja schon oft genug in den Dreck!“ Cuno schaute Salwa an – ja, ihre Augen waren so grün, wie er es Tibor erzählt hatte. Als er kurz zu dem hinübersah, konnte er feststellen, dass auch Tibor diese Augen suchte.

      „Ich komme aus einer Familie, die nur ein sehr kleines Lehen hat – und du kannst beruhigt sein, wir haben keine Leibeigenen! Die Leute in unserem Dorf arbeiten entweder als Bergleute oder versorgen diese. Und das Silber, das wir gewinnen, erhält der Landgraf Friedrich von Thüringen, um Hof und Heer zu bezahlen. Aber wir haben wenige Kenntnisse, was Bergbau und Silbergewinnung angeht. Was wir wissen, das haben wir alles aus Erfahrung uns erarbeitet. Boleslav, eigentlich noch besser der Schwarze Boris, weiß viel, viel mehr darüber, und wenn ich das auch alles gelernt habe, dann können wir unseren Steigern ein besseres Leben sichern und unserem Landesherren die Ruhe für eine gute Politik!“ „Und du kannst den ganzen Tag baden!“ Es klang schnippisch, aber Salwa sah dabei eher verträumt aus. „Oder du kannst mit mir Schach spielen – jetzt!“ „Oh, Salwa – das ist etwas, was ich nun noch überhaupt nicht kann. Ich weiß, ich sollte es können, so wie Singen und Leier spielen, aber…“ Tibor beugte sich zu ihnen hinunter. „Hast Du Pritbor nicht gehört? Wir sollen sofort in unserer Kammer zusammenkommen. Die Arbeiten für morgen werden verteilt und da Miška heute seine erste Nacht im Saal der Ritter verbringen darf, müssen wir auch klären, wer im nächsten Jahr, bis ich zum Ritter geschlagen werde, wo seinen Schlafplatz hat. Bleibst Du überhaupt hier in der Burg oder wohnst du dann irgendwo beim Schwarzen Boris?“ Cuno stand auf, verbeugte sich höflich vor Salwa, flüsterte leise „Ich hoffe, ich sehe dich bald wieder“ und folgte Tibor, um sich von Boleslav und Aljina und den Gästen zu verabschieden. Heinrichs „Besuch uns bald in Pisek!“ nahm er gern zur Kenntnis und folgte dann Tibor in ihre Kammer. „Wo sind die anderen?“ „Unten in der Halle.“ „Was soll das? Warum hast du mich hierher gelockt?“ „Weil jeder sehen konnte, dass du völlig verschossen bist in dieses Mädchen und ich dich vor irgendwelchen blamablen Geschichten schützen wollte! Sie ist sehr nett und sehr schön und hat sehr grüne Augen, aber sie ist Tschechin, und du kennst die Meinung Miškas, die übrigens die Meinung meiner ganzen Familie und meine ist, dass dieses Land und seine Menschen unser Land sind.“

      Cuno gab sich geschlagen. Er wusste, dass er von Salwa träumte und sie schöner, klüger, geistreicher fand, als alle anderen Mädchen oder jungen Frauen, und er war sich nicht sicher, ob er nicht bald irgendeinen Blödsinn gemacht hätte, den er zwar sich erträumen könnte, aber den er nicht im Beisein all dieser Männer zeigen durfte.

      Deshalb half er Tibor, die Strohmatratzen herum zu schieben. Tibor erhielt nun den Platz hinter der Tür, Cuno rutschte an die trockene Wand zum Treppenhaus hin und der nasse Platz an der Außenwand blieb frei für den, wen auch immer, der neuer Knappe von BoleslavPřemisl werden sollte. „Ich soll meinen Bruder nach Prag begleiten, du kannst dann solange meinen Platz einnehmen.“

      Iglau, Sommer 1318

      „Die Hochfläche, die sich rund um Jihlava erstreckt, ist aus den gleichen Gesteinen, die du auch schon von zu Hause kennst, der grauschwarz gesprenkelte Granit und der grauschwarz gebänderte Gneis. Hier haben wir den Vorteil, dass sich die Schichten von Sonnenuntergang nach Sonnenaufgang senken, so dass man schon bald feststellen kann, ob das Gestein Silber enthält.“ „Das ist viel einfacher als bei uns – da liegen die Schichten gerade und man muss sich erst hindurch graben, um Erzgänge zu finden!“ „Siehst du, das ist schon ein Grund, warum wir hier viel erfolgreicher sind. Woran erkennst du, ob Silber im Gestein ist?“ „Zwischen den schwarzgrauen Punkten oder Streifen sieht man kleine fast braune Kerne oder Fäden – das ist das Silber.“

      Cuno und der Schwarze Boris liefen von der Burg durch Staré Hory zum ersten Schacht. Er war von einem massiven Dach aus Balken und Schindeln gekrönt, das die eigentliche Mechanik verbarg. Zwei dicke Stämme, die auch den Dachfirst trugen, hatten je ein großes Loch, durch das ein kleinerer Stamm geschoben war, an dessen beiden Seiten Hölzer hineingeschlagen waren, damit man an ihnen wie an einem Steuerrad den Stamm drehen konnte.. Der Schachtmeister überwachte die Anlage und rieb oft Tierfett in die Löcher, so dass sich der kleinere Stamm leicht bewegte, trotz der großen Lasten, die an ihm hingen. An ihm befestigt waren zwei Seile, die jeweils große Wannen trugen. Die Seile waren aber so gewickelt, dass ein Bergmann, der sich in so einer Wanne in den Schacht begab, mit seinem Gewicht die andere Wanne mit ausgebrochenem Gestein nach oben zog – auch wenn der Schachtmeister manchmal nachhelfen musste, weil die eine oder die andere Wanne schwerer waren. Aber dafür waren die Querhölzer an den beiden Enden des Stammes ja schließlich da. Oft musste des Schachtmeisters Geselle, der tatsächlich nach seinem Körpergewicht ausgesucht wurde, an der Stelle eines Bergmanns in den Schacht fahren, damit das Gestein nach oben kam. Der arme Kerl hatte dann