Silber. Hans.Joachim Steigertahl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans.Joachim Steigertahl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738034127
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an Gesteinsbrocken. Das silberhaltige Gestein wurde in Schubkarren geschüttet und zur Verarbeitung gebracht. Das „blinde“ Gestein, also der Abfall, der ausgebrochen wurde, um den Schacht tiefer zu machen oder um zwei Gänge zu verbinden, wurde rund um den Schachteingang aufgeschüttet. Dieser Wall war beim ersten Schacht schon höher als der Schachtturm. Cuno hatte die letzten Wochen die niederste Arbeit im Berg getan: er hatte das von den Steigern herausgebrochene Gestein in Weidenkörben entweder schräg nach oben oder schräg nach unten bis zum Schacht getragen und in die Wannen geschüttet. Da die Schichten sich absenkten, wie ihm Boris gerade wieder erklärt hatte, hieß das, dass er auf dem unebenen Boden im Dunkeln die nicht mal mannshohen Gänge schwerbeladen bergauf laufen musste, immer auf das Licht im Schacht achtend, das ihm die Richtung wies. Zurück war der Weg leichter, aber die Funzeln der Steiger waren so schwach, dass er oft gegen das Gestein taumelte. Die eiserne Kappe und die festen Schuhe hatten ihm oft geholfen, aber er hatte trotzdem mehr blaue Flecken als jemals in seiner Knappenzeit. Aber, und das hatte ihm Knappenmeister Pritbor ja vorausgesagt, er war wesentlich kräftiger geworden. Das war wohl auch der Grund, warum Boris heute mit ihm sprach, statt ihn direkt in den Schacht zu schicken. „Du hast jetzt genug Kraft, um selbst als Hauer zu arbeiten. Lass uns über die Leitern in den Schacht steigen, und dann versuchst du mal,ob du eine Stelle finden kannst, die wirklich Silber führt und an der du das Gestein aus deinem ersten Erzgang herausbrichst.“ Er drückte Cuno eine Haue in die Hand. Sie sah fast aus wie ein Kreuz: der Eichenholzstiel steckte in einem Flacheisen, das an beiden Enden daumenlang und zugespitzt war. Cuno war stolz, dass der Schwarze Boris ihm das Steigen schon nach so wenigen Wochen zutraute, aber er wusste auch, dass er jetzt gut suchen musste, sonst würde er noch Monate Steine schleppen. Als sie die Leitern bis fast zum Grund des Schachts herabgestiegen waren, sah er aus den Augenwinkeln im Licht der Laterne eine braune Linie im Gneis, die eine andere Farbe hatte als die Gesteinsbänder. Er stieg die Leiter wieder etwas hinauf und bat Boris um seine Laterne. Oft genug hatte er die Hauer ihr Werkzeug führen sehen und so konnte er mit wenigen Schlägen einen vielleicht faustgroßen Stein herausbrechen, den er mitsamt der Laterne Boris reichte. „Verdammt, da kommt so ein Anfänger und sieht, was alle meine Steiger übersehen haben! Leg eine zweite Leiter an und dann schauen wir, ob da noch mehr ist als ein Silberfädelchen.“ Boris nahm sich ebenfalls eine Haue und mit vereinten Kräften hatten sie bald eine kleine Höhle in die bis dahin recht glatte Schachtwand geschlagen. Normalerweise reichte der Schacht immer nur so tief, wie die unterste Fundstelle, aber nun arbeiteten sie mindestens 20 Fuß über dem Schachtboden, so dass sie genauso viel Kraft brauchten, nicht von der Stelle zu rutschen als Gestein zu hauen. „Hol die Proben, und dann schauen wir nach, was Du wirklich entdeckt hast!“ Cuno stieg zum Schachtboden hinab, füllte das herausgehauene Gestein hinein, trug es zur Wanne und schaute ihr nach, als sie nach oben stieg und der Geselle des Schachtmeisters unten aus der anderen Wanne sprang. Während Boris schon die Leitern hinaufstieg, blieb Cuno unten, bis alles Gestein verladen war. Als auch er oben ankam, sah er, dass Boris den Inhalt der ersten Wanne bereits einem Hauer zugeschoben hatte. Wie viele andere saß dieser gleich hinter dem Gesteinswall, der den Schacht umgab, auf einem Sitzbalken, vor sich einen Granitwürfel, so hoch wie der Balken. In der Oberfläche war durch das dauernde Hauen eine Kuhle entstanden, in die der Hauer nun das neu gebrochene Gestein legte. Mit einem Holzschlegel und einem Flacheisen rückte er den Brocken zu Leibe und zerschlug sie in kieselgroße Stückchen. Ein Junge füllte diese Splitter in einen Korb, und als die „Ernte“ von Cuno und Boris zerkleinert war, lud sie der Junge auf eine Schubkarre und führte sie zu dem Schmelzofen, der gerade die größte Hitze entwickelte. „Jetzt wird es spannend“, sagte der Schwarze Boris und wies einen Knecht an, den Karreninhalt in einen der großen tönernen Tiegel zu füllen und schob diesen eigenhändig auf eisernen Schienen in die Glut. Der Knecht stellte eine Sanduhr auf „Beginn“; neben ihm begann ein dritter Helfer, den Blasebalg mit beiden Händen zu ziehen. Die Hitze in der Schmelzhütte war enorm, die Knechte trugen eigentlich nur Lederschürzen, um sich vor herausfallender Glut oder gar geschmolzenem Metall zu schützen. „Warum sind die Schmelzöfen eigentlich von Mauern umgeben und haben ein Dach? Die Hitze kann man doch kaum ertragen, und wenn einem der Schweiß in die Augen läuft, wie mir gerade, kann doch viel passieren.“ „Das stimmt schon“, lachte Boris, „Aber Hitze brauchen wir nun mal zum Schmelzen, und es ist teuer genug, die Hitze zu erzeugen, da wollen wir doch nicht den Wald dadrüben mit erwärmen!“ Als der Sand in der Uhr durchgelaufen war, zog der Knecht den Tiegel wieder aus der Glut, stellte einen anderen davor, befüllte diesen und das Ganze wiederholte sich. Boris und Cuno waren zu neugierig, um abzuwarten, bis der erste Tiegel ausgekühlt war. Cuno schnappte sich einen Holzspaten, mit dem gewöhnlich die Holzkohle aufgelegt wird und schob das heiße Gestein heraus. Und am Boden blieb eine ziemlich große, mattgraue Lache übrig. Als Cuno den Spaten in die Lache stieß, brach die mattgraue Haut darüber und das hellglänzende Silber kam zum Vorschein. „Junge, damit hast du dir in ein paar Stunden einen ordentlichen Einstand geschaffen,“ rief der Schwarze Boris und schlug Cuno auf die Schulter; denn wie im ganzen Reich erhielt der Steiger auch in Böhmen den zehnten Teil des erschmolzenen Silbers als Lohn, und das Zehntel der ersten Schmelzung sofort. „Damit kannst du deinen vornehmen Herren und Knappen heute Abend so manchen Krug Bier kaufen!“ „Ihr seid eingeladen, Boris, und der Schachtmeister auch!“

      Als Cuno bei Sonnenuntergang zurück zur Burg mehr schwankte als ging, hatte er „seinen“ Erzgang schon so weit vertieft, dass er beim Hauen in der Höhlung knien konnte, und die Ausbeute war weiter gut gewesen. Die Hände schmerzten vom Aufprall der Haue auf das Gestein, die Finger waren blutig vom Zusammenklauben der Brocken, aber trotzdem war er glücklich. Er hatte einen Fladen Silber in der Tasche und endlich ging es vorwärts mit seinen Kenntnissen über den Bergbau. Allein die Vorrichtungen wie der Schachtturm oder der ausgeklügelte Schmelzofen, die er in den letzten Wochen kennengelernt hatte, würden die Produktion in Steigerthal vervielfachen. Er musste nur noch die Technik soweit verstehen, dass er sie nachbauen konnte. Wenn er da an die primitive Kurbel dachte, mit der das Gestein zu Hause aus dem Schacht gezogen wurde – wie Wasser aus dem Brunnen! Und die Schmelzen waren eher wie der Holzkohlehaufen an der südlichen Bastei, damals, als Graf Hohnstein und sein widerstrebender Vater versucht hatten, Silber zu verschneiden. Vieles aber verstand er noch überhaupt nicht, und deswegen war es gut, dass er bis zum Winter dem Schwarzen Boris zugeteilt war, auch wenn er seine Knappenbrüder nur des Abends wiedersah.

      Miška war nach Hause geritten um den alten Vater als Herrn der Güter abzulösen. Tibor war alleine von Prag zurückgekommen und hatte Wolf wieder mitgebracht, dem es ohne Cuno zu langweilig geworden wäre. Er war jetzt ein erwachsener Wolf, der sehr wohl sein Fressen selbst besorgen konnte, aber er war auch so gut erzogen, dass selbst Friedrich ihn jetzt in der Knappenkammer akzeptierte, vielleicht auch, weil Wolf als einziger sich nicht über ihn lustig machte. Als Cuno eintrat, stürmte der Hund schwanzwedelnd auf ihn zu, und so wackelig, wie Cuno auf den Beinen war, hätte er ihn fast umgeworfen. Gemeinsam gingen sie in den Stall, wo Cuno wie jeden Abend Váží noch einmal sattelte und rund um die Burg eine kleine Runde drehte. Diesmal ritten sie allerdings in die Stadt hinein, wo Cuno im besten Wirtshaus der Stadt für einen kleinen Teil seines Silberfladens ein Fässchen Bier erstand, das er vor sich auf dem Sattel zur Halle transportierte. Vorsichtig stieg er mit seinen schmerzenden Knochen von Váží, der gar nicht mehr so klein zu sein schien, und trug das Bier in die Halle, wo er und das Fass mit großem Hallo begrüßt wurden.

      Am nächsten Morgen taten ihm seine Knochen immer noch weh, aber zusätzlich der Kopf! Der Schwarze Boris erwartete ihn schon am Schachtturm, doch als Cuno sich auf den Weg nach unten machen wollte, hielt ihn Boris am Arm fest. „Du hast doch einen unvoreingenommenen Blick von außen“, sagte er. „Wenn Du jetzt mal überlegst, was Dir gestern passiert ist: Kann man schneller eine Silberader finden? Nein! Gibt es eine andere Möglichkeit, das Gestein herauszuschlagen? Ja, nämlich mit Holzkeilen, die wir in vorhandene Spalten schlagen und dann mit Wasser befeuchten, bis sie aufquellen und so den Stein brechen. Aber das geht nicht im Schacht, da ist die Gefahr, dass der Bruch riesig wird, zu groß. Gibt es eine Möglichkeit, das Gestein schneller aus dem Schacht zu befördern? Nein!“ „Doch“, unterbrach ihn Cuno, „das haben wir sogar in Steigertahl schon mal gemacht, als uns vor zwei Jahren viel Silber gestohlen worden war und wir viel mehr herausbrechen mussten als normal üblich: Wir haben damals aus einer alten Windmühle die Flügelwelle, die die Flügel trägt mitsamt dem Kammrad ausgebaut. Die Welle haben wir aufrecht