Silber. Hans.Joachim Steigertahl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans.Joachim Steigertahl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738034127
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zu seinem Vetter auf Dauer trüben sollte.

      Als er ins Lager zurückkehrte, war von Beaumont nichts zu sehen, aber Gernot hatte die meisten Güter des Landgrafen bereits auf einem Haufen gesammelt, das Kettenhemd blinkte, die Farben des Umhangs mit dem thüringischen Wappen strahlten und als er seinen Herren kommen sah, lief er ihm entgegen und bestätigte, dass für ihn und Gernot Platz an Bord der Sambuke unter venezianischem Kommando sei, die am Abend auslaufen würde. Das Pferd allerdings könnten sie nicht mitnehmen, dafür sei das Schiff zu klein und zu voll. Heinrich überlegte kurz und rief dann einen der Knappen Jean de Beaumonts: „Dein Herr weiß, dass ich Zypern vorläufig verlassen muss. Nimm mein Schlachtross, präge auf dem Sattel die Initialen des Herzogs von Lothringen ein und lass‘ es ihn bei nächster Gelegenheit reiten – es gefiel ihm schon immer und soll mein Abschiedsgeschenk an ihn sein; sag ihm, dass ich zurückkommen und wieder am Kreuzzug teilnehmen werde, solange das Pferd lebt!“

      Gernot kümmerte sich um seine Besitztümer; Jean war ärgerlich, aber durch sein Präsent könnte er ihn vielleicht wieder freundlich stimmen, sie waren schließlich Gefährten seit ihrer Kindheit; sein Seelenheil war nicht in Gefahr – eines drängte sich ihm aber noch auf, was er noch tun musste.

      Wieder schritt er wie gestern Abend den Hügel hinauf, bog halblinks in die kleine Gasse ein und klopfte an das Tor mit den schweren Türflügeln und der Inschrift „Λεμεσός“ darüber. Als der Riese die Tür einen Spalt breit öffnete, sah er vor sich einen Ritter mit Kettenhemd und wappengeschmücktem Umhang und direkt vor seinen Augen auf der Hand des Ritters eine Silbermünze. „Leila“, sagte der Ritter nur, und an der Stimme erkannte der Wächter den Besucher von gestern. Er ließ ihn eintreten, aber nicht weitergehen, sondern pfiff laut durch die Finger, was einen Diener herbeirief, und sprach in einer für Heinrich völlig unverständlichen Sprache zu ihm. Der Diener verschwand wortlos und kehrte wenige Minuten später zurück, verbeugte sich und machte Heinrich ein Zeichen, ihm zu folgen und führte ihn in das Zimmer, in dem er gestern Abend schon gewesen war. Das Zimmer war aufgeräumt, aber Leila war nicht da. Das helle Sonnenlicht, das durch Tür und Fenster strahlte und den Luxus des Zimmers noch verdeutlichte, verdunkelte sich kurz. Leila kam von der Dachterrasse herein, in einem leichten, seidenen, weißen Kleid, ungeschminkt und noch schöner als in seiner Erinnerung.

      „Herr Landgraf,“ war ihre leicht ironische Begrüßung, „ ich hätte trotz allem nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen!“ Heinrich stutzte kurz, bis er die Ironie bemerkte und antwortete ernsthaft: „Ich hätte es selbst nicht geglaubt, aber ich musste kommen. Darf ich etwas bleiben?“ Wortlos wies sie auf die gepolsterten Stühle am Tisch. „ Ich muss zurück nach Deutschland. Ich habe Dir doch gestern erzählt, wie unsicher die Lage in meiner Herrschaft Thüringen noch ist – heute Morgen kam Nachricht, dass es schlimm steht. Deswegen muss ich zurück. Aber ich konnte nicht, ohne Dich noch einmal zu sehen!“ „Nur sehen?“ „Nein, nicht nur sehen, aber auch sehen!“ Sie stand auf, stellte sich hinter ihn, legte beide Hände auf seine Schultern und sagte: „Aber mit dieser Rüstung bist du nicht der, der gestern hier war, sondern mir fremd.“ Sie half ihm, das leichte Kettenhemd abzulegen und musste dann wieder leise lachen, denn er roch schon wieder wie ein Franze, nach Krieg und Ungutem. „In Wirklichkeit willst Du doch nur baden, oder?“ Sie lief ihm voraus ins Bad, klingelte mehrmals, weil natürlich keine Magd darauf vorbereitet war, jetzt ein heißes Bad zu richten, und als es endlich soweit war, kleidete sie ihn wieder aus und warf ihm den Schwamm zu. Sie selbst schlüpfte aus dem Kleid und kam dann zu ihm ins Wasser.

      Im hellen Sonnenlicht war der unwirkliche Zauber der letzten Nacht verschwunden. Statt dessen sah Heinrich eine Frau vor sich, wie er sie sich in seinen Träumen nicht hätte vorstellen können und die jetzt doch neben ihm im warmen Wasser lag. Da sie, den Gebräuchen der Harems entsprechend, am ganzen Körper unbehaart war, wirkte sie im Licht noch nackter und verletzlicher als im Dämmerlicht des Abends – und noch anziehender. Sie seiften sich gegenseitig ein, und als der Schwamm sich dieses Mal um seinen Schaft wickelte, blieb er stehen und schaute Leila fasziniert zu, wie sie ihn befriedigte. Das Abtrocknen geschah langsam und mit Hingabe, galt es doch, jedes Fleckchen des anderen Körpers zu berühren. Getrocknet liefen sie zum Polsterbett. Als Leila sich wieder seiner Männlichkeit widmen wollte, schob er jedoch ihre Hände beiseite und begann, sie mit seinen Lippen zu liebkosen: er begann an ihrer Wange, glitt über die Halsbeuge, die Brüste, den ganzen Körper immer weiter hinab bis zu ihren Füßen, und als er den Weg zurück machte, hörte er voller Freude, wie sie leicht stöhnte und küsste sie mit ganzer Inbrunst, die sie sogleich erwiderte. Sie liebten sich fast ekstatisch und lagen dann unter einer leichten Decke aneinander gedrängt auf dem Polster und schauten in das helle Licht hinaus. „Leila, ich weiß, es klingt verrückt, aber glaube mir, ich komme wieder, und wenn ich dich dann noch hier finde, werde ich dich fragen, ob du vielleicht nur noch für mich da sein könntest – ist das sehr verrückt?“ „Nein, Henri,“ denn so hatte sie ihn gestern schon genannt, „wenn Du wiederkommst weiß ich, ob ich deine Frage bejahen kann. Jetzt halt mich noch einmal ganz fest, küss mich und geh – das Schiff wartet nicht auf dich!“

      Ein befestigtes Haus an der Adriaküste, November 1248

      Gernot saß im hintersten Winkel des Kerkers und beschimpfte sich selbst zum hundertsten oder gar tausendsten Mal als Esel.

      Es war der letzte Tag des Sommers auf Zypern gewesen, als Heinrich von Thüringen, angetan mit dem wappengeschmückten Kettenhemd seiner Vorfahren, wehendem Mantel, Schild und Schwert, begleitet nur von Gernot, der sich um das Gepäck kümmerte, den venezianischen Schnellsegler bestieg. Es war eine Sambuke, ein zweimastiges Segelschiff, das eigentlich nur in der arabischen Welt vorkommt. Aber die Venezianer hatten einige dieser Schiffe mit den leicht nach vorne geneigten Großmasten und den nach hinten geneigten Besanmasten gekapert und benutzten sie als Botenschiffe und schnelle Transporter. Heinrich erhielt einen Platz in der einzigen Kajüte, Gernot wurde mit dem Gepäck im Laderaum einquartiert, wo er auf die Knechte der anderen Mitreisenden traf. Sie musterten ihn von oben bis unten und fragten dann in gebrochenem Französisch, wer sein Herr sei. „Ein thüringischer Ritter aus dem Gefolge des Lothringers. Und eure Herren?“ „Geht dich nichts an!“ Schon da hatte er das Gefühl, dass die Fahrt nicht sehr erfreulich werden würde. Aber die paar Tage auf See würde er schon überstehen, solange kein Sturm aufkäme! Er lehnte sich an den Ballen mit dem Gepäck des Landgrafs und versuchte, es sich so gemütlich wie möglich zu machen. Die anderen Kerle steckten die Köpfe wieder zusammen und schnatterten in einer Sprache, die er für einen italienischen Dialekt hielt. Noch bevor sie ablegten, war er eingeschlafen.

      „He, du da, dein Herr will etwas von dir!“ – unsanft wurde Gernot dabei an der Schulter gerüttelt. Er schlug die Augen auf und sah einen der Matrosen vor sich, der mit der anderen Hand nach oben zur Kajüte deutete. „Und sehr erfreut schien er nicht, als du auf sein Rufen nicht gekommen bist!“ Grinsend half er ihm aufstehen und überließ ihn seinem Schicksal.

      Gernot kletterte die Leiter hoch, die den Laderaum mit dem Deck verband und erklomm dann die wenigen Stufen zur Kajüte. Bevor er anklopfen konnte, flog die Tür auf und ein in Seide und Brokat gekleideter Mann stürmte hinaus, ein anderer im dunklen Ornat der venezianischen Kaufleute lief hinterher: „No parli en la prossimità dé altri de questa materia!“Aber der Reichgekleidete war schon an den Bug gestürmt, wo er, den Blick auf die Wellen, verharrte. Der Kaufmann drehte sich um, schüttelte den Kopf und sagte noch etwas wie „Cretino“ und ging zurück in die Kajüte.

      Als der Steigerthaler nach ihm eintrat, sah er, dass die Herren wohl beim Essen gesessen hatten, bevor es zum Streit kam: Ein Stuhl lag auf dem Kajütenboden, die Scherben eines Trinkglases aus buntem Murano-Glas lagen daneben und Heinrich von Thüringen saß mitten drin und schüttelte nur den Kopf. „Die ganze Geschichte ist faul, und wenn ich könnte, würde ich mit der Sambuke sofort nach Lemesós zurückkehren. Hol mir mein Schwert und den Helm, ich weiß noch nicht, mit wem sich hier wer schlagen will!“ Als Gernot den Raum verließ, folgte er ihm: „Du musst auf alles gefasst sein: soweit ich die beiden verstanden habe, holt das Schiff normalerweise nur die monatlichen Erträge der von Sklaven auf Zypern ausgebeuteten Kupferminen,