Aufgrund dieser Unzufriedenheit begann ich, meine eigene Situation ununterbrochen mit der meines Umfeldes zu vergleichen, wodurch die eigenen Zweifel nochmals verstärkt wurden. Der Firmenwagen und die Gehaltserhöhung des Kommilitonen sorgten bei mir für puren Neid und das Gefühl, unqualifiziert und hinterher zu sein. Als Single mit Freunden über ihre glücklichen Beziehungen oder sogar Hochzeitspläne zu sprechen, kratzte an meinem Selbstbewusstsein. Irgendwie war da wieder dieses Gefühl, als ginge es allen besser und als würde ich etwas falsch machen. Anfang 2019 hatte mich die Sinnkrise schließlich fest im Griff. Bis zum Sommer musste ich mich dazu noch mit zwei schmerzhaften privaten Erfahrungen auseinandersetzen und fügte meinem Auto beim Ausparken einen immensen finanziellen Schaden zu, während das Studium immer einnehmender wurde und ich sehnsüchtig auf meinen nächsten Urlaub wartete.
All das verstärkte meine Krise, war aber nicht der entscheidende Grund. Wie für viele Millennials typisch waren es die eigenen Gedanken, die die Krise auslösten. Nicht die Erfolge meines Umfeldes sorgten für Unzufriedenheit, sondern die Art und Weise, wie ich damit umging.
Ich befand mich damals ebenfalls in einer sehr komfortablen Situation. Ich hatte einen sicheren Job, mit dem ich mein eigenes Geld verdiente, wohnte in einer für mich nahezu perfekten Wohnung in einer lebhaften Großstadt, konnte auf einen sehr engen Freundeskreis in Hamburg und Köln zurückgreifen und war auf dem Weg zu meinem Masterabschluss. Eigentlich gab es keinen Grund, um sich in einer derart tiefen Sinnkrise wiederzufinden. Ich bin mir sicher, viele Menschen auf dieser Welt hätten zu dieser Zeit gerne mit mir getauscht. Doch diese Gedanken kamen mir damals nicht ansatzweise in den Sinn.
Wenn ich also in diesem Buch von einer Krise spreche, meine ich ausschließlich eine Sinnkrise. Mir ist wichtig, dass hier eine klare Unterscheidung vorgenommen wird. Diese Krise ist nicht zu vergleichen mit der von Menschen, die beispielsweise ihren Job verlieren, Schicksalsschläge erleiden, Existenzängste haben oder an enormen gesundheitlichen Problemen leiden. Ich war »nur« ein Mittzwanziger im berufsbegleitenden Masterstudium, der sich trotz all der sichtbaren Privilegien zu sehr von seinem Umfeld blenden ließ und seinen eigenen Wert in Frage stellte.
Einstieg in die Persönlichkeitsentwicklung
Im Mai 2019 überzeugten mich meine Eltern dann davon, ihnen im jährlichen Bornholmurlaub Anfang August einen Besuch abzustatten. Durch mein Studium und aus persönlichen Gründen hatte ich die Insel seit 2013 nicht mehr besucht und doch wusste ich, dass sie mir genau das geben konnte, was ich damals brauchte: unbeschwerte Erholung an einem Wohlfühlort, die mir beim Ausbruch aus der Krise helfen würde. Ich wusste, dass sich etwas ändern musste, und so verspürte ich nach dem Buchen der Fährtickets zum ersten Mal seit Wochen und Monaten wieder ein bisschen Leichtigkeit. Endlich hatte ich einen positiven Fixpunkt, auf den ich hinarbeiten konnte.
Allerdings befand ich mich körperlich und emotional weiterhin in der Hochphase der Krise. So schön die Aussicht auf Urlaub auch war, es fiel mir noch schwer, den Schalter umzulegen und meine Gedanken auf etwas Positives zu lenken. Je näher der Urlaub dann allerdings kam, umso stärker spürte ich die steigende Vorfreude, die mit dem Wunsch einher ging, durch die Reise nach Dänemark neue Reize zu setzen und meinen Alltag wieder unbeschwerter zu gestalten.
Nach einer unerwarteten Inspiration, auf die ich später genauer eingehen werde, entdeckte ich kurz vor meinen freien Tagen noch die Persönlichkeitsentwicklung für mich. Ich war so gefesselt von der Thematik, dass ich dem Urlaub zunehmend eine größere Bedeutung zusprach und ihn als eine Art »Restart« angehen wollte. Wenig später konnte ich genau das in die Wege leiten und damit eine bedeutende Veränderung für mich anstoßen.
Ich glaube daran, dass jeder Mensch rückblickend einen roten Faden in seinem Leben sieht bzw. ein großes Puzzle, das alles zusammenfügt. Nun bin ich hoffentlich noch weit vom Ende meines Lebens entfernt, doch hatte ich bereits im Sommer 2019 das Gefühl, mit dem Bornholmurlaub das letzte Puzzleteil in einer wichtigen Entwicklung gefunden zu haben.
Als ich gestärkt zurück nach Deutschland kam und mich allmählich tiefer in die Persönlichkeitsentwicklung einlas, begegneten mir nach und nach alle anderen Puzzleteile, die ich bisher in meinem Leben gesammelt hatte. Auf einmal realisierte ich, dass mich die Schulzeit, die Rückschläge und Trennungen, die Erlebnisse in Barcelona und Paris und schließlich die Sinnkrise in Hamburg genau an den Punkt gebracht hatten, an dem ich erkannte, dass ich die Verantwortung für ein glückliches Leben wieder selbst in die Hand nehmen musste. Durch den Urlaub konnte ich die nötige Kraft tanken, um mich dieser spannenden Entwicklung anzunehmen. Mittlerweile ist der Sommer 2019 für mich ein ganz wichtiger Meilenstein geworden und ich bin unglaublich froh, dass ich diesen Schritt damals gegangen bin.
Von außen betrachtet hat sich möglicherweise gar nicht so viel verändert. Aber ich habe seitdem eine neue Sichtweise auf meinen Alltag gewonnen, wie ich sie mir vor dem Urlaub 2019 nicht hätte vorstellen können. Ich möchte nochmal betonen, dass ich nicht in allen Belangen ein wunschfreies Leben führe oder zu einem Guru geworden bin. Das ist meiner Meinung nach aber auch nicht das, was es zu erreichen gilt. Vielmehr geht es darum, sein Leben in einer Welt voller Vergleiche und externer Einflüsse zu akzeptieren, einen eigenen Weg zu finden und das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wird. Das ist mir durch meinen Ausflug in die Persönlichkeitsentwicklung gelungen und es würde mich freuen, wenn dich dieses Buch auch ein bisschen dabei unterstützen kann.
Kapitel 3
Nach den Informationen zu meiner Generation und zu mir ist es nun an der Zeit, inhaltlich einzusteigen. Dazu werde ich 19 verschiedene Ansätze der Persönlichkeitsentwicklung vorstellen, die in meinen Augen einen großen Beitrag zum Beenden einer Sinnkrise leisten können. Jeden dieser Ansätze möchte ich im Folgenden mit einer eigenen Erfahrung veranschaulichen. Mit Ausnahme von zwei Geschichten haben sich diese alle zwischen Juli 2019 und Juli 2020 abgespielt – also zwischen meiner Sinnkrise und dem Entschluss, ein eigenes Buch zu schreiben. Um diesem Buch auch eine sinnvolle Struktur geben zu können, sind die Geschichten nicht chronologisch angeordnet, sondern jeweils einem bestimmten Thema zugeordnet.
Dieses Kapitel ist als Einstieg in die Persönlichkeitsentwicklung zu verstehen. Viele Millennials sind nicht zufrieden mit ihrem Leben, wünschen sich neue Reize oder blicken zunehmend verunsichert in die Zukunft, schaffen es aber nicht, aktiv dagegen vorzugehen. Die folgenden vier Ansätze können daher eine gute Grundlage schaffen, um eine Veränderung auszulösen.
Hierzu ist meiner Meinung nach zunächst ausreichend Input notwendig, der sich heutzutage über diverse Kanäle besorgen lässt. Dazu kann der bewusste Verzicht auf Gesellschaft und das vorübergehende Ausbrechen aus der gewohnten Umgebung dabei helfen, sich intensiv mit den eigenen Gedanken auseinanderzusetzen und wieder gestärkt durch den Alltag zu gehen. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein überlegter Umgang mit der eigenen Vergangenheit eine gute Chance ist, um in den Zwanzigern ein bisschen Platz für Neues zu schaffen.
INSPIRATION SAMMELN
| JULI 2019 |
Im Juli 2019 befand ich mich auf dem Höhepunkt meiner Sinnkrise. Ich fühlte mich verloren und begann, an allem zu zweifeln. Zeitgleich wuchs in mir aber auch der Wunsch, den kurz zuvor gebuchten Bornholmurlaub zu einem großen Neustart werden zu lassen. Dieser interessante Mix aus Aufbruchsstimmung und weiter vorhandenen Zweifeln sorgte für ein totales Gedankenchaos.
Vor allem abends passierte in meinem Kopf derart