Auch wenn ich sehr stolz auf mich und meine Entwicklung bin, möchte ich nicht behaupten, dass ich es seit meinem Fokus auf die Persönlichkeitsentwicklung zu etwas Großem geschafft habe oder ein unfehlbarer Mensch geworden bin. Ich bin überzeugt von meinen Erfahrungen als alltagstaugliches Beispiel und glaube an die Wirksamkeit der Ansätze. Aber ich setze nicht voraus, dass sie auch automatisch in dieser Form bei allen anderen funktionieren. Es gibt viele Wege, um eine Sinnkrise zu beenden. Der Ausflug in die Persönlichkeitsentwicklung kann einer davon sein.
Nicht nur mit den Inhalten, auch mit dem Buch an sich möchte ich ein wenig zum Nachdenken anregen. Es ist ein kleiner Beweis dafür, dass sich erfüllende Tätigkeiten nicht nur da finden lassen, wo wir sie vermuten. Manchmal begegnen sie uns auch, wenn wir einmal unsere Zweifel zur Seite schieben und einfach anfangen das zu tun, wofür wir brennen. Ich werde im Verlauf des Buches nicht müde darin, meine persönliche Bedeutung von Lost in Privilege immer wieder zum Ausdruck zu bringen. Einfach, weil ich eine solche Begeisterung noch nie für eine Tätigkeit empfunden habe. Sie dient mir als Bestätigung, seit Sommer 2019 einen Weg eingeschlagen zu haben, der mir ganz neue Möglichkeiten offenbaren kann.
Gemeinsam mit meinen persönlichen Erfahrungen und Meinungen, mit den Ansätzen der Persönlichkeitsentwicklung und den Praxistipps zu jedem Thema möchte ich damit zum Nachdenken anzuregen und im besten Fall zur Nachahmung animieren.
MEINE GESCHICHTE
In Kölle jebore
Das Licht der Welt erblickte ich 1993 in Köln. Bis heute bin ich meinen Eltern sehr dankbar dafür, dass sie sich bei meiner Geburt gegen unsere Heimatstadt und für die Domstadt entschieden. Die Tatsache, dass ich ne kölsche Jung bin, hebt meinen ohnehin übertriebenen Lokalpatriotismus nochmal auf eine andere Ebene.
Doch genau genommen habe ich noch nie in meinem Leben in Köln gewohnt. Die ersten 23 Jahre verbrachte ich bis auf ein paar Ausnahmen in einer nahegelegenen Kleinstadt. Dort herrschten hervorragende Bedingungen, um eine Familie zu gründen, und so blicke ich heute auf eine behütete Kindheit zurück. Ich wuchs in einer ruhigen Reihenhaussiedlung auf, ging in den Kindergarten, später in die Grundschule und spielte beim städtischen Fußballverein. In allen Bereichen fand ich problemlos Freunde und konnte mich zu jeder Zeit über ein funktionierendes Sozialleben freuen.
Schon früh hatte ich das Privileg, mindestens einmal im Jahr mit meiner Familie in den Urlaub zu fahren. Dabei ging es meistens im Sommer für drei Wochen auf die dänische Ostseeinsel Bornholm, die dadurch wie ein zweites Zuhause und zu einem paradiesischen Zufluchtsort wurde. Im Alter von 20 Jahren hatte ich bereits über ein Jahr meines Lebens auf dieser Insel verbracht. Eine Anreisemöglichkeit ist bis heute die Fährverbindung vom deutschen Kurort Travemünde ins schwedische Trelleborg, von wo aus es nach einer kurzen Autofahrt zu einem anderen Hafen weiter nach Bornholm geht. Die Orte Bornholm und Travemünde spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit meiner Sinnkrise und werden im weiteren Verlauf das ein oder andere Mal auftauchen.
Nach der Grundschule folgte ich meinem vier Jahre älteren Bruder und ging auf das erzbischöfliche Gymnasium der Stadt. Die Zeit knüpfte nahtlos an meine behütete Kindheit an, da der Schulalltag nicht mit dem einer städtischen Schule zu vergleichen war. Rückblickend bin ich sehr froh, dass ich bis zur achten Klasse weiterhin im Fußballverein angemeldet war, um auch das Leben außerhalb der Schule zu kennen. Auf einer Schule, auf der es fast keine Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gab, auf der vor dem Unterricht gebetet werden sollte und auf der es selten bis nie Gewaltprobleme gab, konnte man durchaus davon ausgehen, dass dies auch auf die gesamte Gesellschaft übertragbar war. Heute würde man wahrscheinlich von einer Filter Bubble sprechen, in der eine völlig eigene Realität herrschte.
Ich möchte aber nicht sagen, dass ich die Wahl der Schule bereue. Auch wenn ich die religiösen Werte nur bedingt lebte, fühlte ich mich sehr wohl und genoss eine sehr gute Schulausbildung. Gleichzeitig fand ich auf dem Gymnasium enge Freunde, die mich bis heute begleiten. Bevor ich allerdings mein Abitur erfolgreich abschloss, musste ich noch die große Hürde der Pubertät überstehen. Diese sollte sich als äußerst aufwühlende Zeit herausstellen, in der ich mich mehr und mehr in einem Gedankenchaos verlor.
Die Jugendkrise
Dieses Gedankenchaos sorgte letztlich dafür, dass ich zum Ende meiner Jugend mehrere Jahre mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig gezögert habe, ob ich dieses Kapitel mit aufnehmen soll. In Deutschland gelten Depressionen und psychische Probleme im Allgemeinen traurigerweise auch heute noch als Tabuthema, obwohl aktuellen Studien zur Folge bis zu neun Prozent der deutschen Bevölkerung jährlich an Depressionen erkrankt sind. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen. Auch gebe ich dadurch sehr persönliche Informationen von mir preis.
Aber es hätte sich falsch angefühlt, diesen Teil von mir zu verschweigen, zumal ich mich dafür auch nicht schäme. Im Gegenteil. Ich bin stolz darauf, diese Zeit überstanden zu haben, und zähle sie mittlerweile zu den wichtigsten und prägendsten Abschnitten meines Lebens. Das Teilen meiner Geschichte soll außerdem Betroffene ermutigen, sich deshalb nicht zu verstecken oder gar schlecht zu fühlen. Ich möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass dieses wichtige Thema die berechtigte Aufmerksamkeit erhält, weshalb ich kurz auf meine Erfahrungen eingehen werde.
Alles begann im Alter von etwa 16 Jahren. Ich war ein perfektes Beispiel dafür, dass äußere Umstände nicht immer ausschlaggebend für innere Zufriedenheit und Glück sind. Ich konnte weiter ein privilegiertes Leben führen, hatte finanzielle und soziale Absicherung, schrieb gute Noten und lebte von außen betrachtet ein klassisches Teenagerleben. Dennoch konnte ich mich in dieser Zeit nicht auf die positiven Dinge des Lebens konzentrieren und besaß wenig Selbstvertrauen. Natürlich ist es normal, dass in der Pubertät die Gedanken verrücktspielen und dass ein hormongeladener Junge nicht unbedingt mit sich selbst im Reinen ist. Doch entwickelten sich aus meinen pubertären Gedanken schnell immense Selbstzweifel. Ich fühlte mich unwohl in meinem schmächtigen Körper und hatte das Gefühl, alle anderen hatten mehr Glück im Leben. Schon damals sorgten digitale Plattformen wie ICQ und Schüler-VZ für ständiges Vergleichen und verstärkten meine Zweifel.
Irgendwann wurden diese zu sich häufenden depressiven Schüben, bis ich mich schließlich wochen- und monatelang leer und niedergeschlagen fühlte. Es brauchte dazu nicht einmal mehr einen triftigen Grund. Ich wachte morgens nach einem erholsamen Schlaf auf und suchte mir bewusst traurige Musik aus, um positive Stimmung gar nicht erst zuzulassen. Einfach nur, weil ich nicht anders konnte. Gesellschaft wurde in dieser Phase für mich verstärkt zur Anstrengung, weshalb ich mich ein bisschen aus meinem Sozialleben zurückzog. Das war allerdings die einzige sichtbare Auswirkung und selbst die ist für einen Teenager, der das Gaming für sich entdeckt hatte, nicht unbedingt verhaltensauffällig. Ich meldete mich in einem Inlineskater-Hockey-Verein an, ging weiter normal zur Schule und besuchte Geburtstage, sodass ich niemandem einen Vorwurf machen kann, dass dies nicht auffiel.
Im Alter von 18 Jahren realisierte ich allmählich, dass es sich dabei nicht einfach um pubertäre Gedankengänge handelte. Nur war ich damals nicht in der Lage, mich anderen zu öffnen, um dieses Thema anzusprechen. Das sollte sich kurz darauf ändern, als ich meine erste Freundin kennenlernte. Sie redete mir schon vor der Beziehung Mut zu, professionelle Hilfe zu suchen, was ich kurz darauf auch tat. Mit 18 zum Therapeuten. Das kennen die meisten nur von Kindern, die in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen sind oder schon früh Schicksalsschläge erlitten haben. In Kombination mit der Beziehung brachten die Gespräche zeitnah etwas Leichtigkeit zurück, die allerdings wieder verschwand, als die Beziehung zwei Jahre später zu Ende ging. Vieles von dem, was ich besiegt geglaubt hatte, wurde wieder freigelegt. Ich hatte Sorge, wieder in dieses Loch zu fallen.
Nach mehreren Monaten tiefer Trauer und sozialen Rückzugs kam ich zum ersten Mal in meinem Leben an einen wichtigen Punkt. Ich realisierte, dass ich für das Beenden eigener Krisen selbst verantwortlich war. Als sich