Der erste große Ausbruch meines Mitteilungsbedürfnisses kam dann etwa einen Monat vor meinem Entschluss, ein Buch zu schreiben. Im Juni 2020 hatte ich gerade zum ersten Mal seit Monaten ein Wochenende in der Heimat verbracht und befand mich nun auf der Autobahn von Köln nach Hamburg. Um die Fahrzeit möglichst angenehm zu gestalten, hörte ich eine Folge des erfolgreichen Podcasts Gemischtes Hack. Da ich die aktuelle Episode bereits auf dem Hinweg gehört hatte, griff ich zu einer Folge, die einige Monate alt war. In der Kategorie »Fünf schnelle Fragen an…« stellte Felix Lobrecht folgende Frage an Tommi Schmitt: »Was hast du in der Shutdown-Zeit bisher über dich gelernt?«
Ohne es aktiv zu forcieren, schossen mir unzählige Gedanken durch den Kopf, wie ich auf diese Frage antworten würde. Intuitiv drückte ich auf Pause, um meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Auf einmal stellte ich mir vor, ich würde zusammen mit Felix und Tommi den Podcast aufnehmen und müsste nun eine Antwort geben. Das tat ich dann auch. Ich sprach es nicht laut aus, aber ich brachte meine Gedanken so strukturiert zusammen, dass sie eine ausführliche Antwort bildeten. Es vergingen fast 20 Minuten, bis ich meine imaginäre Antwort beendet hatte und den Podcast fortsetzte.
In den nächsten Minuten folgte ich dem Podcast nur flüchtig, denn ich versuchte, meine Intention für dieses ungewohnte Verhalten zu erkennen. So etwas hatte ich noch nie bewusst wahrgenommen und dementsprechend überrascht war ich von mir selbst. »Was war das denn gerade?«, ging es mir durch den Kopf, während ich mich allmählich der Hansestadt näherte. Irgendwie merkte ich, dass da etwas in mir schlummerte, was es zu wecken galt.
Dieses Gefühl verfolgte mich die nächsten Tage und ich überlegte mir täglich neue Fragen, die ich in einem Podcast beantworten würde. Irgendwann wurde es inhaltlich so viel, dass ich mich an den Schreibtisch setzte, um meine Gedanken am Laptop festzuhalten. Als ich fertig war, hatte ich bereits drei Seiten geschrieben. Ich speicherte den Entwurf, ohne zu wissen, was daraus einmal werden sollte.
Das eigene Projekt
Etwa zur gleichen Zeit begannen um mich herum immer mehr Freunde und Bekannte, ihre eigenen Projekte zu starten. Ein eigener VW-Bus hier, eine Instagram-Seite für Fotografie dort. Menschen in meinem Umfeld fanden ihre Leidenschaft und konnten sich einem persönlichen Projekt widmen, während ich mich weiter auf der Suche nach Ähnlichem befand.
Dies sollte sich allerdings schlagartig ändern, als es Anfang Juli 2020 mit meiner Familie auf die dänische Ostseeinsel Bornholm ging. Bis dahin hatte ich mehrere Monate mit der Anfertigung meiner Masterarbeit verbracht, meine Asienreise Corona-bedingt absagen müssen und kurz vor dem Urlaub mit großem Stress auf der Arbeit zu kämpfen. Dazu machten mir die Folgen der Corona-Einschränkungen mehr und mehr zu schaffen. Dieser Urlaub kam daher genau zur richtigen Zeit. Allen Besonderheiten zum Trotz gestaltete sich die Zeit auf der Insel sehr erholsam und ich konnte die letzten Monate endlich hinter mir lassen.
Mein Podcast-Erlebnis hatte mich dazu gebracht, meinen Laptop mitzunehmen, um an dem Entwurf weiterzuarbeiten. Ich strukturierte die ungeordnet gesammelten Gedanken und fügte neue Inhalte hinzu. Mir fiel auf, dass ich deutlich kreativer war als noch zuhause in Deutschland. Schnell hatte ich eine grobe Gliederung und mein Entwurf erstreckte sich bereits über 30 Seiten. Noch immer wusste ich nicht so ganz, wohin mich diese Texte bringen sollten. Doch allmählich bekam ich eine Ahnung, was die logische Konsequenz von meinem Entwurf war.
Nach sechs Tagen trat ich die Heimreise an, während der Rest der Familie noch etwas länger auf der Insel blieb. Schon auf der Überfahrt realisierte ich, wie aufgetankt und erholt ich mich fühlte. Ich war in einem regelrechten Rausch an Kreativität und Tatendrang, sodass mich ein Gefühl des Aufbruchs überkam. Zuhause angekommen wollte ich den Rausch allerdings nicht einfach so für meinen gewohnten Alltag »verschenken«. Es entwickelte sich der Wunsch, diese Energie für etwas ganz Persönliches und bestenfalls Selbstverwirklichendes zu verwenden.
Nach meinem Master hatte sich eine innere Leere breitgemacht, da meine berufliche Entwicklung unter anderem durch Corona ins Stocken geraten war. Ich sah in einem eigenen Projekt die Chance, diese Leere zu füllen und 2020 doch noch für etwas zu nutzen. Ich wollte dieses seltsame Jahr nicht so ohne Weiteres als verlorenes Jahr abhaken. Noch am selben Abend setzte ich mich wieder an den Laptop und schrieb weitere fünf Seiten mit Ideen auf.
Von nun an kreisten meine Gedanken von morgens bis abends um meinen Entwurf. Aus allen Alltagssituationen versuchte ich, Inspiration für mein Werk zu gewinnen. Gerade in der Anfangszeit des Schreibens wollte ich keine noch so kleine Idee verpassen. Mein Vollzeitjob kam mir zu dieser Zeit fast schon in die Quere. Am liebsten hätte ich mich mehrere Monate ausschließlich dem Schreiben hingegeben. An den Wochenenden im Sommer saß ich gelegentlich schon ab 7:30 Uhr am Schreibtisch, um meine kreativste Phase des Tages bestmöglich ausnutzen zu können.
Täglich kamen neue Passagen und Seiten hinzu und ich musste mich ernsthaft damit befassen, dass ich gerade dabei war, mein eigenes Buch zu schreiben. Schon längst handelte es sich nicht mehr nur um ein paar Ideen, sondern um ein eigenes Projekt. Mein ganz persönliches Projekt. Auf einmal hatte ich ein großes Ziel vor Augen. Ich erstellte einen ersten Coverentwurf, druckte ihn aus und befestigte ihn mit Büroklammern auf einem Buch aus meinem Regal. »So könnte dein Buch einmal aussehen«, sagte ich zu mir und konnte mir ein breites Lächeln nicht verkneifen.
Nach und nach entwickelte sich aus der wachsenden Überzeugung zu meinem Projekt die Vision, das Buch meiner Familie zu Weihnachten zu schenken. Somit hatte ich auch meinen Zeitplan und es verschwanden letzte Zweifel. Ich versank jeden Tag tiefer in der Welt des Schreibens und mein Buch füllte sich mit Leben.
Zu diesem Zeitpunkt war die Veröffentlichung noch gar kein Thema. Durch das Schreiben wollte ich eigentlich nur ein paar Erinnerungen an mich selbst festhalten. Daraus wurde eine Art Therapie in Form eines Projektes, in das ich sehr viel Herzblut stecken konnte. Die Idee der Veröffentlichung kam mir erst nach ein paar Wochen. Mit Self-Publishing fand ich eine Möglichkeit, meine Geschichte zu teilen und dabei weiterhin die volle Kontrolle über die Inhalte zu behalten. Ich wollte mir in gewisser Weise selbst beweisen, ein solches Projekt eigenständig auf die Beine stellen zu können, und verzichtete daher bewusst auf professionelle Hilfe beim Cover und bei der Korrektur. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass dieses Buch nicht mit der Absicht entstanden ist, in einer Bestsellerliste zu landen oder finanzielle Freiheiten zu bringen. Es ist einfach nur das Ergebnis einer länger andauernden Suche nach einem kreativen Projekt.
Ein Beispiel sein
Aber natürlich war und ist es mein Wunsch, dass dieses Buch einige Menschen erreicht. Nachdem ich mich ein Jahr mit meiner eigenen Entwicklung befasst hatte, verspürte ich zunehmend Interesse daran, anderen meine Erfahrungen weiterzugeben. Dabei stieß ich immer häufiger auf sehr offene Ohren und positives Feedback zu meinen Geschichten. Gleichzeitig begannen vereinzelt Freunde damit, aktiv ihr Handeln zu hinterfragen, und ich bekam den Eindruck, dass dies vielen Millennials so ginge.
Es beschäftigte mich, dass diese privilegierte Generation teilweise Probleme damit hat, das eigene Leben zu ordnen. Dass von außen betrachtet alle erfolgreich ihren Weg gehen, der allerdings bei vielen von Unsicherheit und großem Druck begleitet wird. Ich hatte das Gefühl, ein gutes Beispiel zu sein, wie man eine solche Krise hinter sich lassen kann, um gestärkt daraus hervorzugehen.
Als ich das Buch schrieb, wohnte ich bereits seit über zwei Jahren in Hamburg. Obwohl die Stadt in Teilen als sehr alternativ gilt und obwohl Persönlichkeitsentwicklung schnell mit Spiritualität in Verbindung gebracht wird, führte ich kein alternatives Leben. Ich machte im Grunde das, was ein 27-Jähriger aus behüteten Verhältnissen heutzutage so macht und versank täglich in der von Corona beeinträchtigten Durchschnittlichkeit. Das betone ich deshalb so explizit, weil für Veränderungen oftmals eine