Der Armee-Intendant verliebte sich auf der Stelle in diese blonde Eva und machte sie, sobald sie so alt war, wie es das Gesetz vorschreibt, zu seiner Frau, zur größten Überraschung der Familie Fischer, die in ihren Vorgesetzten höhere Wesen zu sehen gewohnt war. Der älteste Fischer, Peter, der beim Sturm auf die Stellung bei Weißenburg schwer verwundet worden war, vergötterte den Kaiser und alles, was mit der Großen Armee zusammenhing. Andreas und Hans sprachen nur voller Ehrfurcht vom Armee-Intendanten Hulot, dem Günstling Napoleons. Überdies war er der Schöpfer ihres Glücks; denn Hulot, der ihre Klugheit und Rechtschaffenheit erkannte, hatte sie in die Verwaltung gebracht. Während des Feldzugs von 1804 hatten sie, wie bereits gesagt, gute Dienste geleistet. In der folgenden Friedenszeit hatte ihnen Hulot jenen Posten im Elsaß verschafft, ohne zu ahnen, daß er später selber nach Straßburg befehligt werden würde, um dort den Feldzug von 1806 vorzubereiten.
Der jungen Landtochter kam ihre Heirat wie ein Einzug ins Paradies vor. Ohne Übergänge wurde sie aus der Enge ihrer bäuerlichen Heimat in den Glanz des Kaiserhofes versetzt. Gerade um die Zeit wurde der Intendant, einer der tüchtigsten und eifrigsten Arbeiter in seinem Fache, zum Baron erhoben und durch Zuteilung zur Kaiserlichen Garde in die unmittelbare Nähe des Kaisers gezogen. Die junge Dorfschöne, die in ihren Gatten toll verliebt war, unterwarf sich aus Liebe zu ihm mutig einer neuen Erziehung.
Hektor von Hulot war übrigens als Mann das wahre Seitenstück zu der Frau, die Adeline war. Er war wirklich ein schöner Mann. Groß und wohlgebaut, die dunklen Augen voller Leben und unwiderstehlichem Feuer, eine elegante Erscheinung, ragte er selbst unter den Dandys der Umgebung des Kaisers hervor. Obwohl wie alle rechten Männer ein Eroberer und den Frauen gegenüber ganz ein Kind seiner Zeit, ward sein galantes Leben durch seine junge Ehe auf recht lange Zeit unterbrochen.
Für Adeline war der Baron somit von Anfang an gewissermaßen ein höheres unfehlbares Wesen. Sie verdankte ihm alles: Vermögen, einen vornehmen Haushalt, ein Palais, den ganzen Luxus jener Tage. Dabei hatte sie das Glück, allgemein beliebt zu sein. Sie war Baronin; sie war berühmt: man nannte sie »die schöne Madame Hulot«. Selbst der Kaiser huldigte ihr und verehrte ihr ein Diadem mit Brillanten. Er zeichnete sie allenthalben aus, und von Zeit zu Zeit stellte er die Frage: »Was macht die schöne Frau Hulot? Immer noch unnahbar?« Er war der Mann danach, jeden seine Rache fühlen zu lassen, der dort triumphiert hätte, wo er selbst nichts erreicht hatte.
Nach alledem ist es sehr leicht verständlich, daß sich die Liebe dieser Frau bei ihrer schlichten und geraden Natur bis zur Überschwenglichkeit steigern mußte. Überzeugt, daß ihr Mann ihr gegenüber niemals im Unrecht sein könne, ward sie in ihrer Häuslichkeit die demütige, blind ergebene Dienerin ihres Herrn und Meisters. Ihre tüchtige Erziehung stützte ihr reichlicher gesunder Menschenverstand, der Mutterwitz des Kindes aus dem Volke. In großer Gesellschaft pflegte sie wenig zu sprechen; sie klatschte nicht, und nie suchte sie zu glänzen. Aber über alles machte sie sich ihre Gedanken. Sie verstand zu hören und zu beobachten, und so übernahm sie die Kultur der vornehmsten und ehrbarsten Damen.
Im Jahre 1815 ahmte Hulot in seinem politischen Verhalten das Beispiel des Fürsten von Weißenburg nach, eines seiner vertrautesten Freunde. So wurde er einer der Schöpfer jener aus der Erde gestampften Armee, deren Niederlage bei Waterloo der Ära Napoleons ein Ende setzte. 1816 war er ein gefürchteter Gegner des Ministeriums Feltre. Erst im Jahre 1823, als man ihn im Spanischen Krieg brauchte, ließ er sich von neuem im Kriegsministerium anstellen. Im Jahre 1830, als Louis-Philippe unter den Bonapartisten Umschau hielt, gelangte er abermals zu einem der höchsten Posten der Heeresverwaltung. Als dann die jüngere Linie des Hauses Bourbon auf den Thron kam, ward er die erste Stütze des Kriegsministers. Den Marschallstab konnte er nicht erringen, aber noch Minister oder Pair werden.
In seiner berufslosen Zeit, in den Jahren 1818 bis 1823, begann sich Hektor von Hulot von neuem eifrig dem Minnedienste zu widmen. Adeline nahm die erste Untreue ihres Mannes wie zum großen Finale der Kaiserzeit gehörig hin. Zwölf Jahre lang war sie Alleinherrscherin gewesen. Fortan erfreute sie sich jener gewohnheitsmäßigen Zuneigung, die Ehemänner für ihre Frauen hegen, wenn sie sich mit der Rolle der gütigen, ehrsamen Kameradin begnügen. Sie wußte, daß sie nur ein einziges Wort zu sagen brauchte, und keine ihrer Rivalinnen hätte sich auch nur noch zwei Stunden halten können; aber sie schloß Augen und Ohren. Sie wollte die Lebensweise ihres Mannes außerhalb des Hauses nicht kennen. Schließlich behandelte sie ihn wie eine Mutter ihr Lieblingssöhnchen. Drei Jahre vor der eben stattgehabten Unterredung hatte Hortense einmal im Varieté den Vater in der Gesellschaft von Jenny Cadine in einer der Orchesterlogen zu erkennen vermeint.
»Da sitzt Papa!« hatte sie gerufen. »Du irrst dich, Herzchen!« hatte die Mutter abgewehrt. »Papa ist beim Onkel Marschall.«
Gleichwohl war Jenny Cadine von der Baronin erkannt worden; aber anstatt daß Adeline angesichts dieser schönen Dirne einen Stich durchs Herz empfunden hätte, sagte sie sich: Was hat Hektor, dieser Schlingel, für ein Glück! Und doch litt sie. Heimlich unterlag sie den gräßlichsten Wutanfällen; aber sobald sie ihren Hektor wiedersah, traten ihr immer zugleich die zwölf Jahre ihres ungetrübten Glückes vor Augen, und sie fand nicht die Kraft, sich auch nur ein einziges Mal zu beklagen. Am liebsten hätte sie es gehabt, wenn ihr Mann sie zur Vertrauten gemacht hätte; aber sie besaß aus Achtung vor ihm nicht den Mut, ihm je zu verstehen zu geben, daß sie seine Abenteuer kannte. Diese übermäßige Rücksicht findet sich nur bei Frauen aus dem Volke, die Schläge hinnehmen, ohne sie zu erwidern. Es steckt noch ein Rest von Leibeigenschaft in ihrem Blute. Hochgeborene Frauen hingegen, die sich ihrem Manne gleichgestellt fühlen, sind instinktive Tyranninnen, und wo sie etwas nachsehen, markieren sie das doch, wie man beim Billardspiel die Pointe markiert. Etwas Teuflisches zwingt sie dazu, sich eine gewisse Überlegenheit, das Recht auf Rache, zu wahren.
Einen leidenschaftlichen Verehrer hatte die Baronin in ihrem Schwager, dem Generalleutnant Grafen Hulot, dem berühmten Kommandeur der Kaiserlichen Gardegrenadiere zu Fuß, der in seinen alten Tagen Marschall geworden war. Nachdem er von 1830 bis 1834 Divisionär der bretonischen Regimenter – also auf dem Schauplatze seiner Heldentaten von 1799 bis 1800 – gewesen, hatte er sich in Paris zur Ruhe gesetzt und führte nur noch ein leichtes Amt im Landesverteidigungsrat. Sein altes Soldatenherz schlug mit dem seiner Schwägerin, die er als Ausbund ihres Geschlechts bewunderte. Er war unverheiratet geblieben, weil er eine zweite Adeline hatte finden wollen, aber während seiner Fahrten und Feldzüge in aller Herren Länder vergebens danach gesucht hatte. Napoleon hatte von ihm gesagt: »Der tapfere Hulot ist durch und durch Republikaner, aber verraten wird er mich niemals!« Um der Achtung dieses Ritters ohne Furcht und ohne Tadel nicht verlustig zu gehen, hätte Adeline noch viel grausamere Leiden ertragen als die, die soeben auf sie eingestürmt waren. Aber der Zweiundsiebzigjährige, der in dreißig Feldzügen ergraut und bei Waterloo zum siebenundzwanzigsten Male verwundet worden war, war ihr ein Abgott, jedoch kein Beschützer. Neben anderen Gebrechen mußte er sich übrigens eines Hörrohres bedienen.
Solange der Baron Hulot von Ervy ein schöner Mann war, kosteten ihn seine Liebschaften nichts; aber mit fünfzig Jahren verlassen einen die Grazien, und bei alternden Männern wird Lieben ein Laster. Sie werden dabei sinnlos eitel. Auch Adeline beobachtete an ihrem Manne, daß er in seiner Toilette