NEW PASSION. Katie Pain. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Pain
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745085693
Скачать книгу
gewesen. Wir haben uns gut verstanden, hatten Spaß bei unseren gemeinsamen Unternehmungen. Jedoch konnte ich Amber niemals die Wahrheit sagen. Nie konnte ich ihr meine ehrliche Meinung nahebringen, ohne dass wir aneinander geraten sind.

      Immer, wenn ich anderer Meinung war als sie oder etwas nicht gut fand, was sie betraf, wurde sie total zickig. Dabei hatte ich es zu keiner Zeit böse gemeint. Wenn ich ihr Outfit zu nuttig fand, gab es großen Streit und letztendlich hat sie es eh angezogen. In vielen Dingen habe ich sie deshalb angelogen. Ich habe angefangen, ihr nur noch Dinge zu sagen, die sie hören will, damit ich meine Ruhe habe.

      Wenn eine Freundschaft keine Meinungsverschiedenheiten aushält, was ist das dann für eine Freundschaft? Es ist gut, dass es so gekommen ist. Alleine dafür bin ich Liam dankbar, auch wenn er nicht direkt etwas damit zu tun hat. Eine geht und einer kommt?

      Vielleicht ist es Schicksal und Liam nimmt Ambs Platz ein? Na ja … Klingt albern.

      Ich werfe meinen iMac an und öffne das Musikstreamingprogramm. Um mich auf das Konzert einzustimmen, starte ich meine selbst zusammengestellte Playlist mit Songs von Tim Bendzko. Während das Lied Sag einfach ja läuft – welch Ironie –, antworte ich Liam.

      Nach seiner eingebildeten Frage, folgt eine weitere Frage.

       Bist du noch da? Habe ich dir nicht gefallen?

      So unsicher auf einmal? Hätte nicht gedacht, dass man ihn leicht verunsichern kann. Da lacht mein kleiner Teufel still und heimlich. Ich könnte ehrlich sein oder ich verunsichere ihn noch mehr.

       Na ja … so ganz irgendwie nicht. Ansonsten würde ich wohl nicht darüber nachdenken, es bei einem ONS zu belassen.

      Das war definitiv gelogen. Sein Körper und sein Schwanz gefallen mir mehr als gut. Sein Gesicht hatte mich anfangs nicht sonderlich angesprochen. Ich stehe normalerweise nicht auf blond und blauäugig, obwohl David auch genau das war.

      Männer mit dunklen Augen, Haaren und 3-Tage-Bart finde ich wesentlich anziehender. Ich mag seine Mundpartie nicht, er hat kein Zahnpastalächeln. Allerdings macht ihn das irgendwie aus. Seine Ausstrahlung ist kraftvoll und männlich, obwohl er keinen Bartwuchs hat. Noch eine Gemeinsamkeit mit David, der auch keinen ordentlichen Bartwuchs hat, das sollte mir zu denken geben. Dennoch ist die Ausstrahlung für mich ausschlaggebend und die besitzt er. Was für jemanden in unserem Alter meines Erachtens außergewöhnlich ist. Muss an seiner Erfahrung liegen und wahrscheinlich auch daran, dass er aufgrund seines Jobs selbstsicher, sexy und dominant wirken muss. Man könnte diese Rolle sicherlich auch spielen. Unauthentisch wirkte er auf mich aber nicht. Eine derartige Selbstsicherheit, eine Frau einfach zu nehmen und zu küssen, obwohl sie ihm keinerlei Zeichen gegeben hat, muss man erst einmal an den Tag legen. Wenn ich darüber nachdenke, dass er sich kurzerhand genommen hat, was er wollte, ohne mich vorher direkt zu fragen, ob ich will … Das ist heiß. Ein Mann, der weiß, was er will und es sich nimmt, ohne jegliche Selbstzweifel. Unwiderstehlich. Ich lasse den Moment noch einmal Revue passieren. Und die Gefühle, die dabei in mir hochkommen, verleiten mich fast dazu, ihm zuzusagen.

      Umso mehr wundert es mich, dass er eben verunsichert reagiert hat. Oder ist das eine Masche? Mir entfährt ein lautes Lachen, als der nächste Song von Tim anfängt. Auch wenn es gelogen ist. Erwischt.

       Trotzdem bist du mit mir mitgegangen.

       Lag vielleicht auch am Alkohol. Der soll bekanntlich den Attraktivitätsgrad seines Gegenübers um hundert Prozent steigern. ;)

       Ach komm … Der kleine Schluck Alkohol? Kannst mir nicht erzählen, dass du davon angezecht warst.

       Bitte schön. Du hast mich in deinen Bann gezogen.

      Er antwortet nur mit diesem einen verruchten Smiley.

      Ich lege das Handy aus der Hand und genieße Tims Musik, während ich auf meinem Bett liege und die Augen geschlossen halte, um mich besser auf die Töne einlassen zu können.

      Ich schrecke hoch, als es an der Zimmertür klopft.

      „Mel?“

      „Ja?“

      Die Tür geht auf und meine Mom betritt den Raum.

      „Wir müssen in dreißig Minuten los. Bist du bereit?“

      „Ähm … Ja. Ich ziehe mir nur eben schnell was anderes an und esse noch eine Kleinigkeit. Das sollte ich schaffen.“

      Ich bin eingenickt. Das passiert mir äußerst selten, ich mache normalerweise keinen Mittagsschlaf.

      Aus dem Kleiderschrank nehme ich mir eine meiner Lieblingsjeans und mein Lieblingsoberteil. Zu besonderen Ereignissen ziehe ich immer meine liebsten Kleidungsstücke an, damit ich diese dann mit dem Erlebten in Verbindung bringen kann. Und da ich weiß, dass es super werden wird, besteht auch kein Risiko, meine liebsten Stücke mit einer negativen Erfahrung in Zusammenhang zu bringen. Kleine Macke von mir. Amber, und auch David, haben jedes Mal mit dem Kopf geschüttelt, wenn ich mich vor einem Anlass, zu dem man sich nicht besonders schick anziehen musste, umgezogen habe.

      In der Küche mache ich mir schnell eine Scheibe Brot und dann geht es auch schon los.

      Das Konzert findet in der Laeiszhalle statt. Der Saal ist komplett ausverkauft. Seine Tour steht unter dem Motto „Wohnzimmerkonzert“ und tatsächlich ist die Atmosphäre eine ganz andere als in einer großen Konzerthalle. Das Bühnenbild gleicht einem Wohnzimmer im 50er Jahre Stil.

      Meine Mom sitzt eine Reihe hinter mir; da wir nur noch Restkarten bekommen haben, mussten wir diesen Kompromiss eingehen.

      Im Saal befinden sich 95 Prozent Frauen. Welch Überraschung. Die restlichen fünf Prozent bestehen aus mitgezogenen Ehemännern, Lebenspartnern und homosexuellen Männern. Zu der Prozentzahl zähle ich auch noch die Musiker, die auf der Bühne stehen.

      Das Licht fährt herunter und die Band beginnt zu spielen. Endlich kann ich völlig abschalten. Als Tim Bendzko die Bühne betritt, hält sich keiner mehr auf den Plätzen. Statt eines eigentlichen Sitzplatz-Konzerts, wird es doch ein Steh-Konzert. Ich singe alle Texte mit. Klatsche in die Hände, bis sie tierisch brennen und jubele, so laut ich kann, der Band zu. Mich durchdringt ein Gefühl von Freiheit. Das Gefühl habe ich die letzten zwei Tage vermisst.

      Meine Mom und ich verlassen das Konzertgebäude mit fröhlicher und ausgelassener Stimmung. Wir haben beide Hunger und da momentan der Hamburger Dom auf dem Heiligengeistfeld stattfindet, beschließen wir, uns dort eine Kleinigkeit zu essen zu holen. Da es zu regnen angefangen hat, speisen wir gemütlich im Auto.

      „Und? Hast du Liam schon geschrieben?“

      „Jup, habe ich“, antworte ich mit vollem Mund.

      „Vielleicht solltest du erst einmal aufessen, bevor wir eine Konversation starten“, sagt sie lachend. Die halb volle Schmalzkuchentüte legt sie beiseite. Sie startet den Motor und somit treten wir den Heimweg an. Während der Fahrt nutze ich die Chance, um meine Mom um Rat zu fragen.

      „Mom?“ So beginne ich Gespräche immer, wenn ich ihre Hilfe brauche.

      „Was ist los?“ Und mittlerweile weiß sie das.

      „Ich bin unsicher, ob ich Liam noch mal treffen sollte. Mein Gefühl rät mir davon ab, aber mein Kopf sagt mir, dass ich vielleicht tolle Erfahrungen verpasse.“

      „Hm … Das ist auch keine einfache Entscheidung. Du kannst auf Nummer sicher gehen und belässt es bei einem One-Night-Stand oder du gehst das Risiko ein, dass es beim zweiten Mal vielleicht nicht mehr so toll ist wie beim ersten Mal. Oft ist das Neue aufregend und spannend und macht es zu etwas Besonderem. Eine Wiederholung fühlt sich meist nicht mehr so gut an. Die Erwartung ist groß und dann wird man bitterlich enttäuscht. Aber mit Liam ist es möglicherweise anders.“

      „Danke, Mom. Wenn ich an diese SM-Sache denke, dann bekomme ich irgendwie ein beklemmendes Gefühl.“

      „Dann kennst du die Antwort doch schon.“

      Zu Hause