„Gebt Weucha die Milch der Lang-Messer, [Er hatte es also bei seiner Verstellung auf eine Plünderung der Gefangenen abgesehen.] und er wird Euern Namen in die Ohren der Helden seines Stammes singen."
„Geht," sagte der Streifschütz, und wieß ihn mit Unwillen fort; „Ihr jungen Leute sprecht von Mahtoree [Der Anführer der Sioux], meine Worte sind für die Ohren eines Häuptlings."
Der Wilde warf einen Blick auf ihn, worin ungeachtet der geringen Helle, unversöhnliche Feindschaft nicht zu verkennen war. Er stahl sich dann weg unter seine Gefährten, voll Angst, den Betrug und die Verrätherei, der er sich durch eine beabsichtigte Zueignung eines Theils der Beute schuldig gemacht, vor dem Mann zu verbergen, den der Streifschütz eben genannt hatte, und der jetzt herankam, wie er aus dem öftern Nennen des Namens Mahtoree unter der Bande merken konnte. Er war kaum verschwunden, als ein Krieger von kraftvollem Bau aus dem dunkeln Kreise herauskam, und sich vor die Gefangnen stellte, mit der hohen, stolzen Haltung, die einen indianischen Häuptling immer so sehr auszeichnet. Ihm folgte der ganze Haufen, und stellte sich, in tiefem, ehrfurchtsvollem Schweigen, um ihn herum.
„Die Erd' ist groß," begann der Häuptling nach einem Schweigen voll Würde, die sein Zerrbild so schlecht nachgemacht hatte. „Warum können die Kinder meines weißen Vaters nie Raum genug darauf finden?"
„Einige von ihnen hörten, ihre Freunde in den Steppen brauchten gar manches," entgegnete der Streifschütz, „und kommen, um zu sehen, ob es wahr ist. Manche von ihnen dagegen brauchen, was die rothen Leute gern verkaufen, und so kommen sie, ihre Freunde mit Pulver und Decken zu bereichern."
„Setzen Kaufleute mit leeren Händen über den Fluß?"
„Unsere Hände sind leer, weil Eure Jünglinge dachten, wir wären ermüdet, und uns unserer Last entledigten. Sie irrten sich, ich bin alt, aber stark."
„Es kann nicht sein. Euer Gepäck fiel in die Steppen. Zeigt meinem jungen Volk die Stelle, daß sie es wegnehmen, ehe die Pawnee es finden."
„Der Weg zur Stelle ist voller Windungen, und es ist jetzt Nacht. Die Stunde des Schlafs ist gekommen," sagte der Streifschütz mit voller Ruhe. „Heißt Eure Krieger über jenen Hügel gehen; dort ist Wasser und Holz, laßt sie ihr Feuer anzünden, und schlafen mit warmen Füßen. Wenn die Sonne wieder kommt, will ich Euch sprechen."
Ein dumpfes Murmeln, das jedoch deutlich großen Unwillen ausdrückte, erhob sich unter den aufmerksamen Zuhörern, und lehrte den Alten, daß er nicht behutsam genug gewesen, als er eine Maßregel vorschlug, die den Wanderern an dem Dickicht die Gegenwart so gefährlicher Nachbarn kundthun sollte. Mahtoree jedoch, ohne auch nur im Geringsten die Bewegung zu verrathen, welche seine Genossen so deutlich zeigten, setzte seine Unterredung mit demselben Stolz, wie vorher, fort:
„Ich weiß, mein Freund ist reich," sagte er, „und hat viele Krieger nicht weit von hier, und mehr Pferde, als Hunde sind unter den Rothen."
„Ihr seht meine Krieger und meine Pferde."
„Was! Hat das Mädchen die Füße eines Dahcotah, daß sie dreißig Nächte ziehen kann in den Steppen, und nicht niederfällt. Ich weiß, die rothen Leute der Wälder machen lange Züge zu Fuß, aber wir, wir leben wo das Auge nicht sehen kann von einer Wohnung zur andern; wir lieben unsere Pferde."
Nun stockte der Streifschütz. Er sah deutlich, daß Täuschung, wenn entdeckt, gefährlich werden könnte, und bei seinem Stand und Charakter hatte er eine gewisse unbeschränkte Achtung vor der Wahrheit. Als er jedoch bedachte, daß das Schicksal anderer sowohl als sein eigenes in seine Hand gegeben sei, entschloß er sich schnell, den Dingen ihren Lauf zu lassen, und den Dahcotah-Häuptling nicht zu hindern, wenn er sich selbst betrügen wolle.
„Die Weiber der Sioux und die der weißen Leute," antwortete er ausweichend, „sind nicht von derselben Art. Würde ein Teton-Krieger sein Weib über sich selbst setzen; ich weiß, er thät's nicht, und doch hab' ich von Ländern gehört, wo die Berathungen von Weibern gehalten werden."
Eine zweite geringe Bewegung in dem dunkeln Kreis zeigte dem Streifschütz, daß seine Erklärung nicht ohne Erstaunen, ja vielleicht nicht ganz ohne Mißtrauen aufgenommen ward. Der Häuptling allein schien ungerührt, oder entschlossen, auf keine Weise von dem Stolz und der hohen Würde seines Ansehns etwas nachzulassen.
Meine weißen Väter, welche an den großen Seen wohnen, sagten immer, ihre Brüder gegen Aufgang der Sonne seien keine Männer, und nun sehe ich, sie logen nicht. — Geht, was ist das für ein Volk, dessen Oberhaupt ein Weib ist! Seid Ihr der Hund oder der Mann dieses Weibes?"
„Keins von beiden. Nie sah ich ihr Antlitz, als diesen Tag. Sie kam in die Steppen, weil man ihr gesagt, ein großes und edles Volk, die Dahcotah, lebten hier, und sie wollte Männer sehen. Die Weiber der blassen Gesichter öffnen, wie die Weiber der Sioux, gern ihre Augen, um etwas Neues zu schauen; aber sie ist arm, wie ich, und wird kein Korn und keine Büffel mehr haben, wenn Ihr ihr das Wenige nehmt, was sie und ihr Freund noch hat."
„Nun hören meine Ohren viele verd — te Lügen auf einmal," rief der Teton-Krieger mit einer Stimme, so wild, daß sie selbst seine rothen Zuhörer erschreckte. „Bin ich ein Weib! Hat ein Dahcotah keine Augen! Sagt mir, weißer Jäger, wer sind die Leute von Eurer Farbe, die dort nahe den gefallenen Bäumen schlafen?"
Als er sprach, deutete der unwillige Häuptling nach Ismael's Lager und ließ dem Streifschütz keinen Zweifel darüber, daß die größere Sorgfalt und Spürkraft des Oberhauptes eine Entdeckung gemacht, welche dem Forschen der Uebrigen seines Haufens entgangen war. Trotz seines Verdrusses über einen Vorfall, der den Schläfern verderblich werden konnte, und eines geringen Aergers, daß er sich so gänzlich in dem, von uns niedergeschriebenen Gespräch hatte überlisten lassen, behielt doch der Alte seine frühere Ruhe immer noch bei.
„Es kann sein," antwortete er, „daß weiße Leute in der Steppe schlafen. Wenn mein Bruder es sagt, so ist es wahr; aber was es für Leute sind, die sich so auf den Edelmuth der Teton verlassen, kann ich nicht sagen. Wenn Fremde dort schlafen, so schickt Eure junge Mannschaft hin, sie aufzuwecken, und laßt sie selbst sagen, wer sie sind; jedes Blaß-Gesicht hat eine Zunge."
Das Oberhaupt schüttelte den Kopf mit einem wilden, stolzen Lächeln, und antwortete abgebrochen, als er sich wegwandte, um der Unterredung ein Ende zu machen.
„Die Dahcotah sind ein kluges Volk und Mahtoree ist ihr Haupt. Er wird die Fremden nicht rufen, daß sie aufstehen und ihm Antwort geben mit ihren Flinten. Er wird ihnen ganz leise in die Ohren lispeln. Dann mögen die Leute von ihrer Farbe kommen und sie wecken."
Als er diese Worte aussprach und sich auf dem Absatz herumdrehte, ging ein leises, billigendes Lächeln durch den dunkeln Kreis, der sogleich seinen Stand verließ und ihm in eine geringe Entfernung von den Gefangenen folgte, wo die, welche wagen durften, mit einem so großen Helden Worte zu wechseln, sich wieder um ihn zu einer Berathung sammelten. Weucha benutzte die Gelegenheit, seine Zudringlichkeit zu erneuern; aber der Streifschütz, der jetzt recht gesehen hatte, welch eine elende Nachäffung er von seinem Hauptmann war, stieß ihn mit großer Verachtung zurück. Doch wirksamer wurde den Belästigungen dieses übelwollenden Wilden ein Ende durch den Befehl gemacht, daß der ganze Haufen, Menschen und Pferde, ihre Stellung verändern sollte. Die Bewegung ging in tiefer Stille vor sich, und mit einer Ordnung, die einer disciplinirteren Mannschaft Ehre gemacht hätte. Doch hielten sie bald wieder, und als die Gefangenen Zeit hatten, sich umzusehen, fanden sie, daß sie im Angesicht des kleinen dunkeln Gehölzes waren, an dem Ismael's schlummernde Familie sich gelagert hatte.
Hier ward eine neue kurze, aber sehr ernste Berathung gehalten. Die Thiere, welche an verdeckte stille Angriffe gewöhnt schienen, wurden nochmals einigen zur Obhut übergeben, die auch zugleich, wie vorher, mit der Wache über die Gefangenen beauftragt wurden. Das Herz des Streifschützen ward gar nicht von der Unruhe befreit, welche sich mit jedem Augenblick mehr seiner