„Ein Thier von starkem Geruch ist zwischen dem Wind und dem Hund durchpassirt, Vater, und das macht ihn unruhig; oder vielleicht träumt er selbst. Ich hatte auch einen solchen Burschen in Kentucky, der ging nach einem tiefen Schlaf oft auf die Jagd, und das Alles wegen eines Traums. Geht zu ihm und kneipt ihm in's Ohr, damit das Thier sein Leben in sich fühlt."
„Nicht doch, nicht doch," erwiederte der Streifschütz und schüttelte den Kopf, als verstünde er die Eigenschaften seines Hundes besser; „die Jugend schläft, ja, und träumt auch; aber das Alter bleibt wach und ist wachsam. Der Bursche irrt sich nie mit seiner Nase, und lange Erfahrung lehrt mich, auf seine Warnung zu achten."
„Brachtet Ihr ihn je auf die Fährte von Aas?"
„Ja, ich muß gestehen, daß die Raubthiere mich zuweilen veranlaßt haben, ihn loszulassen; denn diese sind manchmal eben so eifrig nach Wild als die Menschen; aber dann erkannte ich bald, wie sein Verstand ihm den Gegenstand verrieth. Nein, nein, Hektor ist ein Thier, das sich auf die Wege des Menschen versteht, und wird nie eine falsche Spur verfolgen, wenn eine wahre da ist."
„Ei, ei, da ist ja das Räthsel gelöst; Ihr habt den Hund auf die Fährte eines Wolfs gebracht, und seine Nase hat ein besseres Gedächtniß, als sein Herr," sagte der Bienenjäger lachend.
,,Ich hab' das Thier stundenlang schlafen sehen, während ganze Heerden nahe an ihm vorüberzogen; ein Wolf könnte aus seiner Schüssel essen, ohne daß er sich rührte, es müßte denn eine Hungersnoth sein; dann freilich wurde Hektor geneigt sein, sein Eigenthum zu schützen."
„Panther sind von den Bergen heruntergekommen; ich sah einen ein krankes Reh anfallen, als die Sonne unterging. Geht, geht zu Euerm Hund zurück, Vater, und sagt ihm die Wahrheit; in einer Minute bin ich — — — "
Er ward von einem langen, lauten, kläglichen Geheul des Hundes unterbrochen, das durch die Abendluft drang, wie das Klagen eines Geistes der Steppe, und über sie hin erscholl, in Cadenzen, die stiegen und fielen, wie ihre eigene wellenförmige Oberfläche. Der Streifschütz stand stumm und hörte aufmerksam; selbst der sorglose Bienenjäger ward von der klagenden Wildheit der Töne ergriffen. Nach einer kurzen Pause rief der Erstere den Hund zu sich und sprach dann, zu seinem Gefährten gewandt, mit dem Ernst, den nach seiner Meinung die Gelegenheit erheischte:
„Die, welche meinen, der Mensch habe allein alle Kenntniß der andern Geschöpfe Gottes in sich, werden davon zurückkommen, wenn sie, wie ich, die achtzig erreichen. Ich will nicht sagen, welche Gefahr uns droht, noch selbst behaupten, daß es der Hund, weiß; aber daß ein Uebel nahe ist, und daß Klugheit uns räth, es zu vermeiden, habe ich aus dem Mund Eines gehört, der nie lügt. Ich hatte gemeint, der Bursche sei nicht mehr an die Fußtritte des Menschen gewöhnt und Eure Gegenwart habe ihn unruhig gemacht; aber seine Nase hat stets den ganzen Abend geschnuppert, und was ich für ein Anzeichen Eures Kommens hielt, bedeutete etwas weit Ernsthafteres. Wenn also der Rath eines alten Mannes beachtungswerth ist, Kinder, so werdet ihr eilig die entgegengesetzten Wege nach den Orten eurer Ruhe und Sicherheit einschlagen."
„Wenn ich Ellen verlasse, in einem solchen Augenblick," rief der Jüngling, „so will ich nie — — "
„Genug, genug," unterbrach ihn das Mädchen und gebrauchte wieder die Hand, die bei ihrer Zartheit und Weiße einen viel höheren Stand im Leben geziert haben würde; „meine Zeit ist vorüber, und wir müssen uns jedenfalls trennen; — gute Nacht, Paul; Vater, gute Nacht."
„Hst," erwiederte der Jüngling und ergriff ihren Arm, als sie eben von ihm wegeilen wollte; „hst, hört Ihr nichts? Büffel führen nicht weit entfernt ihre Sprünge auf; die Horde schlägt die Erde, wie ein toller Schwarm von tanzenden Teufeln."
Seine beiden Gefährten lauschten, wie Leute in ihrer Lage geneigt sind, ihre Kräfte anzustrengen, um die Bedeutung eines zweifelhaften Geräusches zu entdecken, besonders wenn so viele und furchterregende Anzeichen vorausgegangen sind. Die ungewöhnlichen Töne wurden jetzt unstreitig, obgleich noch etwas schwach, hörbar. Der Jüngling und seine Begleiterin hatten verschiedene übereilte und schwankende Vermuthungen darüber aufgestellt, als ein Zug der Nachtluft das Geräusch von Fußtritten zu deutlich zu ihren Ohren brachte, um einen Irrthum ferner möglich zu machen.
„Ich hab' Recht," antwortete der Bienenjäger, „ein Panther treibt eine Heerde vor sich hin, oder die Thiere mögen sich ein Treffen liefern."
„Eure Ohren sind Betrüger," erwiederte der alte Mann, welcher, sobald seine eigenen Organe die entfernten Töne aufzuhaschen im Stande waren, wie eine Statue dagestanden hatte, welche die Aufmerksamkeit darstellen soll. — „Die Sprünge sind zu lang für den Büffel und zu regelmäßig für Flucht. Hst; jetzt sind sie auf einem Boden, wo das Gras hoch ist, und der Schall gedämpft; nun kommen sie auf kahles Land — da, sie kommen die Anhöhe herauf, Verderben über uns — sie werden hier sein, ehe ihr ein Obdach finden könnt!"
„Komm, Ellen," rief der Jüngling, und ergriff seine Gefährtin bei der Hand, „laß uns einen Versuch nach dem Lager machen."
„Zu spät, zu spät," rief der Streifschütz, „denn die Kerl sind schon vor uns, und nach ihrem diebischen Blick und der wilden Art zu reiten, ist's eine blutige Bande verdammter Sioux."
„Sioux oder Teufel, sie sollen uns als Männer finden," sagte der Bienenjäger mit einer so stolzen Miene, als ob er an der Spitze einer Mannschaft von übermäßiger Stärke und von gleichem Muth, wie er, stünde. „Ihr habt ein Gewehr, Alter, und werdet wohl einen Schuß für ein hülfloses Christenkind thun."
„Nieder, nieder in's Gras — nieder mit euch beiden," lispelte der Streifschütz, und bedeutete sie, nach der Seite zu dem hohen, Gestrüpp, das nahe der Stelle, wo sie standen, dichter als gewöhnlich wuchs. „Ihr habt nicht Zeit zu fliehen, noch Leute zu fechten, thörichter Junge. Nieder in's Gras, wenn das Mädchen, wenn Euer eigenes Leben einen Werth für Euch hat."
Sein Rath, begleitet, wie er war, durch schnelles, kräftiges Handeln, verfehlte nicht, sich Gehorsam für das zu verschaffen, was ihr Zustand jetzt so gebietend zu erheischen schien. Der Mond war hinter eine Schichte dünner, wolliger Wolken getreten, die den Horizont umdüsterten, und ließ gerade so viel von seinem blassen flimmernden Lichte übrig, um die Gegenstände sichtbar zu machen, dunkel ihre Formen und Verhältnisse enthüllend. Der Streifschütz hatte es wirklich — er übte den Einfluß über seine Genossen aus, den gewöhnlich Erfahrung und Entschlossenheit in Nothfällen geben — dahin gebracht, daß sie sich tief in dem Gras verbargen, und er selbst ward durch den schwachen Mondschein in Stand gesetzt, den ungeordneten Trupp zu überschauen, der wie eben so viele Rasende gerade auf sie zuritt.
Ein Haufen von Wesen, die eher Dämonen, als einer Streifhorde, in ihren nächtlichen Zügen über die schwarze Ebene glichen, näherte sich ihnen in der That auf eine furchtbare Weise und in einer Richtung, die wenig Hoffnung übrig ließ, daß nicht wenigstens einige von ihnen über die Stelle kommen würden, wo der Streifschütz und seine Genossen verborgen lagen. Manchmal wurde das Klappern der Hufe vom Nachtwind ganz hörbar ihnen zugetragen, und dann war ihr Zug wieder durch das Gestrüpp des Herbstgrases nicht zu vernehmen und still, was noch viel zur Vermehrung des Geisterhaften und Ueberirdischen ihrer Erscheinung beitrug. Der Streifschütz, der seinen Hund zu sich gerufen, und ihn zur Erde niedergedrückt hatte, kniete jetzt ebenfalls in das Gras nieder und richtete ein wachsames, festes Auge auf den Zug der Bande, beschwichtigte die Furcht des Mädchens und dämpfte in demselben Augenblick die Ungeduld des Jünglings.
„Wo einer ist, da sind gleich dreißig von den Wichten," sagte er als Episode zu seinen lispelnden Ermahnungen; „ah, sie wenden sich gegen den Fluß; — still, — Bursch, — still — nein, da kommen sie gerade hierher — die Kerl scheinen ihren eigenen Weg nicht zu wissen. — Wären wir nur etwa unserer sechs, Junge, was für eine prächtige Canonade wollten wir auf sie machen, von hier aus — es geht nicht, es geht nicht; duckt Euch besser, Junge, sonst sieht man Euren Kopf, — Auch bin ich nicht ganz gewiß, ob es recht wäre, da sie uns kein Leid gethan. Da wenden sie sich wieder zum Fluß — nein, hier kommen sie dem Hügel herauf — nun ist der Augenblick, so still zu sein, als ob der Athem seine Schuldigkeit gethan und den Körper verlassen habe."