Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754154243
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zu erheben, und zugleich wurden alle Trink- und Spielzelte in den Bergen streng verboten, denn man war der guten Gesinnung der Mehrzahl australischer Arbeiter vollkommen sicher, und konnte die Bös- gewillten leicht mit einer verhältnißmäßig sehr kleinen Macht in Zaum und Banden halten, so lange sie eben nüchtern blieben. Aber nicht die fünfzigfache hätte genügt, wenn das Volk, von dem plötzlichen und reichen Gewinn schwindlig gemacht, seinem alten Hang zum Trinken in irgend einem Zelt Genüge leisten konnte und alle seine Laster und bösen Eigenschaften dann entfesselt hätte. /79/

      Daß nicht doch in einzelnen Zelten heimlich Branntwein verkauft, oder hier und da ein Hazardspiel getrieben wurde, ließ sich natürlich nicht verhindern. Wer hätte eine solche Ueberwachung fordern wollen, die selbst das unmöglich machte? Bringt etwas Aehnliches ja nicht einmal einer unserer Muster-Polizeistaaten in seinen regulirtesten Verhältnissen fertig! Aber der eigentlichen Gefahr, die durch Erlaubniß oder auch nur Duldung öffentlicher Kneipen drohte, war die Spitze abgebrochen, und die einzelnen Uebertretungen blieben ohne Folgen.

      Im Anfang liefen die meisten Goldgräber einzeln herum, weil Jeder hoffte, einen reichen Fund zu thun, den er dann mit keinem Mitarbeiter zu theilen brauchte. Gar bald aber stellten sich die Nachtheile eines solchen Verfahrens heraus, denn wenn die Leute drei, vier Tage zwischen den Steinen herumgestochert und gar nichts gefunden hatten, und dann doch zuletzt auf die Erdarbeiten angewiesen wurden, fanden sie rasch, daß sie allein und vereinzelt da nur wenig ausrichten und höchst langsam vorrücken konnten, und von da an gingen sie entweder zu Paaren oder vereinigten sich wohl auch gar zu kleinen Compagnien, die hier und da den Bergstrom abdämmten und in seinem Bett den reichen Goldsegen zu finden hofften.

      Und was für eine wunderliche Mischung der Gesellschaft fand da oben statt; wie hatte das Gold, das unten in dem civilisirten Land gerade die verschiedenen Schichten des Menschengeschlechts so ängstlich von einander trennt, hier, wo man es an der Quelle suchte, alle Stände und Kasten so ängstlich nivellirt und jeden Rangunterschied fast zerstört und aufgehoben! Hier grub der sonngebräunte, rauhhändige Sohn der Arbeit, der alte Convict, der ein Verbrechen und seine Strafen hinter sich hatte, und von Jugend auf zu schwerem Schaffen und Mühen verurtheilt gewesen, nicht eifriger in dem harten Boden, wie neben ihm der zierliche Städter, der selbst jetzt noch seine Glacéhandschuhe in der Reisetasche trug, und das rauhe Gestein mit Brille und Lorgnette vorher ängstlich und sorgfältig betrachtete. - Advocaten und Kaufleute standen neben Schäfern und Hutkeepern, der Matrose des einen Schiffes neben Capitain /807 und Steuermann eines andern, und nur wer den reichsten Fund machte, war der Beneidete und Angesehenste, und die Anderen, was auch ihre sonstige Stellung im bürgerlichen Leben draußen sein mochte, schlichen scheu und still einher.

      Wo aber auch hier und da ein Goldwäscher saß, die Pfanne und Spitzhacke zu seinen Füßen, den Kopf mißmuthig in die Hand gestützt und mit grollendem Herzen überlegend, daß er ein ganzes kleines Capital zu seiner Ausrüstung gebraucht, und jetzt schon vier oder fünf Tage ohne den geringsten Erfolg der ungewohnten Arbeit obgelegen, da zogen zwanzig und dreißig frische Herzen mit goldigen Hoffnungen in die Berge ein, richteten sich ihr einfaches Lager her und gingen jubelnd an die Arbeit. - Was kümmerte sie der Einzelne, der mürrisch und verzagt zwischen ihnen saß - er hatte eben kein Glück, und was er nicht gefunden, war ihnen vielleicht aufgehoben.

      Wie aber nur die ersten, von dem Entdecker bezeichneten Stellen in Angriff genommen waren, zerstreuten sich besonders die Leute, die nicht nach den ersten zwei Tagen schon einen reichen Erfolg gehabt, über die benachbarten Thaleinschnitte, und die Ophir-Diggings wie der Turon wurden fast unmittelbar nach dem Summerhill-Creek und dem Macquarie-River in Angriff genommen und als außerordentlich reich befunden. Sowie aber nur solch ein neuer Name genannt wurde, lenkten sich immer gleich ganze Züge frisch Eintreffender dorthin, und nicht allein auf Lastthieren und mit Karren rückten die Miner in dem neuesten Eldorado ein, sondern paarweise sah man sie auch oft, ihre wenigen Habseligkeiten auf einer roh genug hergestellten Tragbahre schleppend, gleich den nächsten Weg über die Hügelrücken einschlagen, oder auch von der Richtung ab in irgend einer noch öden Felsspalte einkauern, um hier die Gegend vor der Hand zu exploriren und vielleicht im Stillen selber auf irgendwo eingestreute reiche Schätze zu stoßen.

      Das Letztere thaten sie auch gar nicht selten, um der lästigen polizeilichen Erhebung von dreißig Shilling aus dem Wege zu gehen, der sie doch nicht offen entgegentreten konnten. Viele, ja fast Alle hätten den geringen Betrag mit Leichtigkeit zahlen können, aber - es war eine Steuer, und es liegt dem /81/ Volke nun einmal im Blut, derartigen Auflagen auszuweichen, wo es nur immer irgend möglich ist. - Die Polizei war auch nicht so überstreng, oder hatte vielmehr nicht so zahlreiche Mannschaft, um allen den weithin zerstreuten Trupps folgen zu können. Nur wo sich eine kleine Niederlassung, und hätte sie allein aus zehn oder zwölf Zelten bestanden, bildete, da erschien auch sicherlich der Commissär zwischen den überraschten Goldgräbern und bat sich ganz entschieden die Taxe aus, nach deren Bezahlung und mit deren Schein in der Tasche der Miner erst das Recht gewann, das etwa gefundene Gold auch als sein Eigenthum zu betrachten.

      An einem von diesen Hängen hin, und zwar den Wassern des kaum erst in Angriff genommenen Turon zu, wand sich ein kleiner Zug von Goldwäschern, die mit ihren gleichfarbigen, brennend rothen Minerhemden und sämmtlich mit neuen Wasserstiefeln und neuen Hüten auf den ersten Blick schon die eben in Sidney ausgerüstete Compagnie verriethen. Langsam folgte ihnen das etwas schwerfällige und hochbeladene Fuhrwerk, und die Leute schienen sich nicht nur für den Augenblick hier in den Minen einrichten zu wollen, wenn man alles das betrachtete, was sie auf dem Wagen mit sich führten. Oder wollten sie vielleicht gar da oben einen Laden aufrichten? Zwei der Begleiter sahen in der That so aus, als ob sie zu einer solchen Beschäftigung besser passen würden, wie zu den schweren Handwerkszeugen, die sie trotzdem mit heraufgebracht. Die wollenen Hemden waren auf das Zierlichste gemacht und mit gelber Seide vorn ausgenäht, die Wasserstiefeln vom feinsten und weichsten Kalbleder, und die erhitzten Stirnen trockneten sie sich mit Batist-Taschentüchern.

      Weit besser dagegen paßte der Dritte des kleinen Zuges m den Mineranzng, der sein wetterbraunes markirtes Gesicht auch forschend nach allen Seiten drehte, während er - die Hände bequem in den Taschen seines Pea-Jackets - hinter dem Wagen herschlenderte.

      Er gehörte, ohne den geringsten Zweifel, zu der Klasse von Australiern, die „keine Passage bezahlt hatten", wie das Sprüchwort lautete, und ließ nun, mit einem an Erfahrungen sehr reichen Leben hinter sich, die Welt eben an sich kommen. /82/

      Merkwürdig stach gegen ihn der vierte Wanderer ab, der, reichlich um einen Kopf kleiner wie er, von dünner, schmächtiger Statur, in die Wasserstiefeln aus Versehen hineingefallen schien und fortwährend vergebliche Sprünge machte, um wieder hinaus zu kommen. Er hinkte dabei etwas; das verhinderte ihn aber nicht, in seiner jedenfalls höchst ungewohnten Fußbekleidung den beladenen Wagen unaufhörlich zu umhüpfen, und bald in höchst mittelmäßigem Englisch mit dem Ochsentreiber, bald im Gespräch mit seinem „Kameraden hinter dem Wagen" gegen die rauhe Behandlung der durcheinander geschüttelten Ladung zu protestiren. Weder vom Einen noch von dem Andern bekam er aber mehr eine Antwort, denn da er es fünf Tage auf genau dieselbe Weise getrieben, waren sie es endlich Beide müde geworden, auf die ihnen überdies noch unverständlichen Ermahnungen zu erwidern. Der hinter dem Wagen Gehende

      - es war unser alter Bekannter aus dem Gefängniß, Smith, - und der Ochsentreiber theilten sich nur manchmal, wenn der kleine Zachäus vor den Stieren herumhüpfte, ihre Bemerkungen gegenseitig mit. - Die Beiden schienen überhaupt alte Bekannte von früher her, wenn auch Keiner von ihnen auch nur eine Silbe von ould lang syne erwähnte. Das war eben ould lang syne und abgethan und vergessen, und die neue Zeit nahm ihre Aufmerksamkeit auch viel zu sehr in Anspruch.

      „A rum cove," sagte der Ochsentreiber in der Slangsprache dieser Art Leute kopfschüttelnd zu dem alten Schäfer - „was der hier wohl in Australien will, und - daß sie ihn noch nicht gerupft haben."

      „Ist den Ordentlichen noch nicht unter die Hände gekommen, Mate," erwiderte sein Kamerad und sah den Begleiter dabei mit einem so trocken-drolligen Blick von der Seite an, daß dieser laut auflachte.

      Gerade hier machte der Hang eine Biegung, die durch ein vorspringendes Felsstück hervorgerufen wurde. Die Wagen mußten sich eben, so gut es anging, um dieses herum ihre Bahn