Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754154243
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um drei Uhr fuhren sie fort, und Charles blieb allein in der Wohnstube der Familie zurück.

      Nachmittags um vier Uhr kam gewöhnlich der jetzt regelmäßig fahrende Postwagen von Sidney dort vorbei, und Henry - Charles kleiner Wärter - ging dann jedesmal nach der Wegschenke hinüber, um die für Englisch Bottom eingelaufenen Briefe abzuholen. Er hatte auch heute seine Zeit eingehalten und die Station etwa zehn Minuten verlassen, als die Thür aufging und Gertrud hereinkam, einen Schlüssel zu holen. Sie schrak augenscheinlich zurück, als sie Charles allein sah; was aber auch ihr erstes Gefühl gewesen, zurück konnte sie nicht mehr, und die Thür hinter sich zuziehend, grüßte sie den /92/ jungen Mann freundlich und ging dann zu dem Schlüsselbrett, um das Nöthige dort zu holen.

      „Gertrud," sagte Charles, über dessen Antlitz eine fliegende Röthe zuckte und dem die Bewegung des Mädchens beim ersten Betreten des Zimmers nicht entgangen war - „was habe ich Ihnen gethan, daß Sie, die mich so treulich in der schweren Zeit gepflegt, mich jetzt so ängstlich vermeiden und kaum einen Gruß, kaum einen Blick mehr für mich finden? Habe ich Sie durch irgend etwas gekränkt? - Guter Gott, es ist dann wahrlich unwissentlich geschehen, denn wem wäre ich zu größerem Dank verpflichtet, wie gerade Ihnen - und doch haben Sie mir noch nicht ein einzig Mal Gelegenheit gegeben, ihn auch nur auszusprechen."

      „Sie haben mich durch nichts gekränkt, Mr. Pitt," lautete die leise, fast scheue Antwort des Mädchens, „aber da ich Ihre Pflege jetzt in besseren Händen wußte -"

      „In besseren Händen, Gertrud?"

      „So konnte ich Sie denen mit voller Ruhe überlassen. Sie - wissen außerdem, daß meine Stellung hier im Hause eine untergeordnete ist."

      „Weichen Sie mir nicht aus, Gertrud," sagte Charles, indem er aufstand, auf sie zuging und ihre Hand zu ergreifen suchte, die sie ihm aber entzog. „Etwas Anderes hat sich zwischen uns gestellt, und ich habe die ganze Zeit das drückende Gefühl mit mir herumgetragen, daß ich Ihnen auf eine oder die andere Weise müsse weh gethan haben - und doch glauben Sie gar nicht, wie schmerzlich mir das gewesen ist."

      „Durch nichts, Mr. Pitt - durch nichts," sagte das Mädchen ängstlich, und Charles konnte es nicht entgehen, daß sie das Gespräch abzukürzen suchte - „ich versichere Sie, ich habe Sie nicht gemieden, und nur - meine Stellung hier brachte es mit sich, daß wir uns nicht so oft begegnet sind wie früher. Es wäre auch unrecht von mir gewesen, wenn ich Ihnen nur irgend einen Groll hätte nachtragen sollen, denn Sie - haben mich stets mit - achtungsvoll und freundlich behandelt."

      „Dann lassen Sie uns aber auch Freunde sein, Gertrud, und weichen Sie mir nicht länger so sorgsam aus," sagte /93/ Charles herzlich, indem er ihr die Hand entgegen streckte. „Ich gebe Ihnen mein Wort, Sie - haben dadurch meine Genesung eher aufgehalten als gefördert, denn die langen, langen Tage hatte ich eine ordentliche Sehnsucht danach, Ihnen einmal Auge in Auge zu sagen, wie dankbar ich Ihnen für die Sorgfalt bin, die Sie dem kranken Fremden gezeigt haben, und - wie gern ich Ihnen das beweisen möchte, wenn Sie – mir nur Gelegenheit dazu böten."

      Gertrud hatte ihm ihre Hand nur widerstrebend gegeben, und ihre Züge waren dabei um einen Schatten bleicher geworden. Sie hob ihr Auge auch nicht zu ihm auf, und die Hand langsam wieder zurückziehend, sagte sie:

      „Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte. - Glauben Sie mir, daß ich Alles, was ich für Sie thun konnte, gern gethan habe; es verdient auch kaum einer weiteren Erwähnung - und nun erlauben Sie, daß ich meinen Geschäften nachgehe. - Ich muß etwas für den Stockkeeper herausgeben."

      „Nicht so, Gertrud," drängte Charles, von der Gewalt des Augenblicks hingerissen, indem er ihr, wie sie das Zimmer wieder verlassen wollte, bittend in den Weg trat - „gehen Sie nicht s o von mir. Wir sind in diesem Augenblick allein, und wer weiß, wann sich je wieder eine solche Gelegenheit bietet, Ihnen das zu sagen, was ich Ihnen sagen muß."

      „Mr. Pitt."

      „Ich liebe Sie, Gertrud - seit ich Ihr stilles Walten hier im Hause beobachten konnte, seit ich Ihr freundliches Wesen kennen lernte, seit ich des Glückes theilhaftig wurde, von Ihrer Hand gepflegt zu werden, hab' ich die Kugel gesegnet, die mich zu Boden warf, nur um in Ihrer Nähe wieder zu einem neuen Dasein zu erwachen. Stoßen Sie mich nicht zurück, mein Herz ist ohne Falsch und jedes Wort, das ich Ihnen sage, so treu gemeint, wie es zu Ihrem Ohre dringt. - Werden Sie mein Weib - geben Sie mir das Recht, Ihnen das Alles in langen, langen Jahren wieder zu vergelten, was Sie jetzt an mir gethan, und Sie sollen es nie, nie bereuen, Ihre Hand am Altar in die meine gelegt zu haben." /94/

      Gertrud war einen Schritt zurückgetreten, und das Blut strömte ihr bei der warmen Anrede des jungen Mannes in Stirn und Schläfe. Nur als er die letzten Worte sprach, deckte sie wie krampfhaft ihre Augen mit der Hand und Leichenblässe färbte in dem einen Moment ihre Wangen.

      „Ich habe Sie überrascht, Gertrud," sagte Charles leise und mit tiefer Bewegung - „ich wollte Sie nicht erschrecken, aber glauben Sie mir, ich that den Schritt nicht unbedacht und habe Alles vorher reiflich überlegt. Nur noch kurze Zeit bleibe ich in Australien, ja meine Abreise nach Neu-Seeland, wo ich von jetzt an meinen Wohnsitz nehmen soll, wäre schon erfolgt, wenn nicht die Entdeckung des Goldes durch das Entlaufen der Schiffsmannschaft und meine Wunde mein Vorhaben verzögert hätte. Dort in dem wilden Lande brauche ich eine treue und liebende Gefährtin, und wie schwer ein junger Mann hier in Australien ein Herz findet das zu dem seinen paßt und ihm wirklich sein künftiges Glück sichern kann, wissen Sie ja vielleicht so gut wie ich. Da fand ich Sie, Gertrud, und mit der Sehnsucht zugleich, mir Ihren Besitz zu sichern, stieg ein Gefühl in mir auf, als ob Sie sich selber hier und in dieser Stellung, wenn auch bei lieben, guten Menschen, nicht glücklich fühlen könnten. Ich kann mich geirrt haben" - setzte er besänftigend hinzu, als er sah, daß Gertrud eine heftige, wie abwehrende Bewegung machte - „aber in meinem eigenen Herzen irrte ich mich nicht, und Gott ist mein Zeuge, Gertrud, daß Sie mich in diesem Augenblick durch ein kleines freundliches Wort recht glücklich machen könnten. - Wollen Sie mein sein?"

      „Nein," sagte Gertrud leise, und als sie die Hand von ihrem Antlitz nahm, glich ihr Gesicht einem schönen Marmorbild, so starr und steinern sah es aus - „ich kann - ich darf nicht."

      „Gertrud!" rief Charles mit tiefem, bitterem Schmerz.

      „Glauben Sie nicht, Mr. Pitt," setzte das junge Mädchen rascher und fast ängstlich hinzu, „daß ich Ihre Liebe gering achtete, - daß ich nicht im tiefsten Herzen fühlte, wie gut und ehrlich Sie es mit mir meinen - daß ich Ihnen nicht im tiefsten Herzen dafür dankbar wäre, aber - dringen Sie /95/ nicht weiter in mich - machen Sie mich nicht dadurch noch unglücklicher, als ich schon bin. - Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, es kann nicht sein, und möge Sie Gott auf Ihren weiteren Wegen schützen und der Gedanke an mich Ihnen nie eine trübe Stunde bereiten. - Leben Sie wohl" - und an seiner Seite vorübergleitend, verließ sie rasch das Zimmer.

      Charles hielt sie nicht mehr zurück; ein eisiges Gefühl erfaßte sein Herz; die kaum geheilte Wunde schmerzte ihn wieder, er barg sein Gesicht in den Händen und sank bleich und erschöpft in den Lehnstuhl zurück, in dem er liegen blieb, bis Henry von der Wegschenke mit den dort vorgefundenen Briefen und Zeitungen zurückkehrte.

      Draußen im Hof war es indessen außerordentlich lebendig zugegangen, denn ein kleiner Trupp Goldwäscher, die einen näheren Weg in die Berge hatten einschlagen wollen und von diesem abgekommen waren, schien sich dermaßen verirrt zu haben, daß er sich kaum wieder nach der Hauptstraße zurückfinden konnte. Glücklicher Weise trafen sie einen von Mr. Sutton's Schäfern in den Bergen, der ihnen wenigstens die Richtung angab, und zum Tod erschöpft und halb verhungert, wie vor Durst fast verschmachtet, erreichten sie endlich diese Station, wo sie an die Wirthschafterin gewiesen wurden, um sich von ihr etwas Speise und Trank zu erbitten. Sie konnten im wahren Sinne des Wortes, da die Aufregung einmal nachgelassen, in der sie sich bis jetzt befunden, keinen Fuß mehr vor den anderen setzen.

      Es waren vier Deutsche und der Führer der kleinen Schaar, dem sich die Anderen angeschlossen, weil er daheim das Bergfach betrieben und deshalb hier natürlich auch gleich die reichsten goldhaltigen Stellen treffen mußte, war eine besonders auffällige Persönlichkeit.

      Von