„Aber ich sehe Dich doch noch, Papa?" rief Pauline ihm nach.
„Gewiß, Kind - ich laufe Euch ja nicht davon," sagte der Vater, grüßte lächelnd noch einmal und verließ dann das Zimmer, wo aber die übrige Gesellschaft, heute in der besten, /66/ heitersten Laune, noch bis elf Uhr zurückblieb. Selbst Mrs. Pitt machte sich heute keine Sorgen mehr, denn morgen früh ging ja ihr Gatte in Person an Ort und Stelle.
7.
Die Werbung.
Vier Tage waren nach jenem Abend in Mrs. Pitt's Hause verflossen, und heute oder spätestens morgen konnte ein Brief aus Bathurst zurück sein - aber ließ es sich auch denken, daß der Vater in der Zeit den Sohn schon aufgefunden hätte, wenn er wirklich noch irgendwo in den Bergen stecke? Die Mutter sorgte sich schon im Voraus vergeblich ab und wollte dem Sohne, wenn er endlich zurückkehrte, recht, recht bittere Vorwürfe über sein langes Schweigen und seinen herzlosen Leichtsinn machen.
Mrs. Pitt war mit Theresen in ihrer eigenen Stube, und Pauline hatte nach dem Luncheon das Parloux wieder aufgeräumt. Sie öffnete eben die Fenster nach dem Hofe und Garten zu, um die jetzt frische wehende Seebrise herein zu lassen, als die Thür aufging und William Holleck auf der Schwelle stand.
Ein Blick überzeugte ihn, daß Pauline allein sei, und mit leichten Schritten sich ihr nähernd, streckte er ihr die Hand entgegen und sagte freundlich:
„Heute hab' ich einmal das Glück, liebes Fräulein, und wenn Sie nicht gerade übermäßig beschäftigt sind, so muß ich Sie schon bitten, sich eine kleine Geschichte von mir erzählen zu lassen."
„Ah, Mr. Holleck," sagte Pauline, verlegen erröthend, während sie ihm aber doch ihre Hand reichte - „soll ich da nicht vielleicht die Mutter dazu rufen?" /67/
„Fürchten Sie sich, mit mir allein zu sein?"
„Nein," sagte das junge Mädchen lächelnd - „weshalb?"
„Schön, dann setzen Sie sich einmal in den breiten, bequemen Stuhl da - es hört sich noch einmal so gut in einem solchen Sessel zu, und gönnen Sie mir für wenige Minuten Gehör."
„Das sind ja gewaltige Vorbereitungen," flüsterte Pauline, und hätte in diesem Moment doch um ihr Leben gern die Mutter dazu gerufen. Aber sie nahm den ihr angewiesenen Platz ein, und Holleck, seinen Hut auf den Tisch stellend, setzte sich in den ihr gegenüberstehenden Stuhl und sagte:
„Und doch will ich keine unnöthigen Worte machen - seien Sie - mir nur nicht böse, wenn ich nur von mir selber rede."
„Und ist nicht das schon eine Vorrede?"
„Sie haben Recht - so hören Sie denn, Pauline. Sie wissen, daß ich mich viele Jahre lang in den Colonien nur eben habe durchbringen können und immer nicht vom Fleck kam, immer nur das verdienen konnte, was ich nothdürftig zum Leben brauchte. Das wäre nun eben nichts Außerordentliches gewesen, denn Tausenden von jungen Leuten geht es hier nicht anders, und sie müssen sich darein fügen. Mir aber nagte es am Herzen, denn - ich liebte ein junges Mädchen, die ich nur gewinnen konnte, wenn ich ihr eine gesicherte Existenz entgegenbrachte - bitte, unterbrechen Sie mich jetzt nicht, bis Sie - nicht wenigstens die Hauptsache erfahren haben.
„In England drüben besaß ich nun noch ein kleines Besitzthum, das ich nicht eher veräußern wollte, bis ich mir hier im australischen Leben die nöthigen Erfahrungen gesammelt hatte und das Capital dann auch mit sicherem Erfolg anlegen und verwerthen konnte. - Das ist jetzt geschehen. Wie Sie sehen, komme ich rasch zur Sache - ich schrieb nach Hause, um Alles, was ich dort besaß, zu Geld zu machen und mir die Wechsel hierher zu senden. Glücklicher Weise traf das Geld gerade in dem Moment hier ein, wo die Entdeckung des Goldes allen Geschäften einen fast fabelhaften Aufschwung gab. Die Aussicht auf eine zwar etwas gewagte, aber sonst treffliche Speculation bot sich mir gleich am ersten Tage - /68/ es war deshalb, daß ich in die Minen fuhr - ich reussirte4 darin, verdreifachte mein kleines Capital in der kurzen Zeit, und kann jetzt wohl sagen, daß ich der Zukunft sorgenfrei in's Auge sehen darf."
„Aber ich begreife nicht -" flüsterte Pauline - sie ahnte, auf was diese ganze Einleitung hinauslief, und ihr Herz fühlte sich dabei so beklommen - sie wußte selber kaum weshalb.
„Ich will keine langen Worte mehr machen, Pauline," fuhr aber Holleck fort, indem er von seinem Stuhl aufstand und auf sie zutrat. - „Ich habe Ihnen erzählt, daß ich jetzt mein Auskommen habe und eine Frau ernähren kann. - ich liebe Sie, Pauline - nur Sie, mit aller Leidenschaft, deren mein Herz fähig ist - ich bin kühn genug zu glauben, daß Sie mir auch ein klein wenig gut sind, denn so lange ich das Glück hatte, in Ihrer Nähe weilen zu dürfen, waren Sie ja immer so lieb und freundlich gegen mich - so beantworten Sie mir denn die einfache Frage, so einfach wie ich sie an Sie stelle: Wollen Sie mir erlauben, bei Ihren Eltern um Sie zu werben? - Wollen Sie mein Weib werden, Pauline?"
Das junge Mädchen war in der Erregung des Augenblicks todtenbleich geworden. Auch sie stand von ihrem Stuhl auf, aber sie war noch nicht im Stande zu antworten, und überließ ihre Hand fast willenlos dem leidenschaftlichen Druck des jungen Mannes. - Was konnte - was sollte sie ihm antworten? Mehrere Jahre schon hatte er ihr Haus als Freund ihres Bruders, ihres Vaters betreten; sie war fast gewöhnt worden, ihn wie mit zur Familie gehörig - wie als einen Bruder zu betrachten. Erst seit kurzer Zeit - seit jenem Tage selbst, wo er in diesem nämlichen Zimmer versucht hatte mit ihr zu sprechen, und damals unterbrochen worden war, stieg die Ueberzeugung in ihr auf, daß sie von William Holleck geliebt werde, und füllte ihr Herz mit einer ganz eigenen Unruhe und Bedrängnis, mit einer Unentschlossenheit, für die sie sich selber keine Ursache angeben konnte. Sie hatte nicht einmal den Muth gehabt, ihr Herz ernstlich zu befragen, was es thun, was lassen würde, bis in diesem Augenblick die Werbung des jungen Mannes sie ängstlich überraschte. Sollte sie ihn zurückweisen? - er war immer so freundlich und aufmerksam /69/ gegen sie gewesen, und wenn auch wohl Manches in seinem Charakter und ganzen Wesen lag, was in ihrer eigenen Seele nicht den rechten Wiederklang fand - konnte das als hinreichender Grund gelten, ihn so tief zu kränken?
Alle diese Gedanken durchkreuzten bunt und jäh in diesem Augenblick ihr Hirn und ließen sie kaum zu einem rechten Bewußtsein kommen.
„Und darf ich hoffen, Pauline, daß Sie mir nur ein klein wenig freundlich gesinnt sind?" drängte Holleck, dem ihre Unentschlossenheit nicht entgehen konnte.
„Oh, wenn Sie mir nur Zeit ließen," hauchte das junge Mädchen, „Sie haben - mich so überrascht - und ich weiß nicht -"
„Geben Sie mir nur eine leise Hoffnung, Pauline; lassen Sie mich nicht wieder allein und einsam in das Leben hinausziehen. Für was arbeiten wir denn hier, für was mühen wir uns ab und trotzen allen Beschwerden und Gefahren, wenn nicht deshalb, uns in dem halb wilden Lande eine eigene und feste Häuslichkeit zu gründen. Sehen Sie mir in's Auge, Pauline," bat er leise und legte seinen Arm um ihre Taille, „sehen Sie mir in's Auge, liebe, liebe Pauline und," fügte er leise und wie scheu hinzu, „glauben Sie mir, daß ich nichts auf der Welt habe, auf das ich noch hoffe, für das ich noch leben und wirken möchte, wie nur Sie - Sie allein, und ich, wenn ich Ihnen entsagen müßte, elend, bodenlos elend werden und in Verzweiflung untergehen müßte."
Er hatte die letzten Worte, wenn auch kaum hörbar, doch mit einer so furchtbaren Leidenschaftlichkeit gesprochen, daß Pauline wirklich erschreckt zu ihm aufschaute - und wie sein Auge glühte, wie seine ganze Gestalt bebte!
In dem Augenblick öffnete sich die Thür, und Mrs. Pitt, die mit der Kleinen in's Zimmer trat, blieb allerdings überrascht auf der Schwelle stehen, als sie die Gruppe bemerkte.
Pauline aber wand sich aus Holleck's Arm, und an der Mutter Brust fliegend, barg sie ihr Haupt an ihrer Schulter und flüsterte leise:
„Meine liebe, liebe Mutter -"
„Meine Pauline," rief die Mutter, denn eine eigene Angst /70/ überkam sie, das Gefühl, als ob ihr das Kind genommen, auf immer genommen werden sollte, und sie legte ihren Arm um sie und preßte sie fest, fest an sich.
„Mrs. Pitt," sagte da Holleck, indem