„Und haben sie auch im Geschäft in Bathurst noch immer keine Nachricht von ihm?" frug Mr. Pitt ärgerlich.
„Keine Silbe," lachte Holleck, „ja, wo soll er auch da oben Dinte und Feder herbekommen! Das sieht wunderbar in den Minen aus." /62/
„Schön," sagte Becker, „hier haben wir denn wenigstens ein lebendiges Individuum, das uns einen genauen, authentischen Bericht über die fabelhaften Goldminen geben kann. Und nun, junger Herr, setzen Sie sich einmal auf den Stuhl da und packen Sie Ihre Neuigkeiten aus, denn wir Alle brennen darauf, etwas Bestimmtes zu hören. Was man hier in der Stadt darüber erfährt, ist gerade genug, einen sonst ganz vernünftigen Menschen verrückt zu machen, und ich möchte nun auch einmal Jemanden sprechen, der gerad' mit der Sache herausrückt und die Flunkereien aufdeckt."
„Flunkereien?" rief aber Holleck lachend. „Mein guter Capitain, da sind Sie an den Unrechten gerathen, denn wenn ich Ihnen nur das erzähle, was ich selber gesehen habe, packen Sie morgenden Tages auf und machen, daß Sie so rasch als irgend möglich selber in die Minen kommen."
„Das wäre mir aber lieb," rief der Capitain, ganz verblüfft von der unerwarteten Bemerkung. Aber Holleck hatte die kleine Gesellschaft nun einmal neugierig gemacht, und da doch an kein anderes Gespräch zu denken war, bis das Minencapitel beseitigt worden, bat ihn sogar Mr. Pitt, ihnen nur, was er da oben erfahren habe, zum Besten zu geben, und Holleck willfahrte gern.
Mit einem ganz eigenen, vortrefflichen Humor schilderte er jetzt seinen Weg in die Berge und das Leben da oben, beschrieb die wunderlichen Charaktere, die dort zusammengeströmt, und die Arbeiten wie Erfolge, und bestätigte dabei so vollkommen selbst die extravagantesten aus den Minen niedergebrachten Gerüchte, daß Capitain Becker wie erstarrt dabei saß und kaum wußte, ob er seinen eigenen Ohren trauen sollte.
Nur in der einen Woche waren schon ganz enorme Quantitäten Goldes ausgegraben und zahllose Nuggets (ein entschieden australisches Wort für größere Goldklumpen), die ein, zwei, drei, ja zehn und zwölf Pfund in reinem Gold gewogen, von glücklichen Arbeitern zu Tage gefördert worden.
Noch während er erzählte, brachte die Magd einen Brief herein, der eben im Hause unten abgegeben worden.
„Von Bathurst?" sagte Mr. Pitt, der den Stempel betrachtete. /63/
„Endlich von Charles!" rief Mrs. Pitt, von ihrem Stuhl aufspringend.
„Nein, es ist eine fremde Hand, die ich gar nicht kenne," sagte ihr Mann, indem er zum Lichte trat, den Brief öffnend.
„Aber doch vielleicht Nachricht von ihm?" sagte die Mutter.
„Wohl kaum J. Sutton?" las Mr. Pitt die Unterschrift.
„Etwas von Charles?" wiederholte seine Frau, deren Blick ängstlich an ihm haftete. Mr. Pitt stand mit dem Gesicht der Lampe zugedreht und kehrte seiner Frau den Rücken zu. - Er schüttelte nur langsam den Kopf und verharrte in seiner Stellung.
Holleck hatte einen Augenblick mit Erzählen inne gehalten, er wollte die Frage nicht stören; als aber Mr. Pitt jetzt ruhig weiter las und die Frau wieder mit einer getäuschten Hoffnung auf ihren Stuhl zurücksank, fuhr er fort, und gab ihnen jetzt in so komischer Weise die Schilderung eines Deutschen, der da oben in den Bergen eine complicirte Maschine hätte aufsetzen wollen und das immer an Stellen ermöglichte, an denen er gar nicht arbeiten konnte, daß Alle laut lachten. Selbst Mrs. Pitt vergaß für den Augenblick die Sorge um den Sohn, die sie sonst selten oder nie verließ.
Mr. Pitt hörte indessen von der ganzen Erzählung kein Wort, denn er hielt Mr. Sutton's Zeilen in den Händen, der ihm mit kurzen Worten den Unfall seines Charles anzeigte und ihn bat, so rasch er könne selber hinauf zu kommen. Der Brief war dem Datum nach schon fünf Tage alt und, wie das Postzeichen ergab, über Bathurst gegangen. - Was sollte er jetzt thun? - seiner Frau den Inhalt mittheilen? - sie wäre ihm vor Angst am Ende selber krank geworden, und jetzt konnte sie ja doch noch nichts helfen, dem Sohne, der sich in guter Pflege befand, nichts direct nützen. Da war es viel besser, sie blieb noch einige Tage in ihrer Ungewißheit, bis sich ihr wenigstens mit Sicherheit die Besserung des Verwundeten anzeigen ließ.
Ganz in Gedanken, und die Gegenwart der Uebrigen in der That total vergessend, war er mit dem Brief in der Hand ein paar Mal im Zimmer auf- und abgegangen. /64/
Mr. Beatty, der ihm zunächst saß, sah aber, daß er die Stirn in düstere Falten zog, und sagte:
„Doch keine unangenehmen Nachrichten, Mr. Pitt?"
„Ach ja," erwiderte der Mann, sich gewaltsam sammelnd - „es scheint doch da oben in Bathurst ganz toll und wild gewirthschaftet zu werden, und es wird mir nichts Anderes übrig bleiben, als selber hinauf zu gehen, um die Sache einmal in Ordnung zu bringen."
„Ja wohl, Charles, das ist recht," rief Mrs. Pitt erfreut, „ich habe Dich schon lange darum gebeten; früher erfahren wir doch nichts von Charley."
„Und wann wollen Sie fort?" frug Capitain Becker und bekam, noch während er sprach, ein ganz rothes Gesicht.
„Am liebsten ginge ich gleich heut Abend, wenn ich wüßte wie," sagte Mr. Pitt, „da das aber unmöglich ist, morgen mit Tagesanbruch."
„Donnerwetter, das ist früh," brummte der Capitain - „wissen Sie wohl, Mr. Pitt, daß ich höllische Lust hätte, Sie zu begleiten?"
„Aha!" lachte Pauline, „bei Ihnen haben Mr. Holleck's Berichte schon gezündet, und ich sehe Sie da oben noch im Schweiße Ihres Angesichts Ihr Gold ergraben."
„Ach ne, Miß," sagte der Capitain verlegen, „wegen des albernen Goldes wahrhaftig nicht; aber zum Wetter auch, man muß sich die Geschichte, wenn man sie so dicht vor der Nase hat, doch wenigstens einmal mit ansehen, oder wird am Ende später darum ausgelacht, in Australien gewesen zu sein und nicht einmal die Minen gesehen zu haben."
„Capitain, Capitain!" drohte Mr. Beatty lachend mit dem Finger - „ich werde nächstens selber hinaufgeschickt werden, um die Minen zu inspiciren; wenn ich Sie dann aber droben mit Schaufel und Waschschüssel erwische, dann nehmen Sie sich in Acht."
„Haben Sie keine Angst - ich werde den Teufel thun und in dem harten Boden nach Gold scharren. Aber was soll ich hier? Ihre Polizeibehörde ist so ausgezeichnet in Sidney, daß jetzt ganze Schiffsmannschaften spurlos verschwinden, ohne daß man einer einzigen Seele wieder auf die Spur /65/ kommt, und allein kann ich mein Schiff auch nicht fahren, das geht nicht - Geld verzehre ich hier wie dort, und da kann mir ein bischen Bewegung ebenfalls nicht schaden. Aber bis Tagesanbruch werd' ich noch nicht klar, Mr. Pitt - können Sie es nicht wenigstens bis morgen Abend aufschieben?"
„Es ist ganz unmöglich, lieber Capitain," lautete aber die Antwort, „denn einen Platz auf der Post finden wir doch nicht in der nächsten Zeit, und ich muß deshalb die Reise zu Pferde machen."
„Zu Pferd, schwere Brett," sagte Capitain Becker, der an einige, eben nicht besonders gelungene, derartige Touren in Valparaiso und auf den Sandwichsinseln dachte - „den ganzen Weg zu Pferd - das ist eine heillose Anstrengung."
„Und noch dazu in einem scharfen Trab."
„Danke Ihnen," sagte der Capitain - „da wäre mir schon bis Paramatta die Seele aus dem Leibe geschüttelt. Ne, da lieber nicht."
„Wenn Sie bis übermorgen früh warten wollen, Capitain," sagte der Polizeilieutenant, „so verschaffe ich Ihnen sichere und bequeme Gelegenheit in einem Einspänner. Ich muß Jemanden nach Bathurst schicken, und der kleine Wagen, den er mitnimmt, ist dorthin verkauft."
„Das wäre famos. Und könnte ich da meinen Steuermann gleich mitnehmen?"
„Wenn Sie wollen, warum nicht?"
„Bravo, dann bin ich außer aller Sorge. Mein Steward mag indessen das Schiff bemuttern, daß es nicht den Anker zwischen die Zähne nimmt und durchgeht."
„Und