Die Reichsreform
Das, was man die mittelalterliche Anarchie nennen kann, lag einmal begründet in den fließenden Zuständen, die Verschiebung der Machtverhältnisse verhältnismäßig leicht ermöglichten und dem allgemeinen Streben nach Selbstherrschaft dienten; dazu kam im späteren Mittelalter die Entartung und Verwilderung aller Verhältnisse, die umso mehr als unerträglich empfunden wurde, als das öffentliche Leben überhaupt, wie es die Entwicklung des menschlichen Geistes mit sich bringt, allmählich zu erstarren begann. Das Bedürfnis nach festen Ordnungen machte sich geltend.
Karl IV. (HRR) – Wikipedia. Karl IV. (HRR) Karl IV. (tschechisch Karel IV.; * 14. Mai 1316 in Prag; † 29. November 1378 ebenda), geboren als Wenzel (tschechisch Václav), war römisch-deutscher Kaiser.
Man kann sagen, dass Karl IV. mit der Goldenen Bulle den Anfang dazu gemacht hatte, indem er wenigstens die Königswahl in feste Formen brachte und aus den Kurfürsten eine Art Körperschaft organisierte, die dem König gleichberechtigt zur Seite stand und seitdem auch in den Kurvereinen bedeutenden Einfluss ausübte. Siegmund, Karls geistvoller Sohn, der mit so viel Energie an der Reformation der Kirche arbeitete, plante auch eine Reichsreform, wobei er sich auf die Städte und die Ritter stützen und das Reich in Kreise einteilen wollte.
Sigismund lebte vom 15. Februar 1368 bis zum 9. Dezember 1437. Geboren wurde er in Nürnberg als Kind von Kaiser Karl IV und seiner vierten Frau Elisabeth von Pommern. Aus der Ehe davor, mit Anna von Schweidnitz, ging Sigismunds Halbbruder hervor, Wenzel. Anders als sein Vater, galt Sigismund als lebensfroher Mensch, der sich die Zeit gerne mit einem Turnier vertrieb. Er war hoch gebildet und sprach mehrere Sprachen. Sigismund war zweimal verheiratet.
Zur Ausführung konnte es bei dem Widerwillen aller Stände nicht kommen. Noch zu seinen Lebzeiten aber durchdachte ein philosophischer Kopf, der junge Nikolaus von Cusa, diese seine Zeit so sehr bewegenden Fragen. Wie es damals selbstverständlich war, behandelte er in seiner Schrift De concordantia catholica die Reichs- und Kirchenreform gemeinsam. Er ging von dem tiefsinnigen, folgenreichen Gedanken aus, dass die Wahrheit auf Übereinstimmung beruhe. Die Ordnung im Reich beruhe auf der Übereinstimmung von Papst und Kaiser mit dem Körper ihrer Untergebenen. Der entgegengesetzten Entwicklung von Papsttum und Kaisertum entsprechend wollte er auf Minderung der päpstlichen und Mehrung der kaiserlichen Macht hinwirken. Die gesamte Kirche hielt er damals für vertreten durch die in einem Konzil versammelten christlichen Prälaten, und zwar auch ohne den Papst, falls derselbe an dem Konzil nicht teilnehmen wolle oder könne. Würde unter so vielen aus verschiedenen Ländern stammenden Priestern Übereinstimmung erzielt, so könne das als Wirkung des Heiligen Geistes angesehen werden. Innerhalb des Staates waren die Reichstage etwa das, was in der Kirche die Konzilien waren; sie sollten nach seinem Reformplan jährlich in Frankfurt stattfinden. Der ausübenden Macht des Kaisers sollte ein Reichsheer dienen, das durch eine Reichssteuer zu erhalten wäre. Da fürstliche Heere neben dem kaiserlichen nicht vorgesehen waren, so bedeutete das eine Umwälzung von unermesslichen Folgen. Zwecks leichterer Verwaltung sollte das Reich in Kreise eingeteilt werden und in jedem Kreis ein Reichsgericht das Recht sprechen. Einen gesicherten Rechtszustand zu schaffen, sah er für das wichtigste Erfordernis an. Die Fehde sollte für ewige Zeit abgeschafft werden. Was die Masse des Volkes betrifft, ging Cusa davon aus, dass ihr sklavische Gesinnung angeboren sei, so dass sie sich willig von den Weiseren leiten ließe und durch sie vertreten werden könnte. Bei der Zusammensetzung der Reichstage und Reichsgerichte war dem bürgerlichen Element mehr Einfluss zugedacht als dem fürstlichen. Man spürt in dem ganzen Entwurf den bürgerfreundlichen, großartig zugreifenden Geist des Zeitalters des Kaisers Siegmund, auch darin ihm zugehörig, dass seine Ideen sich nicht verwirklichten.
Albrecht II. von Habsburg (in einer Handschrift um 1560) Albrecht II. von Österreich, genannt der Weise oder der Lahme (* 12. Dezember 1298 auf der Habsburg; † 20. Juli 1358 in Wien).
Der frühe Tod des tatkräftigen Albrecht II., des Schwiegersohns und Nachfolgers Kaiser Siegmunds, entzog der Reformbewegung den Ansporn, den die kaiserliche Teilnahme ihr bis dahin gegeben hatte. Ein seltsames Verhängnis fügte es, dass Friedrich III., der durch Nichtwollen und Nichttun die Nation lähmte und sich selbst erhielt, über 50 Jahre regierte. Versenkt man sich in die wunderliche Existenz dieses Habsburgers, so kommt einem wohl das Bild der Riesenschildkröte in den Sinn, die man zuweilen in Aquarien sieht. Ein gigantischer Klotz von phantastisch urweltlichem Umriss hängt im Wasser. Lebt dies Geschöpf oder ist es in Jahrtausenden versteinert? Wie lange man es auch beobachtet, es bewegt sich nicht; aber plötzlich sieht man, dass der Felsen Augen hat, aus denen es böse herausblitzt, ein unzugänglicher, tückischer, lauernder Wille. Weder durch gütliche Vorstellung noch durch Drohung war Friedrich III. nach irgendeiner Richtung hin zu bewegen. Seine Politik hat sich in einem späteren Jahrhundert in der Regierung eines gleichfalls langlebigen Habsburgers und seines langlebigen Kanzlers wiederholt, die nämlich, nichts am Bestehenden zu ändern, weil in einem morschen Gebäude die Verrückung eines einzigen Steins zum Zusammenbruch des Ganzen führen könne. Nachdem Friedrich sich entschlossen hatte, dem Papst die Obedienz zu leisten, bevor die ersehnte Reform verbürgt war, verbanden sich die beiden mittelalterlichen Häupter zum Widerstand gegen jede Neuerung. Obwohl auch jetzt noch, wie im Mittelalter, der Papst den kaiserlichen Einfluss in Italien bekämpfte, der Kaiser zuweilen rücksichtslos diesen Einfluss durchsetzte, so wurde doch mehr und mehr der Erzherzog von Österreich und römische Kaiser des Papsttums wichtigste Stütze. Die beiden universalen Mächte blieben in einer Zeit, wo die selbständig gewordenen Nationen das alte Weltgebäude zerbrachen, aufeinander angewiesen. Eine Reichsreform im Sinne des Cusa hätte dem Kaiser erwünscht sein müssen; allein sie zu erzwingen, hätte es mehr Interesses für das Reich und mehr Lust, sich dafür einzusetzen, bedurft, die der ganz der Sorge für seine Erblande hingegebene Friedrich nicht hatte. Denn dies geheimnisvolle Urtier, das am liebsten still vor sich hin Rosen züchtete und Edelsteine sammelte, war nicht ohne Empfindung, er hatte sogar Leidenschaft für sein Land Österreich und im Zusammenhang damit für seinen Sohn und Erben. Wenn er ihm auch misstrauisch keinen Einblick in die Regierung gestattete, so war der Sohn ihm doch teuer als der künftige Herr des Weltreichs Österreich. Austriae Est Imperare Orbi Universo. Alles Erdreich Ist Österreich Untertan. Das Ostreich, zu dem König Rudolf im 13. Jahrhundert den Grund gelegt hatte, das Rudolf der Stifter weitergeträumt hatte, wogte als große Vision vor der dunklen Seele Friedrichs III. Gespeist mit seinen ausschweifenden Vorstellungen, schwoll es in der unterirdischen Höhle zu ungeheurem Ausmaß an. Das Ostreich, bestehend aus Polen, Ungarn, Böhmen und Österreich, war da; aber gerade zur Zeit Friedrichs III. eroberten es tatkräftige Emporkömmlinge, erst Georg Podiebrad von Böhmen, dann Mathias Corvinus von Ungarn. Die Führung des Bollwerks, das Europa vor den Türken schützen musste, schien dem Hause Habsburg zu entgleiten. Wien selbst, Österreichs schöne Hauptstadt, fiel dem König von Ungarn zur Beute, Friedrich III. schlug sich kläglich als Gast seiner guten Städte durchs Reich. Das machte ihn nicht irre im Glauben an die Bestimmung seiner Dynastie.
Matthias I. Corvinus (Mátyás Hunyadi) König von Ungarn (seit 1458) und Böhmen (seit 1476), * 23.2.1443 Klausenburg (Siebenbürgen), † 6.4.1490 Wien.
Georg von Podïebrad (Jiří z Poděbrad; eigentlich von Kunstadt, Poděbrader Linie) König von Böhmen, * 6.4.1420, † 22.3.1471 Prag.
Und wie er erlebte, dass Mathias Corvinus seinen einstigen Beschützer, Georg Podiebrad von Böhmen, entthronte, so erlebte er auch den Tod dieses kriegsgewaltigen Usurpators.
Ja es gelang ihm, als sein Nebenbuhler im Westen, Herzog Karl von Burgund, die Reichsstadt Neuß belagerte, ein Reichsheer zum Entsatz zu führen, zu dem selbst aus dem Norden,