Sonnenkaiser. Dirk Meinhard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Meinhard
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754172469
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Mal viel ruhiger im Wasser.

      Er atmete vor Schreck noch schneller. Wieder einmal schwappte Wasser durch das Atemrohr und er verschluckte sich erneut an dem salzigen Zeug. Immerhin verdrängte das Meerwasser den anderen Geschmack auf seiner Zunge.

      Dann wurde der Torpedo in die Höhe gehoben und geschwenkt. Instinktiv drückte er seine Arme und Beine gegen die Wände, als könnte er damit die unkontrollierte Bewegung seines Sarges verhindern. Hart schlug der Torpedo auf festem Grund auf und schüttelte seinen Passagier unangenehm durch. Sekunden später wurde der Deckel abgenommen. Das Licht stach ihm unangenehm in die Augen, die er zusammenkniff. Die frische Luft vertrieb den unangenehmen Geruch nach Erbrochenem.

      >>Du bist Voltage?<<

      Die Stimme sprach mit einem starken Akzent auf Englisch.

      >>Hallo! Ich hoffe, Deine Reise war nicht zu unangenehm!<<

      Eine kurze Pause.

      >>Du solltest da raus kommen und die Sauerei auf Deinen Sachen abwaschen!<<

      Voltage öffnete langsam die Augen. Ein paar Mal musste er blinzeln, bis er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte.

      Über ihm stand ein kräftig aussehender Mann mit kurzen schwarzen Haaren und sehr dunkler Haut. Wie es aussah, war der Torpedo tatsächlich von den richtigen Leuten aufgefischt worden. Der Schwarze trug einen ausgewaschenen blauen Overall, an dem sich schon ein ungelernter Schneider mehrfach versucht hatte, um diverse Risse mit groben Nadelstichen zu reparieren. Auf der Brusttasche hing halb abgerissen ein Stoffdreieck mit dem Logo einer Firma, die er nicht kannte.

      Voltage setzte sich erst auf und kletterte langsam und zögerlich aus seinem engen Gefängnis. Er zitterte leicht vor Schwäche.

      Bereits im Sitzen schwallte wieder der unangenehme gallige Geruch in seine Nase. Er schaute an sich herunter und sein Hals schnürte sich zu. Auf seiner Kleidung zog sich schmieriger Schleim von der Brust in alle Richtungen.

      >>Der Seegang ist doch gar nicht so schlimm!<<

      Der Schwarze lachte laut und herzhaft.

      Voltage schaute sich um. Er befand sich auf einem ähnlichen Schiff, wie dem, auf dem er in den Torpedo gestiegen war. Es sah allerdings ziemlich heruntergekommen aus. Das Deck hatte tiefe Kratzer, der Anstrich war überall weitgehend abgeblättert. Der Ausleger des Krans, der den Torpedo aus dem Wasser gezogen hatte, war arg verbogen, das ganze Gerüst mit Rost überzogen, ebenso die Reling und die Schiffsaufbauten.

      Der Schwarze bemerkte seinen entsetzten Blick und lachte.

      >>Tut mir leid! Das ist eigentlich unser bestes Schiff! Wir mussten es für diese Tour leider vorzeitig aus der Werft holen. Sonst wäre der neue Anstrich in einem schönen kräftigen Rot noch fertig geworden<<, platzte er in einem polterig harten Englisch heraus.

      Der Mann ging zur Bordwand, griff zu einem dort liegenden Eimer an einem langen Seil und warf ihn über Bord. Dann zog er den mit Wasser gefüllten Behälter wieder an Bord und stellte ihn neben dem Torpedo ab. Aus einer Tasche seines Overalls beförderte er einen fleckigen grauen Lappen und warf ihn in den Eimer.

      >>Abwaschen! So stinkend kommst Du nicht ins Deckhaus. Und nur da gibt es Frühstück für Dich!<<

      Voltage bezweifelte, dass er in der Lage war, auch nur einen Bissen runterzuwürgen, obwohl der Wellengang hier an Bord kaum noch spürbar war. Das Boot hatte Fahrt aufgenommen und schob sich durch das ruhige Wasser.

      Er reinigte sich mit dem Lappen, so gut er konnte. Dabei schaute er sich auf dem Boot um. Der Schwarze saß währenddessen auf dem Torpedo und unterhielt sich mit einem anderen Besatzungsmitglied in einer arabisch klingenden Sprache. Der andere war damit beschäftigt, ein Fischernetz nach Schäden zu durchsuchen.

      >>Bist Du endlich fertig? Dann lass uns hier draußen verschwinden. Wenn die Küstenwache vorbeikommt, muss die nicht sofort sehen, dass wir mehr als nur Treibgut aufgefischt haben!<<

      Voltage warf den Lappen in den Eimer.

      >>Wie heißt Du eigentlich?<<

      Der Schwarze zuckte mit den Schultern.

      >>Nenn mich Black!<<

      Er stand auf und ging zum Deckhaus hinüber. Voltage öffnete das Fach im Torpedo und nahm seine Tasche heraus. Erleichtert stellte er fest, dass sie trocken und unbeschädigt war.

      Voltage folgte Black in das durch kleine Fenster beleuchtete Deckhaus. Es roch intensiv nach Zigarettenqualm und ranzigem Fischtran. Voltage rümpfte die Nase. Er war Nichtraucher und hatte noch nie verstehen können, was jemand daran fand, Verbrennungsgase in seine Lungen zu ziehen. Und für ihn war Fisch, der so roch wie er hieß, Abfall.

      Der Raum war ein Mannschaftsraum oder Pausenraum mit einer kleinen Küchenzeile an einer Wand. In einer Spüle standen ein paar schmutzige Plastikschüsseln aufeinander getürmt. Auf einem kleinen Schrank daneben war ein großer halb voller Wasserkanister platziert, der von einem breiten Metallband in seiner Position gehalten wurde. Der halbdurchsichtige Kanister hatte schwarze und grüne Verfärbungen. Er konnte nicht erkennen, ob diese Verfärbungen innen oder außen an dem Kanister waren und schüttelte sich leicht, als er sich für die Variante Innen entschied.

      Black deutete auf eine Sitzecke mit einem Tisch, dessen schmierig graue Platte mit zahlreichen Kreisen bedeckt war, die wie Brandlöcher aussahen.

      >>Nimm Platz!<<

      Er stellte eine Flasche, zwei Gläser und eine gräuliche Plastikbox auf den Tisch. Zügig füllte er die Gläser aus der Flasche mit einer blassgrünlichen Flüssigkeit, in der kleine Teilchen schwebten.

      >>Ich hoffe, das ist kein Alkohol!<<

      Voltage schaute argwöhnisch auf das Glas, das Black ihm hinschob.

      >>Keine Angst! Das ist nur Wasser mit etwas Geschmack.<<

      Er roch an dem Glas und nippte daran. Es schmeckte nach kaltem extrem gesüßtem Pfefferminztee.

      >>Tut mir leid. Der Tee ist kalt. Auf See in einem kleinen Fischerboot ist es schwierig, ihn warm zu halten. So ist es für uns einfacher.<<

      Voltage entschied sich dafür, dass der Tee nicht mit dem Wasser aus dem Kanister zubereitet worden war. Black setzte sich ihm gegenüber und deutete auf die Tasche, die Voltage auf den Tisch gelegt hatte.

      >>Bist Du die wichtige Fracht, oder ist es die Tasche?<<

      Voltage zuckte zusammen. Will hatte die gesamte Reise organisiert. Er selbst war völlig davon abhängig, dass Will vertrauenswürdige Leute beauftragt hatte. Er konnte sich vorstellen, dass es in Marokko auch Leute gab, die die Gelegenheit für ein doppeltes Geschäft ausnutzten. Erst die Passage kassieren und dann den Passagier als Sklaven verkaufen.

      Black leerte sein Glas und schob die Box zu Voltage herüber.

      >>Der Käsefladen ist auch recht gut. Leider auch kalt!<<

      >>Wir sind gemeinsam die Fracht! Das eine funktioniert nicht ohne das andere!<<, antwortete Voltage und nahm sich eine Scheibe aus der Box. Der Fladen war etwas zäh. Voltage identifizierte Oliven, Thymian und Schafskäse als Zutaten. Zum Glück kein Fischgeschmack.

      >>Das schmeckt gut!<<, kommentierte er kauend. Die Übelkeit war weg. Der gallige Geruch war fast weg und er bekam tatsächlich Hunger.

      Black grinste zufrieden.

      >>Ich habe die Anweisung, Euch beide nach Jebha zu bringen.<<

      >>Muss ich noch mal in diesen Sarg einsteigen?<<

      Nicht noch einmal so eine Tour. Dann lieber schwimmen. Geflissentlich verdrängte er den Gedanken an seine Rückreise, denn eigentlich war sein Verbleiben in Marokko nicht im Plan vorgesehen.

      >>Nein! Heute ist keine Beerdigung mehr vorgesehen!<<

      Black