Im Eingangsbereich öffnete sich die Haustür. Als der den Türrahmen füllende dunkle Schatten den Raum betrat, hatte Daniel eine Ahnung, was nun kommen würde. Wie es aussah, war das Glück an diesem Tag sehr wankelmütig.
Der SecGuard blieb im Eingang des Salons stehen und nahm die Haltung eines Türstehers ein, leicht breitbeinig mit vor dem Körper zusammengeführten Händen. Sein Blick ging stoisch geradeaus, als würde er die Anwesenden nicht wahrnehmen.
Jacobs machte eine Handbewegung zum Eingang.
>>Sie werden von einem Mitarbeiter von GlobSecure begleitet. Sie kennen ihn schon. SecGuard Vermont hat Sie vom Flughafen hierher gefahren. Er wird Ihnen sehr hilfreich sein, wenn Sie unangenehmen Mitmenschen begegnen sollten. Und er sorgt für die Begleichung der anfallenden Spesen!<<
Vermont stand immer noch ohne Regung in der Tür und machte den Eindruck, dass er sich noch mit dem Verdauen eines Typs beschäftigte, der ihm quer gekommen war.
>>Das wird eine bemerkenswert unterhaltsame Woche werden<<, dachte sich Daniel.
>>Ja, wir haben bereits die allgemeinen Verhaltensregeln abgestimmt, die bei GlobSecure gelten.<<
Kaum hatte er das gesagt, hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Aber der Drang dazu, Vermont aus der Reserve zu locken, war zu stark gewesen. Doch der lebende Kleiderschrank reagierte überhaupt nicht. Sein Gesicht blieb eine unbewegliche Maske.
>>Herr Vermont ist ständig für die Betreuung meiner Familie zuständig. Ich schätze ihn für seine Verschwiegenheit und Loyalität.<<
Diese Worte und Jacobs anerkennender Blick in Richtung des humorlosen Kahlschädels ließen keinen Zweifel daran, dass ihm diese Maximalkonzentration an Muskelkraft samt sonstiger Eigenschaften imponierte.
>>Sie sollten jetzt keine weitere Zeit verschwenden! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, werden Sie zunächst nach Frankfurt fliegen. Der Jet steht für Sie ebenfalls in dieser Woche bereit! Herr Vermont wird als Ihr Fahrer fungieren. Er ist über alle Ergebnisse der Nachforschungen durch GlobSecure in Kenntnis gesetzt worden. Und wenn Ihr Bein Probleme macht, übernimmt er auch jegliche Laufarbeit.<<
Lediglich Vermonts Augen bewegten sich bei diesen Worten. Daniel spürte fast den stechenden Blick seinen Körper durchdringen.
Jacobs stand auf.
>>Ich denke, wir sind am Ende unserer Unterhaltung. Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie sich an den Sicherheitsdienst wenden. Herr Vermont wird Ihnen bei der Kontaktaufnahme helfen. Brauchen Sie noch etwas?<<
Nach dieser Unterhaltung wirkte die Frage eher rhetorisch.
Daniel erhob sich und nickte den Jacobs freundlich zu. Frau Jacobs lächelte ihn mit ihrem hoffnungsvollen Blick an.
>>Nein danke! Ich habe erst einmal alles, was ich brauche!<<
Frederic Jacobs schaute auf seine Uhr.
>> Gut, Sie sollten sich beeilen. Je schneller Sie an Ihrem Ziel eintreffen, umso eher werden Sie Ergebnisse erzielen!<<
Damit schien die Unterhaltung für ihn beendet. Wie auf ein unhörbares Kommando machte Vermont den Weg aus dem Salon frei und Jacobs verließ den Raum. Diana Jacobs erhob sich langsam und reichte Daniel die Hand erneut. Sie lächelte zaghaft.
>>Herr Neumann! Ich bin sicher, Sie werden Ihr Bestes geben! Und schauen Sie sich das Touchbook noch einmal gut an! Sie werden am Ende vielleicht noch wichtige Details finden! Enttäuschen Sie mich bitte nicht. Ich liebe meinen Sohn über alles und ich verspüre momentan Angst um ihn!<<
Daniel horchte auf. Das klang irgendwie nach einer verschlüsselten Botschaft. Ein leichter Hauch von Intrige zog durch die Luft. Es kribbelte ihn in den Fingern, das Touchbook sofort zu öffnen, aber das musste noch warten.
Frau Jacobs verließ den Raum ebenfalls und ließ Daniel und den SecGuard allein zurück. Vermont deutete mit dem Kopf nach draußen.
>>Verschwenden Sie keine Zeit! Herrn Jacobs Geduld ist sehr begrenzt!<<
Daniel seufzte in Erwartung spannender Gespräche mit seinem Zwangsbegleiter. Dann folgte er dem SecGuard zum Wagen.
16.
Die Fahrt zurück zum Flughafen verließ erwartungsgemäß. Vermont verlor kein überflüssiges Wort, was einem ausgiebigen Schweigen entsprach. Daniel schaute sich daher gespannt das Touchbook an. Die Kontaktdaten von Marcs Telefon versprachen noch am ehesten Nutzen. Das, was über ihn an Informationen geboten wurde, war so dürftig, er konnte fast annehmen, Frederic Jacobs wollte keinen wirklichen Sucherfolg. Wertvolle Hinweise über Marcs Leben, die Anhaltspunkte bieten konnten, fehlten beinahe völlig. Hatte Frederic Jacobs die Sorge um Diskretion dazu veranlasst, oder hatte das einen anderen Grund?
Er würde wohl nach der Untersuchung des Apartments zuerst Marc Jacobs Freunde aufsuchen, um sich ein Bild zu machen. Wie ergiebig das sein würde, war abzuwarten. Bei ganzen vier Namen erwartete Daniel keine Wunder. Ohnehin blieb die Frage, warum GlobSecure diese Leute nicht schon befragt hatte, oder warum er über die Gespräche keine Informationen erhalten hatte.
Die merkwürdige Betonung in der letzten Äußerung von Frau Jacobs ging ihm nicht aus dem Kopf. Daniel wollte das Gerät bereits abschalten, als ihm ein kleines Symbol in der oberen Informationsleiste auffiel. Ein Download hatte gerade stattgefunden, das Gerät befand sich im Netzbereich eines Routers. Daniel tippte auf das Symbol und sofort öffnete sich ein weiteres Dokument.
Fassungslos las Daniel die geschriebenen Worte:
>>Danke, dass Sie meinen Sohn suchen! Das ist sehr wichtig für mich! Informieren Sie mich, wenn Sie etwas herausfinden! Ich stehe Ihnen auch für Fragen zur Verfügung! Erwähnen Sie hiervon nichts meinem Mann und dem Sicherheitsdienst gegenüber! Senden Sie mir eine Textnachricht, damit ich mich auf Ihren Anruf vorbereiten kann! Ich melde mich dann bei Ihnen! Ich hoffe sehr auf Ihre Diskretion!<<
Darunter stand eine weitere Telefonnummer.
Das war ganz bestimmt kein Beweis für das tiefe Vertrauen, das man innerhalb einer Familie finden sollte, in der man sich umeinander sorgte und in der alle eine sehr harmonische Beziehung zueinander pflegten. Frau Jacobs schien ihrem Mann nur bedingt zu vertrauen und beide hatten offensichtlich unterschiedliches Interesse an dieser Suche.
Daniel warf einen heimlichen Blick auf Vermont, der sich auf das Fahren konzentrierte und überhaupt nicht für seinen Passagier zu interessieren schien.
>>Verschwiegenheit und Loyalität<<
Jacobs Einschätzung von Daniels Begleiter sollte ihm wohl eher Warnung als Beruhigung sein. Der Auftrag hatte es mehr in sich, als Daniel zunächst geglaubt hatte. Wieder stellte er sich die Frage, warum die Wahl auf ihn gefallen war. Die Begründung von Jacobs, ebenso die des Personalvermittlers erschien ihm fragwürdiger als zuvor. Ein eher nur bedingt geeigneter Ermittler, losgeschickt mit wenigen bereits überprüften Informationen, überwacht von einem Sicherheitsmitarbeiter, der das besondere Vertrauen des Auftraggebers genoss, und eine Ehefrau, die ihrem eigenen Mann nicht traute.
Wie es schien, war er weniger an einen aufregenden Auftrag als vielmehr in ein intrigantes Spiel in der Upperclass geraten. Das kurze Gezerre des Paares darum, dass er eventuell nicht legal ermitteln würde und dafür möglicherweise Rückendeckung gebrauchen konnte, hatte jetzt einen schlechten Beigeschmack. Jacobs würde eher noch nachtreten, wenn er seine Hilfe benötigte.
Ihm wurde prompt wieder flau im Magen. Wenn er mit seiner Einschätzung nicht völlig falsch lag, dann hatte er gerade einen Job als Marionette in einem familiären Schmierentheater angenommen. Und an den Schnüren, an denen er hing, zogen Frederic Jacobs und in seinem Auftrag GlobSecure.
Daniel schaltete das Touchpad ab und verstaute es in seiner Tasche. Er musste sich schnellstens