Sonnenkaiser. Dirk Meinhard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Meinhard
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754172469
Скачать книгу
Nachfragen im Vorstellungsgespräch fühlte er sich vorbereitet.

      Gleißende Helligkeit stach in seine Augen. Das Flugzeug zog völlig ruhig über einer geschlossenen Wolkendecke dahin, in der sich das Licht der Sonne in fantastischer Helligkeit brach. Er genoss den Anblick der Wolkendecke, die sich wie eine beinahe völlig ebene Schneelandschaft bis zum Horizont dahinzog, bis seine Augen von dem hellen Licht tränten.

      Sein Magen meldete sich sehr eindringlich mit Knurren und einem leichten Kneifen. Das Bier hatte seinen Appetit angeregt. Er öffnete die Box neben seinem Sitz und fand mehrere gekühlte Sandwiches in durchsichtigen Plastikschachteln sowie eine Thermoskanne mit Kaffee, vermutlich das Standardfrühstück für die Gäste der Economy-Class, extra für ihn bereitgestellt, statt Lachskanapees, Butterhörnchen mit französischem Honig und arabischem Mokka für die üblichen Fluggäste.

      Nachdem er seinen Hunger gestillt und alle potenziellen verbliebenen Flugobjekte in der Box verstaut hatte, öffnete sich die Tür des Cockpits und der Co-Pilot steckte seinen Kopf in die Öffnung.

      >>Herr Neumann, wir sind mit der Flugzeit im Plan. In zehn Minuten werden wir zur Landung ansetzen. Ich habe mich bereits per Funk mit unserer Servicestation am Brandenburger Flughafen in Verbindung gesetzt. Ein Fahrer wird Sie dort erwarten und zu Ihrem Termin bringen.<<

      Das brachte Daniel mit seinen Gedanken wieder zum Grund seiner Reise zurück. Der Suchauftrag, die Personalagentur, Berlin, ein noch anonymer Auftraggeber! Bisher war er von dem Aufwand, den dieser Auftraggeber betrieb, um den Detektiv seiner Wahl kennenzulernen, beeindruckt.

      Daniel gönnte sich beim Landeanflug einen ausgiebigen Blick auf die Hauptstadt. Aus der Vogelperspektive konnte er im Anflug das Reichstagsgebäude erkennen, den Sitz der Regierung. Daniel war vorher noch nie in Berlin gewesen und hatte nur wenige der historischen Attraktionen im Kopf. Ansonsten musste er sich eingestehen, dass er nicht wirklich viel über diese Stadt wusste. Vielleicht würde aber noch die Gelegenheit bekommen, ein wenig Sightseeing zu machen, wenn der Auftrag ihn in diese Stadt führen würde.

      Die Maschine setzte kurze Zeit später auf dem Berliner Flughafen auf und rollte in eine Parkposition.

      12.

      Albert war gerade damit fertig, seine Waffen zu reinigen und zusammenzubauen. Eine dunkelgrau lackierte Wilson Combat lag in ihrem Transportfach im Koffer vor ihm, zusammen mit einem Schalldämpfer und mehreren Magazinen und Ersatzteilen. Mit einem Tuch polierte er konzentriert den Lauf einer zweiten Pistole, zu der der Schalldämpfer gehörte.

      >>I got guns for hire, shoot you with desire. I´m a wanted poster, a needed man, wanted right across the land<<, brummte er dabei in schrägen Tönen einen Ausschnitt aus einem Stück seiner bevorzugten Band, deren Mitglieder bereits fast alle auf dem Friedhof begraben waren, dort, wohin er selbst schon eine Menge Leute geschickt hatte. Aus den kleinen Ohrstöpseln in seinen Ohren dröhnte die zugehörige Musik von einem Touchbook auf dem Tisch neben ihm.

      Die Musik wurde plötzlich ausgeblendet und durch ein lautes Summen ersetzt. Das neue Geräusch unterbrach Albert bei seiner Beschäftigung. Er zögerte kurz, denn das Gerät gehörte seinem Partner, der für die komplizierten technischen Dinge der Neuzeit zuständig war. Ihm selbst lagen elektronische Werkzeuge weniger. Seine Sache waren die guten alten mechanischen Angelegenheiten, bevorzugt diejenigen, die mit einem Schlagbolzen. Immerhin war er in der Lage, auf solch einem Touchbook ein paar Programme zu bedienen, unter anderem einen Musikplayer.

      Albert warf einen Blick auf das Display und seine Augenbrauen hoben sich, als er den Namen des Anrufers las. Langsam legte er die automatische Pistole in den offenen Deckel des außen mit dunklem Leder und innen mit schwarzem Stoff bespannten Koffers auf dem Tisch. Kurz betrachtete er die Fingerspitze seines rechten Zeigefingers und wischte dann über das Display des Touchbooks. Die Bewegung hatte etwas Zögerliches, war aber schnell genug für das Gerät, das prompt den verschlüsselten Audioanruf entgegennahm.

      Albert neigte seinen Kopf zur Seite um festzustellen, ob sein Finger eine Spur vom Waffenöl auf dem Touchbook hinterlassen hatte. So etwas würde seinem Partner nicht unbedingt gefallen, wofür er absolutes Verständnis hätte. Auch Albert mochte es nicht, wenn Dorian eines seiner Arbeitsgeräte benutzte und dabei in einen unansehnlichen Zustand versetzte, möglicherweise noch mit Fingerabdrücken verziert.

      Er runzelte missbilligend die Stirn, als er die zahlreichen Fingerabdrücke auf dem Display sah.

      >>Was gibt es?<<, blaffte Albert.

      Überflüssige Höflichkeit war nicht unbedingt seine Stärke. Aber der Anrufer wusste, wen er anrief, somit konnte er sich irgendwelche Floskeln sparen.

      >>Hier ist André! Sind Sie das, Albert?<<

      Die Stimme aus den kleinen Ohrstöpseln klang selbstbewusst.

      >>Ja, Dorian ist gerade beschäftigt!<<, brummte er genervt.

      Dorian und er befanden sich seit zwei Tagen in Málaga, in einem Hotel einer recht gemäßigten Preisklasse, in dem sie nicht auffielen. Dorian hätte gerne eine Unterkunft gewählt, in der sich die Bettwäsche frischer anfühlte und roch, das Interieur nicht aussah wie der Sonderverkauf von der Müllhalde, der Portier in seiner fleckig schmutzigen Garderobe nicht nach Schnaps und Schweiß stank, und nachts keine angetrunkenen Gäste lärmend durch die Hotelflure zogen und in die Ecken erbrachen. Aber in solchen Hotels stellten die Leute an der Rezeption unnötige Fragen, überprüften die Identität ihrer Gäste, und vor allem standen solche Hotels in Stadtteilen, die kameraüberwacht wurden. Wenn man gerne inkognito unterwegs war, waren das entscheidende Kriterien.

      Also warteten sie in dieser Bude auf Andrés Anruf, nachdem Dorian ihm die Mitteilung mit dem Video geschickt hatte. Dorian war von Stunde zu Stunde wütender geworden, weil die Abschlusszahlung für den Auftrag auf sich warten ließ. Nahezu stündlich hatte er das Western Union-Konto geprüft, aber es erfolgte keine Eingangsbuchung. Fünfzigtausend waren ihnen für diese kleine Aktion versprochen worden, zehntausend vorab, der Rest nach Durchführung. Am Hafen lag ein Boot für sie bereit. Sie sollten einem GPS-Signal auf dem Meer folgen und das gefundene Ziel zu einem definierten Zeitpunkt eliminieren.

      Es war einfach verdientes Geld gewesen. Albert hatte sich ein wenig mehr Spannung versprochen. Und Dorian hatte nicht erwartet, dass die Restzahlung der Prämie so lang auf sich warten lassen würde. Knapp eine halbe Stunde vor Andrés Anruf war er wütend aus dem Zimmer raus. So wie Albert Dorian einschätzte, vergnügte er sich gerade mit einer Nutte, für die diese Nummer hart verdientes Geld sein würde.

      Der Anrufer ließ einen Moment verstreichen, als müsste er nachdenken. André war es gewohnt, mit Dorian zu sprechen, den er als den deutlich intelligenteren der beiden Männer ansah. Er war den beiden noch nie begegnet und hatte mit ihnen nur per Audioverbindung kommuniziert. Ihm lagen nur ihre Profilbeschreibungen inklusive Arbeitsnachweisen und Referenzen vor, wie in der Branche üblich. Er selbst hätte den Referenzen bereits etwas hinzufügen können. Dorian und Albert verstanden ihren Job, waren präzise, pünktlich, zuverlässig.

      Bei den Gesprächen war Albert kaum zu Wort gekommen, aber das wenige, was er gesagt hatte, reichte André, um ihn einzuschätzen. Er zog es vor, Albert nach Möglichkeit nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen zu müssen. Der Mann wirkte auf ihn überschaubar intelligent, latent aggressiv und schwer kalkulierbar. Dorian war ihm der wesentlich angenehmere Gesprächspartner.

      Leider fand seine Präferenz bei diesem Gespräch wohl keine Berücksichtigung.

      >>Es tut mir leid, dass es mit der Restzahlung ein wenig gedauert hat. Aber der Kunde zeigte sich ein wenig enttäuscht, weil die Zielperson auf dem Video nicht zu sehen ist<<, sprach André weiter.

      Seine Arbeit bestand darin, brisante Aufträge seiner Auftraggeber an geeignete Personen zu vermitteln, die professionell genug für die technischen Anforderungen und geübt darin waren, jenseits der Legalität zu arbeiten. Seitdem er in dieser Branche sein Geld verdiente, litt er nicht an Langeweile. André erledigte alles Finanzielle, versorgte die Auftragnehmer mit den notwendigen Informationen,