>>Bleiben Sie einfach ruhig und atmen Sie entspannt durch ein Mundstück! Viel Erfolg!<<, hörte er den Jungen, der über ihm die Öffnung schloss. Das Licht des Scheinwerfers wurde von vollständiger Dunkelheit abgelöst.
Er hatte genug Platz, um seine Hände zu bewegen, und legte sie auf die Brust. Über seinem Kopf blieben noch fast zwei Handbreit Luft. Er fingerte nach einem der Mundstücke und setzte es sich vor den Mund. Beim Einatmen stellte er fest, dass ein Ventil das Rohr vor dem Eindringen von Wasser sicherte und damit das Atmen etwas erschwerte. Das bedeutete wohl, er konnte nur dann schluckweise Salzwasser durch das Rohr einatmen, wenn es vor dem Ventil stand.
Es wurde ernsthaft Zeit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob er Platzangst hätte und ob man von Salzwasser gut erbrechen konnte. Sollte das der Fall sein, würde er es in Kürze wissen und konnte dann auch gleich probeweise in Panik geraten.
Als der Torpedo mit einem Mal in die Höhe gezogen wurde und dabei hin und her schwankte, zuckte er zusammen und suchte reflexhaft mit den Händen und Füßen nach Halt. Aber sein neues Beförderungsmittel war zu eng. Er konnte darin seine Position kaum verändern. Er stützte sich mit den zitternden Händen innen an der Oberseite des Torpedos ab und begann leise vor sich hinzufluchen, während seine Zähne hektisch aufeinanderschlugen.
Der Schwimmkörper neigte sich mit seinen Füßen nach unten. Ein Gefühl wie in der Achterbahn oben am höchsten Punkt kurz vor der Schussfahrt in die Tiefe. Er hasste solche Fahrgeschäfte, in denen man unkontrolliert nach allen Regeln der Physik um Verstand und Haltung gebracht wurde. Holztorpedos würden für ihn ab nun auch zu dieser Kategorie gehören.
Es ruckte, als der Torpedo von den Tauen gelöst wurde, die ihn am Kran hielten, und über die Deckkante stürzte. Der Aufprall auf dem Wasser war unerwartet heftig und er schrie vor Angst auf. Der Torpedo tauchte kurz ins Meer ein und legte sich dann in seine Schwimmposition. Er stieß sich den Kopf beim Aufprall auf dem Wasser an der Box. Der Schmerz ließ ihn aufstöhnen.
>>Dreck! Das mache ich nicht noch mal!<<, presste er heraus, um seine Stimme zu hören. Er war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Das Aufklatschen weiterer Objekte auf dem Wasser lenkte ihn für einen Moment ab. Der Müll wurde entsorgt.
Ihm fiel ein, dass er nicht gefragt hatte, wie er den Deckel von innen öffnen konnte. Er tastete die Innenseite des Torpedos ab, fand aber nichts, das sich nach einem Riegel oder Hebel anfühlte. Platzangst verspürte er nicht, aber der Umstand, dass er sich offensichtlich nicht aus dem Behälter befreien konnte, bewirkte kontinuierlich stärkeres Herzklopfen. Aber er hatte ja noch einige Zeit, sich in die Idee, in einem echten schwimmenden Sarg zu liegen, hineinzusteigern.
Das dröhnende Geräusch der Schiffsmotoren entfernte sich und wurde vom Geräusch der Wellen und des Windes überlagert, einem Geräusch, das in Wellnesseinrichtungen für Beruhigung sorgte. Hier hatte es eine andere beklemmende Wirkung und eine zusätzliche auf seine Verdauungsorgane.
Er war allein, irgendwo im Mittelmeer, eingesperrt in einen kleinen schaukelnden Holzbehälter, und konnte nur darauf warten, dem anderen Boot ins Netz zu gehen. Sollte etwas schiefgehen, würde er noch nicht einmal einen letzten Sonnenaufgang zu sehen bekommen.
7.
Privater Ermittler klang eigentlich gar nicht schlecht. Ein kleines schlecht beleuchtetes Büro mit einem Schild an der Tür, auf dem sein Name stand. Ein großer alter Schreibtisch, hinter dem er auf den hinteren Beinen eines Stuhls balancierte, die Füße auf dem Schreibtisch, während er eine Zeitung las, an einem Bourbon nippte und auf Kunden mit interessanten Aufträgen wartete. Ein echter Marlowe eben.
Immer wieder Anfragen von Leuten, bei denen es auf Geld nicht ankam, um ihre entlaufenen Hunde zu suchen, ihren Ehepartnern hinterherzuspionieren oder verloren gegangenen Schmuck zu suchen. Vielleicht nicht aufregend, aber einträglich.
Eine schöne leichte Fantasie.
In der Realität würde ihm wahrscheinlich nicht einmal sein Vermieter beauftragen, das Paar zu finden, das die Wohnung unter ihm im letzten Monat geräumt hatte und dabei einen Haufen Müll und Mietschulden hinterlassen hatte. Auf die Idee, sich als Detektiv zu betätigen, wäre er selbst im größten Alkoholrausch nicht gekommen. Und jetzt war da dieses Angebot.
Frau Wolenski hatte ihm einige Informationen zugeschickt. Die Personalagentur arbeitet für den Konzernverbund der DesertEnergy-Gruppe. Der Klient hinter dem Auftrag war also vermutlich ein Manager aus diesem Unternehmen. Es handelte sich nicht um eine feste Stelle, sondern lediglich um einen einzelnen Suchauftrag nach einer Person. Viel mehr war aus dem Text nicht zu entnehmen. Es ging also nicht um Tiere, Schmuck und Seitensprünge, eher um eine nur vermeintlich demente Großmutter, die sich aus ihrem Luxussanatorium davongeschlichen hatte, um noch mal kräftig einen draufzumachen.
Frau Wolenski hatte sein Profil auf dem Portal des Amtes für Arbeit eingestellt und recht schnell war ein Stellenangebot direkt zu seinem Profil eingegangen. Wenn er sich mit diesem Gedanken beschäftigte, ging ihm das Wort Sklavenmarkt nicht aus dem Kopf. Allzu schlecht war der Vergleich nicht. Frau Wolenski bot Daniel an und ein Interessent begutachtete das Angebot. Kam es zu einem Abschluss, verdienten daran alle Beteiligten. Das Amt sparte Geld, die Agentur bekam Geld für die Vermittlung und der Auftraggeber eine Arbeitskraft. Der Einzige, der dabei wenig mitzureden hatte, war die Arbeitskraft selbst. Wagte sie einen Widerspruch, sparte immer noch das Amt Geld, ein nettes Druckmittel, mindestens so motivierend wie ein Peitschenhieb.
Vermutlich hatte man bereits ein paar Dutzend Bewerber in der Auswahl. Schlechte Chancen für ihn, einen ehemaligen Polizisten, der ein paar Jahre lang vor einem Computer gesessen hatte, um im Internet Betrügern, Dieben, Mördern und Sexualstraftätern nachzujagen, und nicht einmal ein Taxi für eine Verfolgungsjagd benötigt hatte. Daniel überlegte, ob er bereits ein Problem mit seiner Motivation hatte, auch ohne Geldentzug oder Peitschenhiebe. Wenn er es sich ehrlich eingestand, hätte er sich lieber ins nächste Bistro gesetzt und ein Bier bestellt, den Tag genossen und diese Mitteilung verdrängt. Alleine der aufgebaute Druck, sich bis zum Nachmittag bei der grauhaarigen Dame mit der merkwürdigen Brille melden zu müssen, hielt ihn ab.
Die Sonne schien angenehm warm und blendete ihn. Eigentlich war der Tag für andere Dinge wie gemacht. Als er im Citybereich das erste Café fand, setzte er sich an einen der Tische im Außenbereich und bestellte einen Kaffee. Es waren nicht viele Menschen unterwegs, die meisten wohl zu ihren Jobs. Die verkehrsfreie Zone beheimatete statt Geschäften, die längst gegen das Internetangebot aufgegeben hatten, Auslieferpunkte, in denen Drohnen gewartet, aufgeladen und mit Waren für die Nahbelieferung beladen wurden, oder Servicepunkte mit Pflegediensten oder ähnliche Haushaltsdienstleister.
Daniel spielte mit seinem Smartphone. Seine Finger wischten auf dem Display herum. Die Mitteilung von Frau Wolenski öffnete sich und schloss sich wieder. Jedes Mal fiel sein Blick auf die angezeigte Telefonnummer der Agentur. Mit der anderen Hand griff er nach dem Kaffee und nahm einen Schluck. Er schwankte zwischen mangelnder Motivation und Neugier. Etwas reizte ihn, mehr über diesen Job herauszufinden. Endlich rang er sich durch und wählte die Nummer.
>>Best Skills Agency! Guten Tag!<<
Keine Videoverbindung, nur ein Firmenlogo. Die Stimme gehörte einer jungen Frau.
>>Guten Tag! Mein Name ist Daniel Neumann! Ich habe hier eine Rückmeldung Ihrer Agentur auf meine Stellensuche!<<
>>Können Sie mir unsere Referenznummer nennen?<<
Daniel schaute auf seine Commwatch, auf die das Smartphone automatisch einen Teil der Mitteilung vom Amt spiegelte und las die angezeigte Referenznummer vor.
>>Vielen Dank! Einen Moment!<<, antwortete die Stimme mit der kühlen Sachlichkeit einer künstlichen Intelligenz. Natürlich sprach er nicht mit einem Menschen, bevor das Anliegen nicht einem Mitarbeiter zugeteilt wurde.
Während ein paar Momente vergingen, nahm Daniel wieder einen Schluck Kaffee. Die Stimme erklang wieder, nicht eine Spur freundlicher, und teilte