Carné hob ein Glas und prostete beiden Männern zu.
>>Sagen Sie mal, habe ich das richtig mitbekommen? Sie sind seit Jahresbeginn Miteigentümer der Harold-Dahne-Universität? Ist so etwas ein lohnendes Investment?<<
>>Die Ertragslage deutscher Universitäten ist sehr gut! Und der Fachbereich Energietechnik dieser Universität hat einen sehr guten Ruf. Das bedeutet für DesertEnergy Zugriff auf hoch qualifizierten Nachwuchs!<<
>>Ist der Sohn von Jacobs nicht auch an dieser Uni eingeschrieben? Ein Schelm, der da Zusammenhänge sieht!<<
Carné schlug Raedick lachend auf die Schulter.
>>Würde mich nicht wundern, wenn Sie gemeinsam etwas aushecken. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich suche auch noch lohnende Investments.<<
>>Keine Sorge! Ich denke an Sie!<<, erwiderte Raedick mit gönnerhaftem Ton.
>>Vielleicht hat aber auch Herr VanDreed eine Empfehlung für Sie. Ich denke, der Kurs von GlobSecure wird auch in Zukunft nur eine Richtung kennen, nach oben!<<
Mit unbewegter Miene raffte sich der Angesprochene zu einem Nicken auf.
>>Ich denke, das stimmt. Genauer kann Ihnen das unser Finanzvorstand erklären. Meine Kompetenzen liegen im Militärischen. Ich kann Ihnen eher etwas über die Sicherheitslage Ihrer Stromerzeuger in Afrika erzählen.<<
>>In den letzten Monaten war es sehr ruhig. Die Lage ist also wohl sehr gut!<<, lieferte Carné in bester Plauderlaune eine Vorlage für angenehmen Small Talk. VanDreeds rechte Augenbraue zuckte kurz. Dann nahm er den Ball auf.
>>Erwerben Sie ruhig Anteile von GlobSecure. Sie werden auch in Zukunft nicht enttäuscht sein! Da bin ich mir sicher!<<
Eine Stimme aus der Lautsprecheranlage unterbrach ihn und informierte über den nächsten Tagungspunkt.
6.
Das Fischerboot kämpfte sich durch den Wellengang, der es immer wieder ruppig anhob, um es dann in das nächste Wellental hineinschießen zu lassen. Eine solche Fahrt war unangenehm genug, fand er, immerhin waren die Wellen ein paar Meter hoch, für jemanden, der zum ersten Mal auf so einem kleinen Boot unterwegs war, bereits zu hoch. Dazu kam ein scharfer Wind, der ihm unangenehm ins Gesicht schlug, wenn er draußen auf dem Deck stand, so wie jetzt. Aber dass diese Reise auch noch in der Nacht stattfinden musste, machte es noch viel schlimmer. Bei Tageslicht hätte er wenigstens gesehen, wann das Schiff von den Wassermassen in welche Richtung geschoben wurde. Nicht einmal ein paar Sterne waren am wolkendichten Himmel zu sehen. Vorne und am Heck leuchteten Positionslampen, am Bug außerdem ein Scheinwerfer, dessen Licht sich jedoch in der Weite dieser scheinbar unendlichen Dunkelheit verlor.
Der Kapitän steuerte den knapp zwanzig Meter langen Kahn auch noch diagonal durch die Wellenlinien, sodass das Boot nicht einfach nur nach vorne, sondern auch zur Seite schwankte. Ihm war übel. Zweimal hatte er sich schon übergeben. Nun stand er auf dem Deck an der Reling in der Hoffnung, die frische Luft würde seiner Übelkeit endlich entgegenwirken. Vorsichtshalber hatte er sich an der Reling angeleint, um nicht durch einen unbedachten Schritt über Bord zu gehen, und versucht, sich nur auf das Atmen der Seeluft zu konzentrieren. Leider war sein Magen solchen Argumenten nicht zugänglich, sondern zog es vor, sich zu entleeren. Da er keinen Sinn darin sah, gegen die Reaktionen seines Körpers anzukämpfen, gab er auf und hoffte, diesen unangenehmen Teil der Reise schnell hinter sich zu bringen.
Das Boot erhielt zum wiederholten Mal einen Schlag, so empfand er es zumindest, und der Bug hob sich erneut in die Höhe, um danach wieder in die Tiefe zu tauchen. Er überlegte, ob er sich aus seiner sicheren angeleinten Position neben der Tür zum Mannschaftsraum herauswagen sollte, um sich zum Kapitän des Schiffes am Steuer vorne in dem geschützten kleinen Steuerraum vorzukämpfen. Der unklare Füllstand seines Magens ließ ihn jedoch von der Idee Abstand nehmen. Er hatte auch keine rechte Idee, was er dort sollte, vielleicht einmal mit Schwung Mageninhalt über das Steuer gießen.
Hinter ihm knarrten die Ausleger laut, an denen die Mannschaft bei besserem Wetter die Netze für den Fischfang vorbereiteten. Das Geräusch des beanspruchten Materials übertönte kurz das laute Brummen der Motoren, die das Boot dem Ziel entgegen schoben, einem Treffpunkt mitten im dunklen Meer. Er wagte nicht darüber nachzudenken, wie er bei dem Wellengang mit seiner Ausrüstung unbeschadet auf das andere Boot wechseln sollte. Der Kapitän war ein nicht sehr redseliger grauhaariger Mann. Er hatte gerade noch geschafft, seinen Namen zu nennen, LeClerk oder so ähnlich, und dann in einem sparsamen Halbsatz versprochen, der Seegang würde sich bis zum Morgengrauen beruhigen.
Er fluchte, als die Gischt ihn zum wiederholten Male traf. An irgendeiner Stelle war seine wasserfeste Bekleidung undicht, denn er fühlte, wie ihm das Wasser über den Rücken und an den Beinen entlang lief. Er war müde und erschöpft. Erst war er tagelang in wechselnden Fahrzeugen, meistens auf einer engen Rückbank liegend, durch drei Länder gefahren worden, Tausende Kilometer auf schlechten Straßen, abseits der kontrollierten Autobahnen. Schlaglöcher hatten drei unnötige Stopps erfordert, um beschädigte Reifen auszutauschen. Nur einmal hatte er eine Nacht in einem alten heruntergekommenen Bauernhof im französischen Niemandsland verbracht und auf einer durchgelegenen Matratze geschlafen, die er sich mit diversem Ungeziefer teilen musste, die anderen Nächte blieben den Rückbänken vorbehalten. Dazu gab es Essen nur bei kurzen Pausen auf Feldwegen abseits der Straßen, die sie benutzten. Sein Fahrer versorgte ihn mit mitgebrachten Sandwiches und Brötchen aus Kühlboxen, dazu meist lauwarmem Kaffee und Wasser. Der Komfort in Bezug auf tägliche Hygiene und Toilettengänge hätte sich nur unter Verwendung unflätiger Schimpfworte beschreiben lassen.
Die Autoreise endete zunächst in der Nähe von Málaga in einer billigen Absteige, in der es zumindest eine Dusche, frische Wäsche und landestypisches Essen gab. Am vergangenen Abend hatte ihn dann ein alter rostiger Kastenwagen abgeholt und zum Strand gefahren, wo ein Schlauchboot auf ihn wartete. Im Nachhinein war er froh, dass William Lohring, kurz Will genannt, ihm nicht erklärt hatte, wie die Reise ablaufen würde, sonst hätte er sich wahrscheinlich dagegen entschieden. Dies war sehr weit entfernt von der Art, in der er sein Leben sonst verbrachte. Und diese Reise sollte noch fast zwei Tage dauern. Seine Laune sank bei diesem Gedanken noch ein wenig tiefer und sein Magen signalisierte das Auffinden eines Restes, der der Überlegung wert war, ihn auch noch zu entsorgen. Der Weg für den Abtransport war zumindest vorbereitet.
Aber Will hätte vermutlich ein Nein nicht geduldet. Diese Aktion war trotz der Gefahren, denen er sich möglicherweise aussetzte, zu wichtig. Seine potenziellen neuen Geschäftspartner erwarteten ihn in Marokko, um sich von seiner fantastischen Idee zu überzeugen. Er benötigte ihr Geld und die Sicherheit, die sie ihm bieten konnten. Sie würden durch ihn möglicherweise Milliarden verdienen. Auch Will setzte seine Hoffnungen auf ihn. Wenn ihr Plan gelang, würde das Ergebnis wie ein Erdbeben einen ganzen Kontinent erschüttern und Machtverhältnisse neu sortieren.
Will hatte die Investoren aufgetrieben, die bereit waren, in sein Vorhaben finanziell einzusteigen. Es war keine Frage, ob sie der Eigennutz trieb und nicht die Aussicht auf eine bessere Welt. Aber vielleicht war das bei ihm selbst auch nicht der Fall. Es war wohl eine Definitionsfrage, was man darunter verstand. Seinen eigenen Plan hatte er aus guten Gründen für sich behalten.
Das Boot schwankte wieder bedenklich und das Wasser kam dem Deck bedenklich nahe. Er spürte das Tau an seiner Hüfte, das ihn an seiner Position festhielt, während seine Füße auf dem nassen Boden kaum Halt fanden. Das Boot stieg in den nächsten Wellenberg auf und er spürte einen Krampf im Bauch. Wieder schob sich etwas Säuerliches aus der Speiseröhre in seinen Mund. Er spuckte aus.
Jemand kam mit aus seiner Sicht unverschämter Sicherheit über das Deck gelaufen. Eine kräftige Gestalt in einer Öljacke hielt vor ihm und schenkte ihm einen Blick, der sich unentschlossen zwischen Spott und Mitleid bewegte.
>> Wir sind bei Treffpunkt gleich!<<, brummte der Mann in schlechtem Englisch mit hartem spanischen Akzent. Mit einer Hand