Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi. Ben Westphal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ben Westphal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754161807
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der kurz getrimmt ist und seitlich bis in die Mundwinkel reicht.

      Der aufsteigende Dampf trägt den herrlich würzigen Geruch in seine Nase, während er die nächsten Bissen zerkaut.

      Pawel sitzt etwas abseits der übrigen Gäste. Er mag die Einsamkeit, die ihm durch den Beruf des Fernfahrers täglich gegeben ist. Er scheut die Gesellschaft und genießt den Moment der Ruhe.

      Immer wieder taucht er das Brot in die Soße, beißt ein Stück ab, bis der Eintopf spürbar abgekühlt ist, so dass er endlich zum Löffel greifen kann.

      Ein leichter Bauchansatz drückt sich über den enggezogenen Gürtel der blauen Jeans, die lässig auf den dunklen Turnschuhen aufliegt.

      Nach wenigen Minuten hat er die Schüssel leer gegessen. Er greift nach dem Bocadillo, das er sich vorsorglich für den Abend gekauft hat, und steht auf.

      Sein Geschirr lässt er stehen, wischt sich noch einmal den Mund ab und wirft die benutzte Papierserviette in die Schale hinein.

      Mit schnellen Schritten läuft Pawel über die Straße in die Einfahrt der Spedition und geht ein wenig langsamer, nachdem er das Gelände der Spedition Portador betreten hat.

      Nach kurzer Zeit kommt er an der Luke vier an, wo er vor einer guten Stunde seine Zugmaschine geparkt hatte, um die zu transportieren Güter verladen zu lassen. Auf die Zusammenstellung der Paletten nimmt er hierbei keinen Einfluss. Er achtet nur darauf, dass er das Gesamtgewicht nicht überschreitet und die Ladefläche möglichst sinnvoll mit Europaletten genutzt wird.

      Zufrieden blickt er in den Anhänger, der zwischenzeitlich voll beladen wurde. Der Vorarbeiter tritt an ihn heran und überreicht ihm das Klemmbrett mit den Ladepapieren. Pawel unterschreibt an der Stelle, die ihm der Vorarbeiter mit leichtem Brummen und einem blauen Kreuz markiert hat. Er reißt das Original für sich ab und übergibt den Durchschlag samt Klemmbrett an den Vorarbeiter.

      «Gracias. Adios», sagt er mit ruhigem Tonfall. Die einzigen spanischen Worte, die er beherrscht. Seit Jahren fährt er immer wieder von Deutschland nach Spanien und zurück. Dennoch hat er es nie für nötig gehalten, sich ein paar mehr Wörter anzueignen, um sich auch hier mal verständigen zu können. Ihn freut es, dass er Polnisch und Deutsch sprechen kann. Das ist völlig ausreichend für sein Leben.

      «Hasta luego», antwortet der Vorarbeiter und wendet sich von Pawel ab. Er widmet sich dem nächsten Fahrer, der eine Luke weiter steht und ebenfalls auf die entscheidenden Transportpapiere wartet.

      Pawel schließt bereits die Ladetüren, um endlich aufbrechen zu können. Er steigt von der Rampe, geht zum Führerhaus, öffnet die Tür und steigt zum Sitz hinauf. Auf seinem Fernfahrerthron fühlt er sich wie ein kleiner König der Straßen Europas.

      Mit lautem Brummen startet der Motor der Zugmaschine und er legt den ersten Gang ein. “Auf geht’s.” ruft er freudig und lässt die Kupplung langsam kommen. Allmählich setzt sich sein Sattelzug in Bewegung.

      9

      Direkt neben dem größten Einkaufszentrum südlich der Elbe in Hamburg verläuft die zweispurige Wilstorfer Straße. Der belebte Verkehr lässt die warme Luft im Sonnenschein nach Abgasen riechen. Die Motorengeräusche dröhnen in den Ohren der Gäste vom Café International. Sie sitzen vor den Milchglasscheiben vom Café an mehreren kleinen Holztischen und unterhalten sich lautstark miteinander.

      Es wird gelacht, eher sogar laut aufgebrüllt vor Freude und Heiterkeit. Einige Besucher stehen um die sitzenden Gäste herum und beteiligen sich an dem Gerede, welches zum Teil in mehreren Sprachen gleichzeitig gestenreich geführt wird.

      An einem der Tische sitzt auch Cemal Sarikaya. Seine frisch rasierte Glatze leuchtet im Sonnenschein. Das weiße Hemd lässt den Teint seiner Haut noch brauner erscheinen. Seine dunkle Stoffhose und die schwarzen Lederschuhe, die er trägt, lassen ihn zwischen seinen Freunden und Gästen deplatziert wirken. Sie selber tragen zumeist helle und dunkle Trainingshosen, Sportschuhe und luftig geschnittene T-Shirts.

      Die Mehrzahl von ihnen hat einen mehr oder weniger langen Vollbart. Auch Cemal hat einen dunklen Bart, den er gerade erst am Morgen beim nebenan eröffneten Barbershop zurechtstutzen lassen hat.

      «Cemal, Digger, das kannst du dir doch nicht gefallen lassen.»

      «Die sollen dich endlich in Ruhe lassen.»

      «Digger, was denken die eigentlich», sprechen seine Gäste auf Cemal ein. Er sitzt stoisch in seinem Stuhl, hat die Finger ineinander verfächert, wobei er die Zeigefinger ausgestreckt hält und mit den Fingerspitzen immer wieder gegen seine Nasenspitze tippt.

      Grübelnd blickt er zu einem in Sichtweite geparkten Van, dessen Heckscheiben abgedunkelt sind.

      «Du musst denen jetzt mal zeigen, dass sie nicht alles mit dir machen können. Du bist ein freier Mann.»

      «Die können hier doch nicht ewig rumlungern», sprechen die nächsten beiden Gäste auf Cemal ein.

      «Lasst sie doch im Kofferraum sitzend schwitzen. Irgendwann werden die schon die Lust an uns verlieren», erwidert Cemal mit ruhigem Tonfall. Er trinkt einen kleinen Schluck schwarzen Tee aus einer gläsernen Tasse, die er im Anschluss auf einem Blechtablett abstellt.

      «Diggi, Bruder. Ich hänge hier nicht länger ab, wenn die hier immer sind, Digger. Das macht keinen Sinn.»

      Mit jedem Kommentar der Anwesenden wird Cemal ruhiger und schaut mit gestochenem Blick zu dem Fahrzeug hinüber. Die Stirn wirft er dabei in Falten. Zwischen den Augenbrauen bildet sich eine tiefe Furche. Immer mehr baut sich eine Spannung in seinem Körper auf. Mit jeder weiteren Äußerung steigert sich in ihm die Aggression über die unerwünschten Beobachter.

      «Bro, ich mach hier keine Geschäfte mehr. Ich geh' ab morgen wieder in Neugraben ins Café», äußert sich ein dickbäuchiger Südländer, der direkt neben Cemal sitzt.

      Cemal beginnt zu blinzeln, als die Sonne hinter einer Wolke hervortritt, sich in dem Tablett vor ihm widerspiegelt und das Licht auf sein Gesicht wirft.

      «Schluss jetzt», gibt er entschlossen von sich. Er steht von seinem Stuhl auf. Mit schnellen Schritten schreitet er in sein Café und geht unmittelbar auf seine Angestellte zu. Sie steht hinter dem Tresen und stellt gerade die Getränkewünsche der Gäste bereit.

      Er greift hinter die Theke und spürt das kalte Metall an seinen Fingerspitzen, das er sogleich umfasst und hervorzieht.

      «Was machst du da?», fragt Svetlana, die neue Angestellte von Cemal.

      «Konzentrier’ dich auf deinen Kram», antwortet Cemal mit scharfem Tonfall und wendet sich von ihr ab.

      Unweit vom Café sitzt im Kofferraum eines abgedunkelten Vans der Leiter der Observationsgruppe vom Rauschgiftdezernat. Trotz seiner Führungsposition in der Gruppe liebt er es, noch immer in erster Reihe zu stehen und möglichst gute Fotos und Videos von Treffen oder Übergaben zu fertigen. Immer wieder drückt er den Auslöser seiner Kamera und filmt die Bewegungen vor dem Café International. Das Hauptobjekt seiner Begierde hatte vor kurzem das Café betreten. So nutzt er den Moment, um mal die Kamera abzulegen und seine Brotdose zu öffnen. Er will sich kurz stärken für die nächsten Stunden der geplanten Observation.

      In der Jackentasche von Fred vibriert plötzlich sein Handy. Auf dem Display erscheint der Name von Otto.

      «Hallo, mein lieber Otto», antwortet Fred mit gedämpfter Stimme. «Wie geht's, wie steht's?»

      «Bist du noch bei Cemal?», fragt Otto sogleich ohne eine Begrüßung oder die Frage nach dem Wohlbefinden.

      «Mir geht es auch super. Und ja, ich sitze hier noch immer in meinem Backofen, schwitze wie ein Iltis und warte darauf, dass etwas Interessantes passiert. Bislang ist hier alles ruhig. Relativ viele Gäste sind anwesend, aber es wird nur herumgealbert. Ich konnte noch nichts Aufregendes feststellen», erzählt Fred mit vollem Mund, nachdem er kräftig von seinem Käsebrot abgebissen hat.

      «Mmmh. Schade. Wir haben einen Hinweis auf Cemal bekommen. Wir müssen da dranbleiben. Er soll einen Laster mit